von Volker Bräutigam
Die Rubrik „Politische
Morde“ im Angebot der „Arbeiterfotografie“
Die publizistischen und politischen Verdienste der Internet-Seiten „Arbeiterfotografie“ sind bekannt und unbestritten, sie brauchen hier nicht gewürdigt zu werden. Die Seite hat informationellen und künstlerischen Anspruch, ihre Macher verstehen sich als gesellschaftskritische Intellektuelle. Auch den Guten aber unterlaufen Fehlleistungen. Eine solche zu benennen und warnend auf sie hinzuweisen bedeutet jedoch zugleich, den Aufmerksamkeitswert für sie zu steigern. Ein Dilemma, das ich nach einer per Mail ausgetragenen Debatte mit den Autoren als unlösbar erkannte. Meine Kritik an der fraglichen Internet-Seite wurde dort ohne mein Wissen und anonymisiert veröffentlicht. Ich ließ die Passage entfernen, weil ich keinen aufwertenden Beitrag zur Seite leisten wollte. Aber die Publikation öffentlich kritisieren, nachdem ich sie nun mal nicht wegdiskutieren kann, das möchte ich wohl. Unter der Rubrik „Politische Morde“ hat die Kölner Redaktion (Anneliese Fikentscher, Andreas Neumann) mit der Internet-Seite http://www.arbeiterfotografie.com/politische-morde/
einen Beitrag ins Netz gestellt, der unter ethischen, politischen, journalistischen und methodischen Gesichtspunkten entschieden abzulehnen ist: Hier wird mittels beweislogischen Unfugs der Unfalltod des österreichischen nationalistisch-faschistoiden Politikers Jörg Haider verschwörungstheoretisch als verschleiertes politisches Mordgeschehen „aufgearbeitet“ und in indiskutable Zusammenhänge mit anderen Todesfällen von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte gestellt. Politische Problematik · Der Unfalltod Jörg
Haiders wird willkürlich und beweislos unter „Politische Morde“ rubriziert,
ohne dass es einen Anhaltspunkt für eine Mordthese gäbe; verbreiteter
Hass gegen einen Menschen rechtfertigt keine Mordthese. Die Arbeiterfotografie
besorgt eine Mystifizierung des Geschehens.
Ethische Defizite · Die Arbeiterfotografen
zitieren ausgewählte Erklärungen und Bemerkungen sowie Aktivitäten
Haiders, die das Urteil, er sei ein übler Rassist, Ausländerhasser
und faschistoider Volksverhetzer gewesen, relativieren sollen. Das Muster:
„Auch nur ein Mensch“, „vorurteilslos betrachten“. Auch Hitler hat immerhin
die Autobahnen gebaut und die Arbeitslosigkeit verringert.
Journalistische Mängel · Die Arbeiterfotografen
verletzten eine grundlegende Regel des seriösen Journalismus`: Sie
folgen keinem Informationsbedürfnis oder einer Informationsnotwendigkeit,
sondern beschreiben mit motivlosen Fragestellungen ein bezüglich der
Umstände weitestgehend bekanntes, tödliches Unfallgeschehen ohne
die Spur eines neuen Fakts oder Beweises als geheimnisumwittertes Ereignis
und schüren einen Mordverdacht. Das ist billigster Boulevard.
Methodische Fehler · Als Prämisse
für ihre Veröffentlichung diente den Arbeiterfotografen die Frage:
„"...wen Haider so gestört haben könnte, dass er aus dem Weg
geschafft werden musste.“ Kann die Tatsache, dass der Mann Hass gegen sich
begründete, eine Mordthese stützen? Im Prinzip ja, aber in Grenzen
der Rationalität und soweit andere Anhaltspunkte vorliegen. Doch auf
der „Arbeiterfotografie“ wird ohne die Spur eines Belegs, vielmehr
im alogischen Widerspruch zur bekannten Faktenlage ein politischer Mord
insinuiert. Ermittlungsdetails und Erdmittlungsergebnis werden mit dieser
Brille betrachtet und es wird unausgesprochen nahgelegt, amtliche Berichte
über den Vorfall als fragwürdig, mysteriös, falsch oder
unvollständig, unglaubwürdig, irreführend und verschleiernd
zu werten. Man zäumt ein Pferd von hinten auf und bemerkt nicht einmal,
dass es sich um ein Rindvieh handelt.
Generelle Fragwürdigkeit· Die Arbeiterfotografen laden
zu einer Diskussion ein, die zielloser und irrationaler kaum vorstellbar
ist. Man kann das bereits an einigen Beiträgen ersehen, die im Blog
zu der Seite auftauchen.
Mein Resultat: Der Beitrag der Arbeiterfotografie zum Thema Haider-Tod ist nicht nur überflüssig. Er ist als Musterfall einer journalistischen Fehlleistung mit höchst problematischen Folgen einzustufen, der in unbedarften und naiven Köpfen schlimme Verwirrung und Verirrungen bewirken kann – und der, besonders übel, der neonazistischen Szene reklameträchtige Bälle zuspielt. Erzeugt wird eine verquaste „Nachdenklichkeit“, nicht kritisch-rationales Nachdenken. Das ist das Gegenteil von Aufklärungsarbeit. Es fördert politische Meinungs- und Willensbildung nicht, sondern manipuliert und lähmt sie. Volker Bräutigam.
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Anmerkung des MAI-Editors:
Unsere Bearbeitung des Themas sehen Sie
hier:
www.medienanalyse-international.de/rasenderhaider.html
Nachzutragen wäre noch, daß
es bedauerlich ist, daß die Arbeiterfotografen nach Jahren
noch nicht erkannt haben, dass auf MAi selten "fertige Artikel" mit einer
"runden Meinung" erscheinen, sondern Dateien in Entstehung, die das
Thema und seine bearbeitung abbilden, die Widersprüche und irrtümer
dokumentieren, die anhand der Quellen die Arbeit und Überlegungen
nachvollziehbar machen und zur eigenen Gedankenarbeit anregen sollen.
Da steckt ein wwenig Ausbildung an Brecht darin, ein wenig Widerwille gegen
glatte Darstellungen und gegen das Beharren auf Ein- und Ansichten.
Speziell wenn diese unvollständig, und besonders, wenn sie falsch
sind. Der Widerspruch, der gegensatz ist also immanent, nicht die Entwicklung
der eigenen Ansicht zählt, sondern die Analyse (Medienanalyse) des
Murkses der anderen. MAI-Dateien sind zugegeben deshalb auch nicht einfach
zu konsumieren - aber sie bieten Material. Weil selber denken schlau
macht. Der "rasende Haider" wurde als eigene Datei - also ausgelöst
aus der /index1.html, nahezu unverändert gelassen, hatte also von
Anbeginn (+-weniger Stunden) an die Wendung einbezogen, die sich durch
die drei unteren Fotos ergab. Dass es sich somit eindeutig um einen Unfalltod
eines rasenden Haiders handelte. Auch der Dateiname war nicht geändert
worden - nicht gerade ein Hinweis auf "politischen Mord" als
Vermutung. Unverständlich, wie man das mißverstehen kann.
Selbst wenn man ein völlig konditionierter zeitungsleser wäre,
der schlicht passiv Vorgesetztes verdaut in der üblichen und von MAI
heftig attackierten Konsumentenhaltung des zurückgelehnten deutschen
Michels. Die Diskussion des Unfallgeschehens war und ist mit dem
"rasenden Haider" abgeschlossen, da wird nichts mehr nachgetragen, argumentiert,
erwidert. Thema dieser Datei ist die Auseinandersetzung Bräutigams
mit den Arbeiterfotografen, also der journalistische Crash mit Totalschaden.
http://www.medienanalyse-international.de/ueberblick.html
Im Übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.