Zu Unklarheiten rund um neue
politische Bewegungen, Volksinitiative, "Antideutsche", Linke und Rechte
...
vgl. u.a.
http://www.hintergrund.de/20091016513/politik/inland/die-neue-querfront-rechts-und-„links“-im-schulterschluss.html
http://juergenelsaesser.wordpress.com/2009/10/22/elsassers-antwort-fertig/
http://www.hintergrund.de/20091023518/politik/inland/debatte-gegen-den-neuen-faschismus.html
Nennen Sie mal drei
bekannte deutschsprachige Mediziner. Klar doch: Arthur Schnitzler, Gottfried
Benn und Friedrich Schiller. Und welche drei deutschen Juristen sind weltberühmt?
Aber sicher: Heine, Goethe, Marx.
Fast könnte man den Schluss daraus ziehen, dass auch Genies nicht als solche geboren werden. Dass, als sie in die Windeln machten, ihre spätere Weltanschauung nicht sofort ablesbar war. Sogar ihre Berufswahl deutete nicht exakt auf ihre spätere Lebensorientierung hin. Menschen entwickeln sich, so einfach ist es, und es muss dennoch gesagt werden. Wiederholen sollte man auch, dass z.B. Marx nicht als Marxist begann. Marx war nicht Marxist. Logisch nicht, historisch nicht.
Damals, in der guten alten Zeit, als man noch Wissen und Bildung erkämpfte und als „Schulung“ nicht unehrenhaft war, da wussten Linke ob der drei Quellen und der drei Bestandteile des Marxismus Bescheid. Letztere lassen wir hier mal unbeachtet. Nehmen wir den deutschen Idealismus, die französischen utopischen Sozialisten und die bürgerlichen Ökonomen Englands als die drei „Quellen“ des Marxismus. Dort ging Marx in die Schule, sein Umfeld war keineswegs „links“. Überhaupt kam die seltsame geographische Verortung „links“ usw. erst mit dem Parlamentarismus auf, also überhaupt erst in der Zeit, in der Marx seine Überlegungen zu entwickeln begann. Was „links“ ist, war somit damals recht schnurz. Die Kategorien „liberal“ oder „christlich“, „konservativ“ und auch „verbrecherisch“ gab es vor 150 Jahren hingegen schon. Eine Definition des „Linken“ ist logisch Quatsch, historisch gelang sie nie so recht, und aus den benannten Gründen auch der Marxschen Entwicklung wäre eine derartige Definition als negative Abgrenzung absurd, als positiv gefasste Benennung wird sie immer strittig sein und bleiben. Schlicht: sie mögen es drehen und wenden, die einen wie die anderen, die Linken sind und bleiben TEIL des demokratischen Spektrums politischer Bewegungen. Da, wo Terror und Lüge, schlicht das verbrecherische Einzug hielten im Machtpoker, wandelten sich Menschen in der sog. „Mussolini-Kurve“: links unten anfangen, rechts oben aufhören. Nicht ohne Grund zeigt das Logo der Deutschen Bank ein ähnliches Signet. Mit „links“ hat das nichts mehr zu tun. Verständlich wie problematisch ist, dass viele Linke sich als solche definieren in ihrer Jugend, voller Ideale und voller Wut und Mut. Da geht das Unbedarfte, Frische, Ungeschulte, Idealistische, die Suche, das Forschende usw. leicht einher mit der Abgrenzung von alten, traditionellen, langsamen, wertkonservativen Anschauungen und Bewegungen. Links ist bei jungen Menschen oft auch spätpubertäre Rebellion. Das gilt es zu verstehen und in produktive Bahnen zu lenken, aufzugreifen und die förderlichen Ambitionen zu stärken. Dazu gehört nicht di e künstliche Separation von anderen Demokraten. Aus den beschriebenen Gründen ist der Ansatz der Volksinitiative auch weiterhin zu begrüßen. Ob Volksfront, ob Anti-Hitlerkoalition, ob „Väter des Grundgesetzes“ oder Friedensbewegung der 80er Jahre: all diese breiten Bewegungen sind historisch notwendige und keineswegs künstliche Aktionen. Angebliche Gegensätze wie „nationales Interesse“ und „Internationalismus“ gingen zusammen. Wer das fürchtet wie die Pest? Das sind die, die davon keinen Nutzen, sondern Schaden haben. Sie versuchen seit hundert Jahren, die Linken von der demokratischen Bewegung abzuspalten, sie zu delegitimieren und denunzieren, sie in den Bereich von Terror und Faschismus zu rücken. Historisch führe ich die Stichworte „gemeingefährliche Bestrebungen der Sozialdemokratie“ Bismarcks an, die Denunzierung als Anarchisten, die „rotlackierten Faschisten“ Schumachers, „les extrèmes se touchent“, die Totalitarismusdoktrin, RAF als „linke Anarchisten“, Berufsverbote für Gegner der FDGO. Und immer gab es in den reihen der Fortschrittskräfte agents provocatuers zugleich mit „ehrlich Verwirrten“, denen die radikale Form zusagte, in der irrsinnige Thesen verbreitet wurden. „principiis obsta“, sagten die alten Lateiner mit Ovid: man solle die Grundsätze wahren. Oscar Wilde formulierte als Gegenentwurf auf die Frage hin, ob Prinzipien oder Persönlichkeit wichtiger seien, dass Prinzipien die Geschichte nicht bewegt hätten. Aus diesem Gedanken klingt die Bewunderung des Charisma einer Persönlichkeit, also der Aura und damit der Form einer Idee. Prinzipien sind so langweilig, ein zündender Redner ist es nicht. Dass derjenige auch zündeln kann, wird dabei zu oft übersehen. Was aber können denn Prinzipien von Linken sein, wenn sie selbst gar keine homogene Gruppe bilden (können) und eben vieles gemein haben mit anderen Menschen, die sich politisch nicht „links“ engagieren? Und dazu gehören Religion (religiöse Linke mit der Bergpredigt im ideologischen Handgepäck mag exkommunizieren wer will – ich rate heftig davon ab), dazu gehören Vegetarier, Fans von Spielzeugeisenbahnen oder Science Fiction, Bodybuilder und Katzenfreunde, Sexmaniacs, Eitelkeiten un d Kornkreis-Ufologen, Hypochonder und FKK-Anhänger, Jeans- und Anzugträger, Verschwörungstheoretiker und Briefmarkensammler. Wer beginnen möchte, diese oder jene auszugrenzen oder umgekehrt als links-konstitutiv zu definieren, möge beginnen. Das Leben ist bunt, die Menschen haben verschiedene Interessen und kleine oder große Spintisierereien. Es ist das alles nicht wichtig. Über dies oder das mag man streiten, manches andere gilt es einfach mal beim Kumpel zu tolerieren. Es kommt in den „besten Familien“ und unter Genossen vor, UNTERSCHIEDLICH zu sein. Dann betone man nicht die Gegensätze und das Unverstandene, sondern das Gemeinsame. Und das kann je nach historischer Situation ein eng oder ein weit gefasstes Ziel sein. Wo sind denn nun endlich die Prinzipien? Sie liegen eben nicht da, sie liegen nicht im Bereich des Menschen, des Allzumenschlichen. Die Scharftrennung hat nicht gegenüber dem bürgerlichen politischen Lager zu erfolgen. Mit FDPlern kann es im bereich der sog. „Inneren Sicherheit“ Überschneidungen geben, mit CDU und CSU im Bereich wertkonservativer Anschauungen, Mit SPDlern im Sozialen, mit Grünen im Bereich Naturschutz usw. - und jeweils zofft man sich in den anderen Bereichen. Das machen die genauso. Nazis, Faschisten gehören nicht zum demokratischen Spektrum, ebenso wie Verbrecher. Rassismus und Gewalt und deren Verhamlosung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfordern scharfe Distanzierungen. Das kann dann allerdings auch Herrn Schröder von der SPD betreffen. So verhielt sich u.a. auch Jürgen Elsässer bisher: an der Sache orientierte Scharftrennungen zu Kriegstreibern und Rassisten usw. aller Art, egal ob sie ein braunes, grünes oder gar rotes Mäntelchen umhängen hatten. Problematisch im gegenwärtigen Diskurs ist einzig das verhalten der Faschisten, sich unter Nutzung der Widersprüche im bürgerlichen politischen Lager an die Linke heran zu robben. Weshalb kann das gelegentlich gelingen und zur Verwirrung beitragen? Einerseits, weil sich viele Linke nicht trauen, in der Sache hart zu argumentieren bei gleichzeitig klarem Bekenntnis zu Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit. Es sind die verquasten Tabus bei der Linken, überkommene Traditionen und gefühlte Schmuddeligkeiten. Dazu zählen z.B. die Anhänglichkeiten zu SPD und Grünen, die es -gefühlt(!)- verunmöglichen, deren Häuptlinge ganz klar und offen als Kriegsverbrecher zu brandmarken. Geheimdienstoperationen zählen zu den Tabus, sie werden erst nach 30 Jahren, wenn alle Welt es schon weiß, als solche im Dienst z.B. der USA oder der Regierung usw. erfasst und benannt. Schmuddelig sind Themen wie sowjetische oder israelische Kriegsverbrechen. Anstatt diese Themen den Braunen zu entreißen mit der simplen Feststellung, dass Krieg der Vater aller Verbrechen und aller Gräuel ist, dass somit auch auf der Seite von Angegriffenen, von Verteidigern (und denen, sie sich dafür halten) Verbrechen geschehen können, hält man sich zurück. Man schweigt, protestiert nur gelegentlich, schwach und unklar. Warum das alles? Es ist nicht nur die Panik davor, in das Odium der Nähe zu braunen Verharmlosern der Naziverbrechen zu kommen. Es ist nicht nur die Furcht davor, angegriffen zu werden und im demokratischen Spektrum keinen Fuß fassen zu können, sich mögliche Koalitionen zu vermasseln bzw. bei Aufrufen zu Demos die Gretchenfrage negativ zu beantworten, ob denn auch die Jusos und der DGB mitmachen können. Es handelt sich bei dieser Unklarheit in Sachfragen um ein unklares Verhältnis zum Recht und zum Staat als Garanten des Rechts. Die deutschen Linken haben im Westen und Osten die Erfahrung gemacht und verinnerlicht, dass der Staat irgendwie nichts mit ihnen zu tun hat, dass Recht etwas für Juristen sei und damit völlig unpolitisch oder gegen Linke gerichtet. Urteile der Art „Klassenjustiz“ bestärken das Bauchgefühl natürlich noch. Rechte tummeln sich hingegen gern und ausgiebig im Staatsapparat, auch in Bundeswehr und Polizei. Statt wie in Frankreich, Italien und anderswo ganz natürlich und normal ein Verhältnis zu staatlichen Instanzen aufzubauen, als Linker auch Polizist zu werden oder Staatsanwalt, baut man lieber kleine Gegenwelten auf und hält sich bedeckt. Bloß nicht mit der Staatsgewalt kollidieren oder auch nur aneinander zu geraten – denn die ist gewiss, per se und unabänderlich gegen uns! So lautet die Devise. Und DESHALB keine offensive Untersuchung von 9/11, von Möllemannmord, vom Winnenden-Massaker usw.. Wo Tabus herrschen, haben
Selbstdarsteller als Tabubrecher leichtes Spiel.
Fazit:
Völlig korrekt ist es,
die obigen Gedanken als "Meta-Überlegungen" zu bezeichnen. Ja, die
Ziele linker Politik sind ebensowenig beschrieben wie die Denk- und Verhaltnsmuster,
die den typischen Faschisten ausmachen. Das ändert sich alles
mit der Zeit. Wo soll man die "allgemeine Volksbewaffnung" hinstecken?
Wo ist Volksküche zu verorten? Klarheit gilt nur in einer definierten
Zeit - und Ort. Nein, daraus wird keine Beliebigkeit wie bei dem von Tucholsky
beschriebenen SPD-Genossen: »Wat brauchst du Jrundsätze«,
sacht er, »wenn dun Apparat hast!«
Wo der besagte und das alles
auslösende Herr Vogt ideologisch steht, sei exemplarisch verdeutlicht
an der aktuellen Diskussion in:
Es geht dabei u.a. um die Denunzierung der Nürnberger Prozesse als "Siergerjustiz". Mit diesem herrn will ich nichts zu schaffen haben, er ist aus meiner Sicht nicht einfach nur ein "Konservativer".
Hier
eine interessante Auseinandersetzung um linke Prinzipien:
Mein Wochenende mit Jan van Helsing ein lesenswerter Ruf nach Klärung von Dr. Sabine Schiffer. Leider noch nicht selbst allzu sehr dazu beitragend. Es fehlt insbesondere der Gedanke, dass es nicht immer einfach nur "verirrte Seelen" sind oder hardcore-Nazis im Schafspelz, die zufällig im sog. "linken Spektrum" wildern, sondern dass es einer Scharftrenunung zwischen Sachebene einerseits und Interessensebene andererseits bedarf, um sich im derzeitzigen Wirrwarr durchzuboxen. Mehr dazu in den nächsten Tagen. Ein
wichtiger Einwurf von T.I.S.
Schlicht: ein hinweis darauf, dass man den begriff "Distanziertheit" schon mal gehört hat, kann nirgends schaden. Das bedeutet nicht, in der Sache knallhart für die fakten einzutreten, und es "spaltet" m.E. keineswegs, zu verdeutlichen, dass man hier oder da anderer Ansicht ist. Interesierte leser werden schon erkennen, wo das Medium und seine Verfasser stehen. Wenn denn das unbedingt wichtig zu wissen ist.
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Im Übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.