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Jochen Scholz                                                                       10. April 2003

Nach der Brüskierung der Vereinten Nationen: wie geht es weiter 
und
Das Nein der Bundesregierung zum Irakkrieg oder die Kluft zwischen Worten und Taten im Lichte von Grundgesetz und Völkerrecht

„Dieser Krieg ist ein Akt der freien Wahl“
Der demokratische Senator für West Virginia, Robert C.Byrd, am 19. März 2003




Worum geht es in diesem Krieg? Ohne die Klärung dieser Frage verfängt sich jeder Beobachter des Geschehens in den Fallstricken der Propaganda – wie noch in jedem Krieg der Geschichte. Worum geht es also?
Bereits vor zwölf Jahren verfassten Mitglieder der damaligen Regierung Bush im Pentagon unter Verteidigungsminister Cheney, dem heutigen Vizepräsidenten, ein Strategiepapier, das unter der Nachfolgeregierung Clinton in den Schubladen verschwand. 
Der Autor: Paul Wolfowitz, heute stellvertretender Verteidigungsminister. Der Stichwortgeber: Richard Perle, damals wie heute einer der einflussreichsten außenpolitischen Vordenker in den USA. Die Botschaft: Die Vereinigten Staaten würden es niemandem erlauben, sie mit den zerstörerischsten Waffen zu bedrohen. Man solle militärisch zuschlagen, bevor andere Regime in der Lage seien, die USA zu bedrohen. Unter dem Schlüsselbegriff „Präventive Selbstverteidigung“ fanden diese Kerngedanken Eingang in die 2002 vorgelegte Nationale Sicherheitsstrategie der USA, die darauf abzielt, keine Staatenkonstellation militärisch auch nur annähernd so stark werden zu lassen, wie die Vereinigten Staaten. 
Der Irak soll der erste „Schurkenstaat“ sein, an dem die neue Doktrin exemplarisch exekutiert wird, als Warnung und abschreckendes Beispiel für die übrigen Verdächtigen in der Welt: Iran, Syrien, die als nächste auf der Abschussliste stehen. Siehe dazu das Interview in der „Welt am Sonntag“ v. 9. Februar 2003 mit Wesley Clark, dem ehemaligen Oberbefehlshaber der NATO in Europa. 
Die amerikanische Sicherheitsdoktrin ist ein glatter Bruch des Völkerrechts, weil sie gegen das Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen (Artikel 2 Absatz 4) verstößt. Richard Perle stellt in den Mittelpunkt seiner Argumentation die nationalen amerikanischen Interessen. Er will die UNO nur dann einbinden, wenn sichergestellt ist, dass sie im US-Interesse entscheiden und handeln. Es geht den USA nicht darum, die – sofern noch vorhanden – Massenvernichtungswaffen des Irak zu vernichten. Sonst hätte man den Blix-Plänen zustimmen müssen, mit einem verstärkten Inspektionsregime einige weitere Monate auf dem seit November 2002 erfolgreichen Weg weiter zu machen. Es geht um einen Regimewechsel im Irak. 
Es gehe um die „Neuordnung“ der gesamten Region, sagt Präsident Bush, um „Demokratisierung“. Die Vereinigten Staaten hatten jedoch noch nie Probleme damit, sich mit verbrecherischen oder undemokratischen Regimen zu verbünden, wenn es ihren Interessen nutzte. Die Beispiele von Lateinamerika über Europa bis Asien sind Legion. Machen wir also den Vorhang auf und geben wir den Blick frei auf die eigentlichen Motive für diesen Krieg.
Die Region vom Nahen/Mittleren Osten bis nach Zentralasien ist für die USA die wichtigste geostrategische Region der Welt, weil hier der Schmierstoff aller Volkswirtschaften liegt: Öl und Gas. Der Irak verfügt über die zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt, und das in bester Qualität. Die Konkurrenz ist groß: Russland, China, Indien, Pakistan, die EU. Wer bestimmt und kontrolliert, wer wie viel und zu welchen Preisen erhält, kann das Spiel kontrollieren. Wer das Spiel nicht kontrolliert, kann den Weltmachtanspruch aufgeben. „Teile und herrsche“ ist das Motto, multilaterale Strukturen innerhalb des Regelwerks der Vereinten Nationen sind dabei störend. Aus der – derzeitigen -  Sicht der USA konnte es also keine Lösung des Irakproblems geben, die nicht einen Regimewechsel zum Ziel gehabt hätte. Dies ist aber von außen nur mit militärischen Mitteln zu erreichen, Hans Blix mit seinen Inspektoren hätte da nur gestört.
Der Sicherheitsrat hat sich diesem Ziel verweigert und sich nicht zum Erfüllungsgehilfen nationaler US-Politik machen lassen. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben in richtiger Einschätzung der Mehrheitsverhältnisse des Gremiums zusammen mit Großbritannien und Spanien darauf verzichtet, eine weitere Irak-Resolution im Sicherheitsrat der VN einzubringen, weil wegen deren Kriegsautomatismus keine Mehrheit zu erwarten war. 
Die Erpressungsversuche der letzten Wochen gegenüber den nichtständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates waren trotz deren wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten nicht erfolgreich. Dies ist ein ermutigendes Zeichen, unbeschadet der weltweiten Bestürzung über die imperiale Arroganz der US-Regierung und den Einfluss der zur Zeit offensichtlich mit unkontrollierter Machtfülle agierenden, kleinen neokonservativen Clique um Rumsfeld und Cheney, die ihre politischen Vorstellungen mit dem nunmehr begonnenen Krieg gegen den Irak umsetzen wollen. Die Stimmung im Sicherheitsrat und unter den UNO-Mitgliedern zeigt, dass die amerikanische Regierung den Bogen bei weitem überspannt hat. Sie ist unter den Staaten weltweit isoliert und befindet sich im Widerspruch zum überwiegendenTeil der Weltbevölkerung. Ihr Verhalten als UN-Gründungsmitglied ist – um den innerstaatlichen Vergleich zu ziehen – einem Staatsstreich gleich zu setzen. 

Die Vereinten Nationen und die mit ihrem Regelwerk am Ende des Zweiten Weltkrieges geschaffene, gerade auch von den USA gewollte, internationale Rechtsordnung stehen vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Gleichzeitig auch an einem Scheideweg: entweder es gelingt dem Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit (Artikel 24 Absatz 1 der Charta der VN) zurück zu gewinnen, oder das Erbe der Welt wird die globale Gesetzlosigkeit sein. Die künftigen Gefahren gehen in diesem Kontext wahrscheinlich weniger von den Vereinigten Staaten aus, weil die zweitgrößte Demokratie der Welt genügend politische Potenz, Vitalität und Regenerationsfähigkeit hat, um diese Phase ihres weltpolitischen Agierens zu überwinden. Nicht vergessen werden darf, dass es besonders Amerika war, das sich fast ein Jahrhundert lang für die Förderung und Entwicklung des Völkerrechts eingesetzt hat. 

Die Bushs kommen und gehen, 
bauen wir auf das bessere Amerika! 
Vielmehr sind künftige Konstellationen denkbar, in denen sich andere Staaten auf den Präzedenzfall Irak berufen könnten, die sich weder der Demokratie verpflichtet fühlen, noch über demokratische Kontrollinstrumente und Machtwechselmechanismen verfügen.
Deswegen gilt es für die Vereinten Nationen, die Schocklähmung rasch zu überwinden, die Vereinigten Staaten ins Boot zurück zu holen und das Gesetz des Handelns wieder zu erlangen. Dazu sind sie nach der Charta verpflichtet. Hierzu sind alle ihre Mitglieder aufgerufen, weil die mit der Charta kodifizierten fundamentalen Prinzipien des Völkerrechts der Kitt sind, der die Staatenwelt im Innersten zusammenhält. Es wäre fatal, wenn die VN sich mit der Rolle abfänden, die ihnen von der amerikanischen Regierung und Teilen des politischen Spektrums in Deutschland im Irakkontext zugewiesen worden ist: entmachtet als Hüterin des Weltfriedens, aber herzlich willkommen als Reparaturbetrieb nach dem Krieg. 
Der Sicherheitsrat ist nach dem Entschluss der Vereinigten Staaten, den Irak aus eigener Machtvollkommenheit anzugreifen, mit der Angelegenheit vorläufig nicht mehr befasst. 
Nach Art. 10 und 11 der Charta der VN ist die Generalversammlung der VN nunmehr berechtigt und von der Bedeutung der Angelegenheit her verpflichtet, sich der Sache anzunehmen. Wenn die Umstände es erfordern, kann sie zu außerordentlichen Tagungen zusammentreten (Artikel 20 der Charta). Wer wollte bestreiten, dass diese Umstände angesichts der massiven Störung des Weltfriedens und der internationalen Ordnung sowie der zu erwartenden unschuldigen Opfer eines Krieges gegen den Irak gegeben sind! Der Bundesregierung kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu, weil sie – wenn auch wenig konsequent – eine militärische Lösung seit Sommer 2002 abgelehnt hat, und weil Deutschland für zwei Jahre Mitglied des Sicherheitsrates ist. Die Glaubwürdigkeit einer deutschen Initiative zuhause und vor der Weltöffentlichkeit  ist jedoch an folgende, unabdingbare  Voraussetzungen gebunden:

o Die Bundesregierung muss sich endlich nicht nur intern zu einer eindeutigen Bewertung des amerikanischen Vorgehens durchringen, anstatt ihre Zusagen an die USA zum Maßstab ihres Handelns zu machen und ängstlich auf die Folterwerkzeuge des mächtigsten Verbündeten zu starren.
o Sie muss aus dieser Bewertung die Konsequenzen hinsichtlich ihrer direkten und indirekten Beteiligung am nationalen Alleingang der USA ziehen
o Sie muss endlich auf den Boden des Grundgesetzes zurückkehren, der ihr Handeln an Recht und Gesetz bindet (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz), anstatt politische Entscheidungen am Recht vorbei zu treffen, sich wider besseres Wissen mit wolkigen Formulierungen von Bündnisverpflichtungen zu legitimieren  und
o Sie darf keinen Zweifel daran lassen, dass ihre Initiative auf die Wiedereinbindung der Vereinigten Staaten in das Gefüge der VN gerichtet ist. 
 
 

Die überwältigende Mehrheit der Völkerrechtler außerhalb der USA beurteilt das Vorgehen der amerikanischen Regierung wie folgt:

o Der Aufbau der militärischen „Drohkulisse“ war ein Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 4 der Charta der VN, der bereits jede gegen einen Staat gerichtete Androhung von Gewalt durch einen anderen Staat verbietet. Die USA handelten jedoch ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates, der als einziger zu einer solchen Maßnahme nach Kapitel VII der Charta greifen darf. 
o Die VN-SR Resolution 1441 vom 8. November 2002 droht dem Irak mit „ernsthaften Konsequenzen“, wenn er weiterhin die Abrüstungsauflagen der VN-SR Resolution 687 vom 3. April 1991 nicht erfülle. Eine Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen ist in ihr nicht erhalten. Das ergibt sich bereits aus der zitierten Formulierung. Zudem setzten die Vetomächte Frankreich, Russland und China durch, dass hierzu eine weitere Resolution mit einer ausdrücklichen Ermächtigung zur militärischen Gewaltanwendung verabschiedet werden müsse, wie das in Kapitel VII der Charta vorgesehen ist, wenn friedliche Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen. Gerade letztere wurden jedoch vom Chef der VN-Kontrolleure, Hans Blix, noch in der Sitzung  des Sicherheitsrates am 19. März 2003 als erfolgversprechend gewertet.
o Die USA können sich nicht auf das Recht zur kollektiven oder individuellen Selbstverteidigung berufen, weil die Voraussetzungen nach Artikel 51 der Charta nicht vorliegen. Weder verfügt der Irak über die erforderlichen Waffen, die USA anzugreifen, noch stand vor Kriegsbeginn ein solcher Angriff unmittelbar bevor.
o Kriege, die geführt werden, um einen Regierungswechsel einzuleiten, ein anderes politisches System zu etablieren oder eine Region neu zu ordnen, sind von der Charta der VN nicht gedeckt.
o Der Krieg gegen den Irak unter Führung der USA ist völkerrechtswidrig und damit ein Verbrechen. 
o Der Irak kann sich auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der Charta berufen.
o Das Gewaltverbot des Artikel 2 Absatz 4 der Charta ist nicht interpretationsbedürftig, ebenso wenig, wie das Verbot, eine rote Ampel zu überfahren. Es bedarf also keiner weiteren Instanz, um die Völkerrechtswidrigkeit des amerikanischen Vorgehens festzustellen, da die beiden einzig zulässigen Ausnahmen nicht vorliegen: Das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta oder ein Beschluss des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Charta. 
 
 

Die von der Bundesregierung anlässlich des NATO-Gipfels in Prag im November 2002 gewährten Überflug- und Nutzungsrechte für die USA und Großbritannien, die Entsendung deutscher Soldaten als Teil der multinationalen Crews der unter NATO-Kommando stehenden fliegenden Luftkriegsgefechtsstände AWACS, die Belassung und personelle Verstärkung ABC-Abwehreinheit in Kuwait sowie die Bereitstellung von über 3000 Soldaten zur Bewachung/Sicherung militärischer Einrichtungen der USA auf deutschem Territorium ist in der Sache sowie unter völker- und verfassungsrechtlichen Aspekten wie folgt zu bewerten:

o Für den Aufbau der - unter Bruch von Artikel 2 Absatz 4 der Charta der VN -   militärischen „Drohkulisse“ benutzten die Vereinigten Staaten den militärischen Teil des Rhein-Main Flughafens sowie die Flugplätze Ramstein und Spangdahlem und führten dieses militärische Vorhaben u.a. aus ihrem nationalen europäischen Hauptquartier EUCOM in Stuttgart-Vaihingen. Nach dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS)von 1994 haben die USA in den ihnen überlassenen Liegenschaften und dem deutschen Luftraum nur insoweit eine generell zugestandene Bewegungsfreiheit, als sie zur Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgaben nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages erforderlich ist. Alle darüber hinausgehenden Aktivitäten bedürfen der Genehmigung durch die Bundesregierung. Die seit Sommer 2002 betriebenen Vorbereitungen, insbesondere über das Herz der US-Logistik in Europa, Ramstein, waren ein nationales Vorhaben der USA. Sie waren vom ZA-NTS nicht gedeckt und gleichzeitig völkerrechtlich die Vorbereitung eines Angriffskrieges, weil sie ohne Autorisierung des VN-Sicherheitsrates durchgeführt wurden. Die Bundesregierung hat dem zunächst tatenlos zugesehen, versucht, die Tatsachen vor der Öffentlichkeit geheim zu halten und schließlich beim NATO-Gipfel im November 2002 die volle Bewegungsfreiheit zugesagt, ohne sie an völker- oder verfassungsrechtliche Bedingungen zu knüpfen. Sie hat dies mit „Bündnisverpflichtungen“ begründet und tut dies bis heute.

Es gibt jedoch für den vorliegenden Fall keine Bündnisverpflichtungen, weder, wie oben ausgeführt, nach dem ZA-NTS, noch nach dem Nordatlantikvertrag, da der Bündnisfall nach dessen Artikel 5 im Hinblick auf den Irak nicht festgestellt wurde, seine Mitglieder nach Artikel 1 zur friedlichen Streitbeilegung verpflichtet sind, und die Verpflichtungen gegenüber der Charta der VN nach Artikel 7 Vorrang gegenüber den Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag haben.

Die Bundesregierung kann sich aber nicht aus dem normativen Nichts auf Bündnisverpflichtungen berufen. Bei völkerrechtlichen Verbrechen eines Bündnispartners gibt es sie ohnehin nicht. Dies ergibt sich aus Artikel 25 GG, nach dem die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind, den Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen, sowie aus Artikel 26 GG, der die Vorbereitung – und damit nach den Gesetzen der Logik erst recht seine Unterstützung oder Führung – verbietet. 

o Die Entsendung deutscher Soldaten mit den AWACS-Maschinen in die Türkei ist weder eine Übung noch ein humanitärer Hilfseinsatz, etwa im Rahmen der Katastrophenhilfe. Militärisch gesehen ist die Maßnahme die Absicherung eines Aufmarschgebietes aus der Luft, weil die Türkei Reaktionen des Irak gegen von ihrem Territorium aus operierende US-Einheiten befürchtet. Damit handelt es sich um einen Einsatz, der unter dem konstitutiven Vorbehalt eines Parlamentsbeschlusses steht (AWACS-Urteil des BVfG von 1994). Irrelevant für die Beurteilung, worum es sich bei der Tätigkeit der deutschen Besatzungsmitglieder handelt, sind deswegen Fragen des  konkreten Auftrags der Soldaten, (Überwachungsfunktion oder Feuerleitfunktion),  Fragen nach dem Unterstellungsverhältnis oder danach, an wen die gesammelten Daten zu welchem Zweck weiter gegeben werden. Im übrigen stellt der Schutz eines Bündnispartners vor einem Angreifer, der das Recht zur Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff durch einen anderen NATO-Partner in Anspruch nehmen darf, den Zweck des Verteidigungsbündnisses NATO auf den Kopf.
Völkerrechtlich ist der AWACS-Einsatz Beihilfe zum Angriffskrieg. Auch innerstaatlich hat dieser Einsatz keine Rechtsgrundlage, weil kein Mandat des Bundestages vorliegt. Dies gilt auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Eilantragsverfahren der FDP-Bundestagsfraktion, weil das Gericht in der Sache nicht entschieden und seine diesbezüglichen Zweifel geäußert hat. 

o Seit Kriegsbeginn unterliegen die deutschen Soldaten, die amerikanische Einrichtungen in Deutschland bewachen, völkerrechtlich dem Kombattantenstatus. Damit erhalten die Soldaten einen fundamental anderen Status, als z. B. die Polizei. Sie bewachen nicht mehr nur auf der Grundlage des „Gesetzes zur Anwendung unmittelbaren Zwangs“, der sie dazu verpflichtet, die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten, wie dies für alle Wachsoldaten im Frieden gilt. Vielmehr gehen sie auch zu der nach militärischen Regeln ablaufenden Sicherung und ggf. Verteidigung über, weil mit Gegenmaßnahmen des Irak gerechnet werden muss. Damit sind sie aktive Teilnehmer an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Darüber hinaus entlasten sie die US-Streitkräfte und stärken deren Kampfkraft, weil diese damit mehr Soldaten für den Krieg gegen den Irak zur Verfügung haben. 
o Die Bundesregierung hat die Zahl der ABC-Abwehrsoldaten in Kuwait auf rund 250 verstärkt, weil die ebenfalls in Kuwait stationierten tschechischen ABC-Abwehreinheiten mit den US-Truppen in den Irak einmarschieren. Damit leistet die Bundesregierung einen Beitrag zur Verstärkung der Kampfkraft der Invasionsarmee, unterstützt also den völkerrechtswidrigen Krieg aktiv. Das Aufklären der vom Irak auf Kuwait abgefeuerten Raketen hat nichts mit dem „Antiterrorkampf zu tun, der vom Deutschen Bundestag im Rahmen von „Enduring Freedom“am 15. November 2002 mandatiert wurde. Vielmehr handelt der Irak in Wahrnehmung seines Rechts auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der VN. Bundesverteidigungsminister Struck als „Oberbefehlshaber des US-Ersatzheeres“ auf  deutschem Boden?
o Im Kommentar Randelzhofer in Simma (Herausgeber), Charta der Vereinten Nationen, Artikel 51, Rn 28 ist folgendes zu lesen: „Nach 3 (f) der Aggressionsdefinition gilt als Angriffshandlung ‚die Handlung eines Staates, die in der Duldung besteht, dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem anderen dazu benutzt wird, eine Angriffshandlung gegen einen Dritten zu begehen.’ Diese Bestimmung betrifft nur die freiwillige Überlassung von Staatsgebiet an einen anderen Staat und erfasst nicht den Fall der bloßen Nichtverhinderung von Angriffshandlungen eines anderen Staates auf dem eigenen Territorium. Nur im ersten Fall wird dem das Territorium zur Verfügung stellenden Staat neben dem aktiv agierenden Staat die Angriffshandlung als eigene zugerechnet.“ 
o Im Klartext heißt das, bezogen auf die Gewährung bedingungsloser  Bewegungsfreiheit durch die Bundesregierung, die ausdrücklich auch für den Fall zugesagt wurde, dass kein Mandat des VN-Sicherheitsrats vorliegt: Deutschland ist rechtlich dem Aggressor USA gleich gestellt.
o Das Soldatengesetz bestimmt in Paragraph 10 (Pflichten des Vorgesetzten) Absatz 4: „Er darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.“ Paragraph 11 (Gehorsam) Absatz 2 bestimmt für den Soldaten: „Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.“
 

Diese verfassungswidrige Situation muss von der Bundesregierung sofort beendet werden. Der Bundeskanzler kann nicht auf der einen Seite die zu erwartenden, Tausenden von unschuldigen Opfern des Krieges gegen den Irak vor dem Deutschen Bundestag beklagen, aber gleichzeitig durch sein Handeln aktiv und passiv genau dies mit herbeiführen. 
Deswegen wird die Bundesregierung aufgefordert, ihren Verpflichtungen aus der Präambel des Grundgesetzes nachzukommen, dem Frieden der Welt zu dienen, indem sie in einem ersten Schritt alle gegenüber den USA und anderen Staaten gemachte Zusagen für diesen Krieg unverzüglich widerruft. Damit würde sie nicht zuletzt eine für viele Soldaten der Bundeswehr als bedrückend empfundene Situation beenden. 
Die Vereinten Nationen  sind ohne die volle Unterstützung durch die USA nicht wirklich handlungsfähig. Umgekehrt überschätzen sich die USA, wenn sie glauben, auf Dauer ohne Unterstützung durch die Vereinten Nationen handeln zu können. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, in Wahrnehmung ihrer Verantwortung als derzeitiges Mitglied des Sicherheitsrates die Initiative zur Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung der Vereinten Nationen zu ergreifen und dort einen Resolutionsentwurf einzubringen mit folgender Zielsetzung:

o Übernahme der Verantwortung der Generalversammlung für die Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, die durch das einseitige Vorgehen der US-Regierung bedroht sind so lang, bis der VN-Sicherheitsrat seinen Pflichten aus Artikel 24 der Charta wieder nachkommt.
o Unverzügliche Beendigung des Krieges gegen den Irak.
o Verpflichtung des Generalsekretärs auf eine aktivere Rolle im Prozess der Wiedergewinnung der Handlungshoheit der VN als bisher.
o Deutliche Verurteilung der „Koalition der Willigen“ als Brecher des kodifizierten Völkerrechts.
o Verpflichtung der „Koalition der Willigen“ zur Rückkehr in die Strukturen und Mechanismen, die in der Charta für die Streitbeilegung völkerrechtlich als einzige zugelassen sind.
o Einleitung eines Verfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof, um den Rechtsfrieden wieder herzustellen. 

(C) Jochen Scholz