... , diese aber dankend abwinkte, weil sie schon bei der Familie Kfor
eingeladen war. Herr Nato wäre gewiß gerne gekommen, aber seine
Kapitalinteressen hinderten ihn.
Was das soll? Fragen Sie nicht mich. Fragen Sie die Medien, die so berichten,
als handele es sich bei Krieg und Frieden um Kaffeeklatsch bei Prinzenfamilien,
und als sei seriöser Journalismus nur im Stile des Goldnen Blatts
zu betreiben.
Leider bramarbassieren immer wieder einmal auch "linke" Blätter
auf diese Weise, z.B. die "junge Welt" in ihrer 8-seitigen Beilage "nato-frieden
im kosovo". Da stimmt schon die gesamte Überschrift nicht, und jeder
einzelne Artikel (obwohl für sich alleinstehend gut und verdienstvoll)
trägt zum Gesamteindruck bei. Und der heißt:
Die Welt bewegt sich, alles bewegt sich - aber ohne uns.
Es kömmt nicht darauf an, sie zu verändern,
sondern sie möglichst intelligent zu interpretieren.
Wie wird dieses Gesamtbild geschaffen?
1. Es gibt keine Subjekte mehr, die als handelnde Personen identifizierbar
wären (so wie hier in diesem Satz - "Es gibt...").
Der Krieg (Herr Krieg?) weitet sich aus.
Die Gewalt (Frau Gewalt?) ist nicht zu stoppen.
Die Eskalation der Gewalt bewegt die Gemüter.
Herr NATO beherrscht die Welt, oder wahlweise DIE USA.
Herrn NATO kann ich zwar kritisieren, aber ihn an seiner Verantwortung
zu packen funktioniert schlecht. Ich habe noch nie von einem Strafverfahren
gegen Herrn NATO gehört. Und wenn eine Demonstration, eine Volksbewegung
oder sonstwas gegen Herrn NATO läuft, hört man allerorten "ach
das bringt doch sowieso nichts, die NATO ist doch zu mächtig".
Auf dieser Ebene kann sich auch ein Parlamentarier zurücklehnen und
seine Verantwortung in Sachen Krieg an "die NATO" delegieren. Sie ist ja
mächtig und wichtiger als seine eigene Entscheidung.
Wer ein linker Journalist ist, gar fortschrittlich oder marxistisch,
der benutzt Worte wie "Kapital" oder "Kapitalinteressen" und schimpft ein
wenig mit "den USA". Die USA kann ich nicht abwählen. US- Volksvertreter
kann ich in meinem deutschen Wahlkreis wegen ihrer Entscheidungen weder
auf Versammlungen noch in Leserbriefen kritisieren. Nichts kann ich tun
gegen "das Kapital" außer ein wenig zu schimpfen.
2. Konkret am Beispiel der erwähnten "junge Welt" -Beilage. Dort
heißt es "KFOR verbietet Serben ...", "Nicht-Albaner sind ... unerwünscht".
Der "Fluch des Amselfeldes" macht dieses, "die Linke" soll jenes machen,
und "Brüssels Verantwortliche ziehen Bilanz" - na wo wohl? In Brüssel,
bei Herrn NATO. Das arme Amerika sitzt am Ende in der "Balkan - Falle".
Die Innenpolitik Jugoslawiens wird breitgetreten, über die Verantwortung
Milosevics werden Überlegungen angestellt.
Alles gut und schön - nur was ist mit der deutschen Verantwortung
in zwei Weltkriegen und in vielen Jahren der Desintegration Jugoslawiens
durch z.B. konkrete Maßnahmen des IWF, des BND, Genschers, der Thinktanks
hier bei uns?
Wem nützt Informiertheit über innerjugoslawische Konflikte,
wenn interessierte Antiimperialisten nicht einmal wissen,
wie in Deutschland Kriege ideologisch, faktisch, rechtlich usw.
vorbereitet werden,
wer das tut,
und was dagegen getan werden kann?
Das Hirn des Lesers wird aufgefüllt mit Informationen, die ---
ja was eigentlich genau bewirken? Den Lügen z.B. Scharping oder Jamie
Sheas werden nun Wahrheiten entgegengestellt. Ja und?
Sind denn die größten Verbrechen Schröders, Fischers
und Scharpings, GELOGEN zu haben? Ist es DAS, was wichtig zu wissen ist?
Bisher dachte ich, daß der ZWECK der Lügen wichtig war. Daß
also durchaus die Lügen beantwortet werden müssen - aber doch
nicht um einer selbstgefälligen Sesselinformiertheit willen! In linken
Kreisen entstehen Diskussionsebenen wie "nein, die Weltmeisterschaft 1954
war doch nicht in Brüssel, sondern in Bern", "Stipe Suvar meint, Milosevic
sei hauptverantwortlich für den Zerfall - Draskovic hingegen sieht
es anders", - usw. Ja - was soll`s denn?
Allein die Anzeige bzgl. des "Massakers von Varvarin" stimmt mich wieder
versöhnlich. Da wird von Opfern und deutschen Verantwortlichen gesprochen.
Dennoch: es zieht sich durch die Friedensbewegung eine intellektuelle
Abstinenz vor Fragen des Rechts und zugleich eine Geilheit auf Lügenaufdeckung,
die erschütternd ist. Da brauchen die Herren Scharping und Fischer
beim nächsten "Auslandseinsatz" in einem "Krisengebiet" zusammen mit
ihren Lieblingsmedien nur doppelt so dreist zu lügen, und wenn zwei
Jahre nach Kriegsende die Leichen längst verrottet und die Fakten
geschaffen sind, sagt man wie heute auf die Vorhaltung von Lügen:
"Sorry, einen Hufeisenplan gabs nicht. Naja, da haben wir ein wenig übertrieben".
Der Angriffskrieg ist jedoch auch dann verboten, wenn 500 gute Gründe
dafür sprächen, auch bei 1000 guten Gründen und mehr bleibt
er verboten. Das ist halt so bei Prinzipien und beim Recht - sie halten
länger als tagesaktuelles Lügen und Lügen- Aufdecken.
Allerdings nur, wenn diese Prinzipien und Rechte offen benannt und
verteidigt werden.
3. Falsche Bezeichnungen ziehen sich durch auch die gutwilligste Berichterstattung.
Weder gab noch gibt es einen NATO -Frieden noch -Krieg weder im noch gegen
das Kosovo. Die Berichte behandeln entsprechend den Fakten gesamtjugoslawische
Probleme. Die UCK operiert in Südserbien und Makedonien. Das Problem
berührt direkt verschiedene Balkan - Staaten, vielleicht sogar bald
noch Griechenland. Immer mal wieder wird ein Begriff "Kosovokrieg" gebraucht.
Das ist nicht nur völkerrechtlich, sondern auch faktisch grundfalsch.
Es handelte sich um einen deutsch- jugoslawischen Krieg.
Von allen NATO- Staaten (19!) nahmen nur 10 daran teil. Kein NATO-Mitglied
kann und konnte gezwungen werden. Jede Regierung beteiligte sich entsprechend
ihrer Verfassung (oder ihrer Möglichkeit, diese zu verletzen), ihrer
finanziellen und militärischen Möglichkeiten im Rahmen selbstgesetzter
Ziele. Keine NATO-Generalität konnte einen Kanzler, Präsidenten
oder Verteidigungsminister zwingen, zu bomben. Und auf der anderen Seite
wurde nicht das Kosovo alleine, sondern Gesamtjugoslawien bebombt. Belgrad
liegt nicht im Kosovo. Der Friede wurde mit Jugoslawien geschlossen, nicht
mit dem Kosovo.
4. Es geht nicht um miesepetrige Begriffshuberei. In Zeiten, in denen
die Sprache, die Berichterstattung Kriegsfelder sind, müssen wir uns
hüten, am Krieg auf der falschen Seite teilzunehmen.
Täter und Opfer haben einen Namen.
Es war nicht "die NATO", die "Kollateralschäden" produzierte.
Es war ein Herr Scharping, der durch direkte Weisungen und Befehle
über seine Generäle bis hin zum Tornadopiloten direkt Verantwortung
trägt. Die Zielauswahl wurde auf höchster Ebene diskutiert und
beschlossen.
Auch die Bombardierung (zum BEISPIEL!) des RTS-Gebäudes (BUILDING
OF "RADIO-TELEVISION OF SERBIA" in Belgrad, Aberdareva Street No.
1) am 23 April 1999 um 2.06 Uhr nachts.
Es starben dabei:
Jankovic Milovan
Joksimovic Milan
Jontic Slobodan
Markovic Dejan
Deletic Aleksandar
Stukalo Ivan
Stevanovic Slavica
Tasic Dragana
Munitlak Jelica
Stojanovic Nebojsa
Mitrovic Tomislav
Benkovic Ksenija
Stoimenovski Darko
Jovanovic Branislav
Medic Sinisa, and
Dragojevic Dragorad;
schwer verletzt wurden:
Stancevic Milan, and
Stepanovic Aleksandra;
leicht verletzt wurden: Djuricic Predrag,
Vasic Nebojsa, Miljevic Slavica, Mitrovic
Marija, Sukovic Dragan, Matijasevic
Branko, Aleksic Mihajlo, Joksimovic Vojislav,
Vukmirovic Aleksandar, Djordjevic Danko,
Mijatovic Bojan, Rakic Dragica, Savovic
Biljana, Sabotic Rizah, Mlinar Miroslav,
Tatar Aleksandar, and Cosovic Vojislav
Herr Schröder, Herr Fischer, Herr Scharping haben damit zu tun.
Sie haben unter Bruch der Verfassung und deutscher Gesetze an diesem Krieg
teilgenommen, und sie tragen damit eine noch gerichtlich genau zu
definierende Mitverantwortung. In Jugoslawien sind sie als Kriegsverbrecher
zu je 20 Jahren Haft verurteilt. In Deutschland sieht das Strafmaß
des § 80 StGB "lebenslänglich" vor.
Herrn NATO werde ich nie vor Gericht bekommen. Die USA kann ich nicht
abwählen. Herr KFOR schmunzelt nicht einmal, wenn ich eine Demo organisiere
mit dem Ziel, ihn zu inhaftieren. Hingegen schmort Benito Craxi im tunesischen
Exil, Pinochet wurde festgesetzt, Estrada wird auf den Phillippinen der
Prozeß gemacht, dem indonesischen Wahid geht es bald wohl ebenso.
Mielke ereilte die Strafe für seinen Mord 60 Jahre später. Derzeit
wird gerade Argentiniens Ex-Präsident
Menem in seiner Bewegungsfreihit gehindert. Alles sehr spät -
arbeiten wir daran, daß in Deutschland die Aufarbeitung früher
beginnt!
Wer will, daß Angriffskriege verboten, Mord und Bomben weiter
mit Strafen belegt und die Abschreckung des §80 StGB wirksam bleiben,
sollte Roß und Reiter nennen in den Fällen, in denen das möglich
ist. Und dadurch Handlungsfähigkeit statt Schwatzhaftigkeit demonstrieren. |