Betreff: Maischberger am 9. September 2003
Empfänger: <Klausmichael.Heinz@wdr.de>
Datum: 11. Sep 2003 12:46
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Sehr geehrte Frau Maischberger,
Ihr Kollege von der SZ, Herr Leyendecker, hat in einer Sendung von
RBB
vor knapp zwei Wochen den ehemaligen Bildungsminister und Staatssekretär
im BMVg, Andreas von Bülow, als "durchgeknallten Psychopathen"
bezeichnet. Ich habe Andreas von Bülow empfohlen, dies juristisch
sanktionieren zu lassen. Sie sind in Ihrem Gespräch vorgestern
nicht
ganz so weit gegangen, waren aber nahe dran. Meine eigentliche Kritik
richtet sich aber gegen die Art, wie Sie das Gespräch angelegt
und
geführt haben: v. B. hatte keine Gelegenheit, einen einzigen
Gedanken zu
Ende zu formulieren. Sie sind mit einer vorgefassten Meinung
in die
Sendung gegangen und Ihre Absicht war, ihn in die Ecke der tatsächlich
reichlich vorhandenen Spinner und Ideologen zum Thema 9/11 zu stellen.
Nur so ergibt die Art, in der Sie diesen Beitrag gestaltet haben,
einen
Sinn. Der Kontrast zu den nachfolgenden Gesprächen, in
denen sich Ihre
Interviewpartner in epischer Breite darstellen durften, unterstreicht
meine Bewertung. Sie haben sich damit dort eingereiht, wo Spiegel,
Panaroma, Frontal 21 und viele andere Kübel voller Häme
auch über
diejenigen austeilen, die sich ernsthaft und mit begründeten
Fragen an
der offiziellen Version der amerikanischen Regierung zu den Attentaten
reiben. Psychologisch ist eine solche Reaktion verständlich,
denn hier
wird der Finger in die Wunde der Versäumnisse des seriösen
Journalismus
gelegt. Vor dem Hintergrund des in Sonntagsreden verkündeten
eigenen
Anspruchs ist das jedoch nur noch als schäbig zu bezeichnen.
Ich weiß
nicht, wer Sie inhaltlich berät; von den Linien der durch die
Vereinigten Staaten bestimmten internationalen Politik hat er oder
sie
aber keinen blassen Schimmer. Mein Hinweis ersetzt zwar kein
Privatissimum, aber auf die Sprünge hilft es vielleicht: "This
war on
terrorism is bogus" von Michael Meacher, bis Juni 2003 britischer
Umweltminister, Guardian vom 6. September 2003.
Anstatt sich an der Desinformation zu beteiligen, indem die (wahlweise)
braune, antisemitische, Illuminaten- und UFO-Sauce über investigative
Fragesteller ausgekübelt wird, sollte Sie und andere z. B.
einer
Ungeheuerlichkeit nachgehen:
Eine halbe Stunde nach dem der erste Airliner in das WTC gerast
war,
lief das Band "America under attack" über die Bildschirme bei
CNN. Zu
diesem Zeitpunkt war sowohl NORAD als auch der zivilen Flugsicherung
längst bekannt, dass der größte Luftnotfall der
Geschichte vorlag. Für
solche Luftnotfälle gibt es seit Jahrzehnten ein in allen Ländern,
die
über eine wirksame Flugsicherung und eine funktionierende Luftwaffe
verfügen, eingespieltes Verfahren. Es heißt air policing.
Dazu werden in
den NATO-Ländern bei definierten Jagdgeschwadern 365 Tage im
Jahr rund
um die Uhr je zwei Abfangjäger mit den dazu gehörigen
Piloten in einer
zehnminütigen QRA-(Quick Reaction Alert)Bereitschaft gehalten.
Das
bedeutet, sie sind 10 Minuten nach einem Alarm in der Luft. In
Deutschland geschieht dies von Wittmund bzw. Neuburg/Donau aus.
Die in
den USA entwickelten Verfahren sind standardisiert und laufen im
Zusammenwirken von ziviler und militärischer
Flugsicherung/Luftverteidigung automatisch nach Standing Operation
Procedures ab, ohne die Politik zu involvieren. Die Abfangjäger
haben
den Auftrag, den Zwischenfall aufzuklären und die in Frage
kommende
Maschine zur Landung zu zwingen. Bei im Rhythmus von 18 Monaten
erfolgenden taktischen Überprüfungen durch die NATO wird
dies evaluiert.
In den USA gibt es eine Vielzahl von Jagdgeschwadern, die eine solche
QRA-Bereitschaft vorhalten. In unmittelbarer Nähe der 4 Flightpattern
befinden sich Andrews (bei Washington) bzw. Otis (bei Boston) Air
Force
Base, mit exakt diesem Auftrag. Wenn also- America under attack
-
innerhalb von nahezu zwei Stunden 4 Flugzeuge unbehindert ihre
Terrorauftrag ausführen konnten, lässt das nur einen Schluss
zu: jemand
hat verhindert, dass die QRA-Jäger ihren Job tun. Die USA sind
kein
militärischer Zwerg, sondern verfügen über die schlagkräftigste
und
größte Luftwaffe der Welt. NORAD ist die größte
Luftverteidigungszentrale der Welt mit weltweitem "Blick". Etwa
vermutete Pannen, wie unklare Flugzeuge oder erkrankte Piloten sind
absolut auszuschließen.
Abschließend teile ich Ihnen gerne mit, wie ich mich an Stelle
v. Bülows
verhalten hätte. Nach zwei Minuten hätte ich Ihnen angedroht,
an die Bar
zum Biertrinken zu gehen. Nach weiteren zwei Minuten hätte
ich es getan.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Scholz
Oberstleutnant a. D.
E-Mail scholz-hj@gmx.de
Von der Gruppe "Arbeiterfotografie" liegt ein
minutiöses Protokoll der Sendung samt Anmerkungen vor. Absolut
lesenswert. Nicht völlig unwichtig ist das CV der Frau Maischberger
mit besonderer Betonung auf dem CNN-Sender n-tv. CNN beschäftigt selten
Leute, die der US-Administration Probleme bereiten.
C.S. schrieb 3 Wochen später:
Habe ich Frau Maischberger in N-TV stets gerne gesehen, weil ich
die Mischung aus menschlichem Umgang mit dem Gesprächspartner und
sehr gut recherchierten Fragen schätzte (die ich bereits aus den USA
von Charlie Rose kannte und auch dort sehr schätzte), so muss ich
Ihnen, Frau Maischberger, die Hochachtung, die ich Ihnen wegen dieses guten
Journalismus entgegenbrachte, nun endgültig entziehen. Schon bei dem
Bülow-Interview stiess mir erstmals Ihre Unart auf, den Gesprächspartner
auf geradezu manipulative Art und Weise am Ausreden zu hindern und mit
schon fast ehrverletzenden Unterstellungen zu arbeiten (Zitat aus dem Interview
mit von Bülow: "Ich würde Sie ja nicht einladen, wenn ich denken
würde, Sie wären nur ein Spinner..." - Eine Dokumentation des
Interviews findet sich unter http://www.galerie-arbeiterfotografie.de/
galerie/kein-krieg/hintergrund/rezension-3.html#01
Ich war nach diesem Interview noch beinahe bereit, Ihnen zuzugestehen,
dass es sich um ein zugegeben brisantes Thema handelte und Sie sich aus
welchen Gründen auch immer dem vorgewiesenen Pfad von Panorama, Leyendecker
& Co. angeschlossen hatten, vielleicht auch einfach nur aus Fehlinformation.
Doch mit dem heutigen Interview mit Lafontaine ist der Bonus aufge-
und verbraucht, denn es wurde klar, Ihr Umgang mit politisch brisanten
Themen / Personen hat Methode und ist der der Denunziation und rhetorischen
Verdrehung.
Dabei interessiert nicht, was der Gesprächspartner zu sagen
hätte. Viel wichtiger ist es, ihn mit Etikett versehen aus der Sendung
schicken zu können. Bei Bülow das Etikett unglaubwürdiger
antisemitischer Spinner, bei Lafontaine das Etikett vertrauensunwürdiger
pubertärer Schmoller. Die rhethorischen Tricks und Kniffe dürfen
dann auch ruhig von gröberer Art sein, sei es, dass der Interviewte
während er noch auf eine Frage antwortet, ständig mit neuen scheinbaren
Fragen bombardiert wird, die ja doch eigentlich nur weitere böse Unterstellungen
sind und in ihrer schnellen Folge kaum parierbar, sei es, dass die selbe
Frage, obwohl bereits beantwortet, ständig wiederholt wird und schliesslich
trotz bereits mehrfacher Beantwortung von Ihnen selbst, Frau Maischberger,
beantwortet wird, allerdings erneut auf eine Art, die schlichtweg manipulativ-unterstellend
genannt werden sollte.
Frau Maischberger - schämen Sie sich! Dafür haben Sie
nicht die Auszeichnungen der letzten Zeit bekommen, dass Sie sich nun mit
dem Image der Edel-Interviewerin im Rücken zum Werkzeug grösserer
politischer Interessen machen lassen. Das passt nicht zu Ihnen. Was Sie
auch heute wieder abgeliefert haben, war kein Interview sondern eine Proklamation.
Es fragt sich der aufmerksame Bürger, was Sie dazu treibt, solche
plumpe Desinformation zu betreiben. |