Heroin
Ertragreiche Schmuggelrouten für Drogenhändler - Einer der Hintergründe im Mazedonien-Konflikt? - Analyse von Mark Terkessidis

Köln, den 28.3.2001 (DW-radio)

Im Dörfchen Poroj unweit von Tetovo herrscht gespannte Stimmung. Auf dem Dorfplatz stehen die Männer in Trauben zusammen, rauchen und führen leise Gespräche. Frauenstimmen und Kindergeschrei sind hinter die Mauern der Häuser verbannt. In Poroj beginnen die Straßen und Pfade hinauf ins nahe Sar-Gebirge. Hier leben nur Albaner, in diesem Dorf unterstützt man die neue UCK. Vollbeladene Pferde klappern vorbei, sie transportieren Verpflegung für die Kämpfer.

Poroj ist eine karge Betonsiedlung. Schätzungen sprechen von 70 Prozent Arbeitslosen unter den mazedonischen Albanern. Trotz der Armut wird das Dorf von einer riesigen Moschee überragt, deren Pracht auffällt. Wer hat diese Moschee bezahlt, fragt man sich unwillkürlich. Der erste Eindruck täuscht. Nicht alle Albaner in der Region sind arm. Um Tetovo, Gostivar oder Kumanovo herum wurde in den 90-er Jahren viel gebaut. Die Anwesen hier haben den Charakter von Haziendas. Stammt all dieser Reichtum von den Verwandten aus dem Ausland? 

So manches könnte auch mit illegalen Mitteln erworben sein, durch Schmuggel vor allem mit Drogen und Zigaretten, wahrscheinlich auch mit Waffen- und Frauenhandel. Zwischen Mazedonien, Kosovo und Albanien gibt es schon lange eine Art Freihandelszone für Heroin. Diese Tatsache habe mehr mit dem derzeitigen Konflikt zu tun, als bisher vermutet werde, meint Jordan Boskov, Leiter des außenpolitischen Ausschusses im mazedonischen Parlament. Denn die Drahtzieher der Unruhen seien eher in der kriminellen Zone zu suchen.

Es gibt in der Tat Hinweise, dass es in Mazedonien gar nicht ausschließlich um einen ethno-politischen Konflikt geht. Seit Mitte letzten Jahres hat die Regierung in Skopje die Grenzpatrouillen zum Kosovo verstärkt, vor allem um die illegale Einwanderung zu verhindern. Die Maßnahme war ein Wink nach Europa, denn Mazedonien will dringend näher an die Europäische Union heranrücken. Durch die Abschottung nach außen will man erreichen, dass der Visumzwang für die EU-Länder abgeschafft wird. Doch die verstärkte Grenzsicherung habe, so Jordan Boskov, die Aktivitäten der Schmuggler gestört. Denn die Routen der Drogenschmuggler liefen über Tanusevci und Jazince und auch über das Sar-Gebirge, dort wo nun gekämpft werde. Diese Kriminellen, so Boskov, versuchten jetzt, einen "quasi ethnisch begründeten Konflikt anzuzetteln".

Tatsächlich begannen die Auseinandersetzungen Ende Februar mit Schüssen auf einen Grenzposten im Örtchen Tanusevci. Das Dorf liegt auf dem Weg von Veliki Trnovac in der südserbischen Presevo-Region nach Kumanovo in Mazedonien, etwa 30 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Skopje. Beide Orte sind überwiegend von Albanern bewohnt und wurden während der 90-er Jahre zu Zentren der sogenannten "Heroin-Route" zwischen Afghanistan, der Türkei, Albanien und Westeuropa. Schon 1995 wurde in Berichten der Schweizer Drogenbehören und der EU beschrieben, wie die Schmuggelpfade sich veränderten, weil der traditionelle Weg über Belgrad durch die Sanktionen blockiert worden war. 

In der Region selbst heißt Veliki Trnovac auch "das Medellin des Balkans". So geht es möglicherweise dieser neuen UCK zum Teil weniger um ein politisches Ziel, gar um ein Groß-Albanien, sondern darum, ihre Freihandelszone für Schmuggel aufrecht zu erhalten. Für die Drogenhändler wäre das durchaus berechtigte Streben der albanischen Minderheit nach mehr Gleichberechtigung damit nur Mittel zum Zweck. Ihr Nahziel hieße stattdessen Destabilisierung der Region. Und diese wird erreicht durch das Schüren bereits bestehender Vorurteile zwischen Albanern und Mazedonen, und bis jetzt geht diese Rechnung offenbar auf.