Zornig
Ein zornig-besorgter Brief

Berlin, 26. Februar 2003

Liebe Friedensfreunde,

Die Verfassungsfeinde haben die Friedensbewegung unterwandert und mit ihrem Antiamerikanismus auf die falsche Fährte gebracht! 
Den Älteren wird der Satz bekannt vorkommen. Früher war er erlogen – heute ist er wahr und kann uns scheitern lassen. 
Wenn wir nicht radikal sind, sondern lieb. Für den Frieden so irgendwie, das aber feste. Und glauben, Fischer, Schröder, Erler hätten zu den gemeinsamen Wurzeln zurück gefunden.  

Wir lassen nämlich die Zampanos nur schwätzen: We are not amused and not convinced, bis sie eines Tages doch amused und convinced sind. Wir lassen zu, dass die dreisten Lügner von 1999 bei ihrer Antikriegsrethorik um das Grundgesetz als dem schlagendsten Friedensargument einen Riesenbogen machen. 

Und das tun sie aus gutem Grund:  
Die Zusicherung an Bush, ihm die Nutzung des größten US- Militärflugplatzes in Europa, Ramstein, "selbstverständlich" (Schröder) zu gestatten, ist Verfassungsbruch. Nicht einmal vom NATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen gedeckt. Die nicht existierenden „Bündnisverpflichtungen“ (Schröder) hüllen den Verfassungsbruch in einen Anschein von Legalität. 

Wo sind denn da die gemeinsamen Wurzeln, radices (lat.), 
dass, im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen (Präambel des GG) von deutschem Boden 
nur noch Frieden ausgehen soll (2+4-Vertrag), 
der Angriffskrieg verboten ist 
und die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Gesetzen vorgehen? Von den Müttern und Vätern in Artikel des Grundgesetzes vermeintlich unverrückbar einzementierte Erfahrungen aus der jüngsten deutschen Geschichte? 
   
Wo bleibt denn da die radikale Kritik der Friedensbewegung an der verlogenen Haltung dieser Regierung, „Nein“ zum Irakkrieg zu sagen, angeblich jede deutsche Beteiligung zu verweigern? Und gleichzeitig alles zur Verfügung zu stellen, worauf die USA angewiesen sind: Nutzung der Drehscheibe Deutschland seit Sommer 2002, AWACS-Besatzungen und Patriotraketen für die Türkei? Sieht da ernsthaft noch irgendwer gemeinsame Wurzeln?

Außer Grass, Bissinger, Schorlemmer, Müller-Westerhagen?
Oder meint man insgeheim, dass die irakische Bevölkerung nun mal ein paar Opfer zu bringen hat, wenn sie den Diktator loswerden will? So wie manche Menschenfreunde den Luftkrieg gegen die afghanische Zivilbevölkerung  mit der Befreiung der Frauen von der Burka rechtfertigen? 
Christen sind jedenfalls aufgerufen, "Wachposten des Friedens" zu sein (Papst Johannes Paul II am 23. 02. 03). Und Gewerkschaften können mahnend Schweigeminuten einlegen (Dieser Vorschlag liegt dem DGB-Bundesvorsitzenden seit einigen Tagen vor).  

Die humanitären Angriffskrieger von 1999 sind straffrei ausgegangen. Es sind diese Auschwitz- und-Hufeisenplan- Lügner von 1999, die derzeit „nicht überzeugt“ sind von den Lügen Rumsfelds, Powells und Bushs. Ausgerechnet die! 

Es geht nicht um Irak. 
Es geht nicht um Bush. Es geht nicht um Husseins Massenvernichtungswaffen und nicht um Bushs Öl.
Es geht um Sie. Und Sie auch. Um Dich. Ja auch um Dich. Und mich.
Die Geschichtsbücher werden in wenigen Jahren nicht fragen, ob Sie wirklich ganz feste „nein“ gemeint und sogar dreimal unterschrieben haben.
Die Geschichtsbücher werden nüchtern verzeichnen, dass die Deutschen ein ums andere Mal ihren Friedenswillen zwar aussprachen, aber den Frieden heuchelnden Regierenden gefolgt sind – während von deutschem Boden aus völkerrechts-, verfassungs- und vertragswidrig die Angriffe starteten.

Wir sind für unsere Regierung verantwortlich und müssen vor der eigenen Haustür kehren. Mit dem Anti-Bush-Kurs wurde vorsätzlich die falsche Fährte gelegt, und in der Freude über den Aufschwung der Friedensbewegung wurde ihr somit der Weg zum Ziel (?). Die Verwaltung der Friedensbewegungswirtschaft begann. Entradikalisiert, entwurzelt und lieb (?). Zur selben Zeit sagt ein deutscher Verteidigungsminister, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, und kein Staatsanwalt leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Kriegshetze ein, und keiner der bei der Bundespressekonferenz anwesenden Journalisten fragt öffentlich, wie es Struck gelungen war, seinem Betreuer zu entwischen.

Er ist ja einer von uns. Einer von den Guten. Die eigentlich „Nein“ meinen. Dass in der Zwischenzeit Schäuble offen sagte, alles, was Washington an Hilfe von Berlin verlange, habe der Kanzler längst zugesagt, wollen wir nicht wahrhaben. Aber es ist so. Die Taten strafen die Worte Lügen. Und die Bushs, Blairs und Aznars quälen nun ein wenig am Schröder rum, weil sie natürlich die Wahrheit kennen. Sie ignorieren aber den Willen ihrer Völker wenigstens ohne Heuchelei.

Das Drehkreuz Ramstein wird in wenigen Wochen die Bomber ausspucken. Aus unserem Wohnzimmer im „Haus Europa“ wird geschossen. Juristisch heißt das Beihilfe. Und dann wird es noch immer rotgrüne „Friedensfreunde“ geben, die behaupten werden, wir hätten nichts damit zu tun, weil Joschka doch „für uns alle als einer von uns“ dagegen gewesen sei. 

Wer nicht weiß, wo er hin will, darf sich nicht wundern, dass er nirgends  ankommt. Wer nicht offen sagt, dass der §80 StGB für Vorbereitung eines Angriffskriegs „lebenslang“ vorsieht und dies nicht offensiv benutzt, kann sich sein hohles Geschwätz über wahlweise den bösen Bush oder Hussein, die widrigen Umstände oder das Wetter am Golf sparen. 

Den deutschen Luftraum sperren, 
die AWACS zurück, 
und die Umsetzung der Verfassungs- und Rechtsnormen, die gegen Angriffskrieger geschaffen worden sind. 
Das sind schlicht Forderungen, die das Grundgesetz an uns stellt. Es lässt in der Frage von Krieg oder Frieden keinen Interpretationsspielraum.

Dann können auch ein Generalsekretär und ein Fraktionsvorsitzender nicht 500 000  Demonstranten dreist und heuchlerisch für ihre Politik vereinnahmen.
Dann ist unsere Rede "ja, ja" und "nein, nein", dann sind wir radikal, eindeutig und glaubwürdig mit unserem „Nein“ zum Krieg gegen den Irak. So, wie die Zeitschrift „Civiltà Cattolica“ am 18. Januar 2003 in einem vom Vatikan autorisierten Beitrag.

Andreas Hauß, Bachstraße 16, 79232 March
Jochen Scholz, Jülicher Ring 95, 53913 Swisttal