Über das Wesen der Dinge und Käse
über die Auswirkungen von Definitionshoheiten und Informationsmonopolen auf die analytischen Fähigkeiten : "selber denken macht schlau" (Wo lassen Sie denken? Politiker haben ihre Denkfabriken ...)mit einer Ergänzung von Bruno Daniel
Einer der wichtigen Aspekte von Intelligenz ist die Fähigkeit zur Analyse. 
Schon im Babyalter, also ohne entwickelte Sprachfähigkeit, sind Menschen dazu in der Lage:
- rund + kugelig = Ball
Ja, natürlich sind Babys zu abstraktem Denken fähig und erkennen einen Ball an seinen Merkmalen, ebenso wie die Mama oder den Papa oder happihappi. Das Hirn entwickelt sich rasant in diesem Alter. Einige Zusatzinfos fehlen meist - doch warum sollte ein Baby auch wissen, dass eine Melone kein Ball ist? Sie wird ihm ja nicht zum Spielen gegeben.

Kleinkinder nutzen ebenfalls das Ententheorem unter Heranziehung Ihrer Sprachfähigkeit:
- watschelt wie eine Ente, quakt wie eine Ente, sieht aus wie eine Ente > IST also eine "Ente"
Das läßt sich auch mit „Autos“ machen incl dem 2CV.

Derzeit werden die Deutschen trainiert auf:
- hat etwas gegen Bush, geht auf Friedensdemos und glaubt nicht, dass der 11.9. so verlief wie geschildert 
> "Verschwörungstheoretiker"

Menschen, die lesen können, haben es schon einfach in dieser Welt. Sie lesen die Schilder, und dann wissen sie, um was es sich handelt. 
Wo „Käse“ draufsteht, ist auch Käse drin. Weitere analytische Fähigkeiten werden nicht gebraucht. Schier zur Verzweiflung bringen einen die kleinen Racker, wenn sie im Alter sind zu fragen: was IST eigentlich Käse? Woraus wird er gemacht? Die Macht über diese Zusatzinfos ist die eigentliche Macht - mitsamt der Verantwortung, sie zu benutzen.

Muß man das Wesen von Käse wissen? Wenn doch jemand das Etikett draufgeklebt hat? Muß man wissen, wie ein Auto funktioniert, wenn wir doch wissen, daß es eins ist?  Ist es notwendig, Rassismus in seinem Wesen zu erkennen, wenn doch freundliche Politiker die entsprechenden Schildchen draufkleben? Brauchen wir Infos über den 11.9. oder über Verschwörungstheoreme, wenn uns doch freundliche Medien die labels  nahegebracht haben? Eine moderne Gesellschaft funktioniert vielfach auf Treu und Glauben, da uns die Zeit und teils auch die Fachkenntnisse fehlen, dem Wesen der Dinge nachzugehen. Betrüger machen sich das zunutze. Nicht nur beim Gebrauchtwagenkauf.

In unserer wohlgeordneten Welt der Schildchen und Etiketten, der Schubladen und Schemata stören diese Kaufhaus - Chaoten, nicht nur Kinder sind gemeint, die alles antatschen und die Waren in die falschen Regale zurücklegen.
Daß Käse Käse ist, auch wenn er beim Fleisch liegt und das Etikett fehlt, ist höchst unwahrscheinlich, kann aber vorkommen. Der BELEG dafür jedoch fehlt, könnte man sagen. Man müßte schon einmal nachsehen und wie ein Baby überprüfen, ob die Merkmale für "Käse" zutreffen. Wer macht das? Niemand. Eine Ware ohne label wird liegengelassen. Eier aus Freilandhaltung sind hingegen solche und natürlich urgesund - wenn es doch dran steht! Ausser es ist Nitrofen dabei, was leider aus unerfindlichen Gründen nicht dran steht. Deutschland muss wohl doppelt so gross sein wie bisher angenommen angesichts des Platzes für Freilandhühner - gemessen an den Mengen gesunder Eier von glücklichen Viechern, die derzeit verkauft werden.

Um wieviel analytischer sind doch Babys und Kleinkinder, die noch keine Belege lesen können und den Dingen auf den Grund gehen!

Auf den Punkt gebracht: nicht die Benennung macht den Unterschied und das Wesen der Dinge aus. Eine Primitiverkenntnis und dennoch bemerkenswert.
Denn es sind Heerscharen von Kommunikationswissenschaftlern, Mediengurus und Werbefuzzis dabei, in unsere Hirne Etiketten einzupflanzen bei der Wahrnehmung und dem Lesen von Labels.

Sie beraten auch die Politiker, wie diese sich besser "verkaufen" können. Sich. Nicht politische Inhalte. Die dürfen tunlichst aussen vor bleiben. Es werden die Schildchen, nicht die Inhalte gehandelt. 

Journalisten des mainstreams haben ebenfalls ihre wohlgeordneten Schubladen. Schubladen, die wir alle benutzen sollen. IHRE Etiketten, nicht andere, IHRE Labels, IHRE Denkweise, IHRE Kategorien, IHRE Sprache.

Ich mag Leute nicht, die mir ihre Raster aufzwingen und analytisches Denken verhindern oder mittels Vorauswahl der Infos steuern wollen.

Im "Politischen Feature" des Deutschlandfunks vom 4.6.2002 war unter "Zunächst die Tagesparole" zu hören, wie Hans Fritzsche die Rundfunkarbeitsbesprechungen des Propagandaministeriums leitete. 
O-Ton Fritzsche: "Wenn ein kluger Nachrichtenformulierer oder ein kluger Kommentator die Dinge bei Arnheim so schildert, dass eben der Hörer die unausgesprochene Folgerung selbst zieht, es ist die Wendung, dann ist es richtig, aber nicht so plump aufs Butterbrot streichen. Und diesem Sinne kann schon von dem Comeback, das Arnheim für den deutschen Soldaten bedeutet, gesprochen werden."

Bei Fritzsche wäre also Matthias Rüb (FAZ) angesichts seines methodischen Vorgehens hoch angesehen gewesen. Doch das labeling und Popanzverhauen von Carsten Volkery (Spiegel) hätte auch seine Meriten abbekommen, da es ja nicht um die vorgeblich interessante Person geht, sondern um die Konnotation. Was der "Verschwörungstheoretiker" sagt, muss falsch sein (und sei es noch so richtig), da es ja ein "Verschwörungstheoretiker" sagt. In beiden Fällen wird die Hauptaussage also nicht von den Autoren der Artikel, sondern vom Leser getroffen. Der fühlt sich souverän in seiner Entscheidungsfindung, meint auch, dazu alle Infos zu haben, denkt selbst (selber denken macht schlau) und denkt an eins bestimmt nicht: an
Propaganda - Käse

Denn Propaganda wurde 1945 bekanntlich abgeschafft ...

Nachtrag
Nach 1945 passierte im Fall Fritzsche das Gegenteil von dem, was normalerweise mit Nürnberger Angeklagten passierte (normalerweise wurde seitens der Adenauerregierung alles daran gesetzt, die Leute bald wieder freizubekommen, und Leute wie Globke oder Kiesinger stiegen in Amt und Würden).

Fritzsche kam jedoch wie Papen und Schacht in Nürnberg frei. Er wurde nicht eines einzigen Anklagepunktes für schuldig gesprochen. Die Alliierten hatten nicht vor, Kriegshetze und Propaganda zu kriminalisieren -  honi soit qui mal y pense*.

Die deutsche Bevölkerung jedoch war darüber so sauer, man hatte ja noch die Wirkung im Ohr und die Auswirkungen auf das eigene Bewußtsein ("Kämpfen für den Endsieg"), dass deutscherseits der Mann in Haft kam!

Fritzsche haben wir es womöglich zu verdanken, dass unser StGB die schönen Paragraphen zu Volksverhetzung und Kriegshetze hat - die leider seltenst angewendet und im Inhalt ordentlich verbogen werden.

                                          * Wahlspruch Erich Mielkes: Honny weiß, wie schlecht ich denke
 
Eine kleiner Ergaenzung:

"Benutze nur Woerter, die du auch definieren kannst."

Haelt man dieses Prinzip ein, wird man automatisch immun gegen jede Mystifizierung, Religion, Einschuechterung und gegen das Denken in Kontigenzen/Konnotationen.

Die analytischen Faehigkeiten werden enorm gestaerkt, weil man bei einem Begriff nicht mehr einem Wust von Kontingenzen ausgesetzt ist (oft sind es Belohnungserwartungen, Aengste, Einschuechterungen - eben das genaue GESPUER dafuer, ob etwas von den Eltern, dem Staat, der Peer Group oder anderen Autoritaeten erwuenscht oder "unerwuenscht" ist, ob etwas "serioes" oder "unserioes" ist, ob etwas "heilig" oder "unanstaendig" ist, ob etwas "keinen interessiert" oder "geil ist").
Es wird uns z.b. in der Schule beigebracht, dass es unanstaendig ist, den Begriff "Wahrheit" (= Uebereinstimmung einer
Aussage mit der Aussenwelt) allzu woertlich zu nehmen ("Es gibt keine 'absolute Wahrheit'!"). Selbst Naturwissenschaftler haben oft Schwierigkeiten, ihre Begriffe zu definieren und koennen oft kaum klar denken.

Beispiele: Definiere die Begriffe
- "Kapitalismus"
- "Kommunismus"
- "Materialismus"
- "Totalitarismus", "totalitaer"
- "Wissenschaft"
- "Wahrheit"
- "Toleranz"
- "Positivismus"
- "reiner Stoff" im Sinne der Chemie
- "Art" im Sinne der Biologie
- "Feld" im Sinne der Physik
- "Axiom" im Sinne der Mathematik bzw. Physik
- "Meinungsfreiheit"
- "falsifizierbar"
- "Vaterland"
- "Dreifaltigkeit"
- "Gebet"
- "Verschwoerungstheorie"
- "Sekte"

Die Aufforderung zur Definition kontingenzbeladener Begriffe loest auch meist veraergertes Gestammel und ausweichende Reaktionen aus ("Man kann eben nicht alles definieren", "Man muss vom Vorverstaendnis her kommen"). Dies kann man geradezu als Messmethode verwenden!

Statt einer Definitionshoheit liegt also meiner Meinung nach eher eine Etikettierungs- und Kontingenzhoheit vor.

Das Informationsmonopol wird realisiert durch die Kontrolle ueber die Multiplikatoren, vor allem durch Selektion "geeigneter" Leute fuer entsprechende Planstellen (z.B. Intendanten, Chefredakteure, Schulleiter, Bischoefe), die ein besonders ausgefeiltes Gespuer dafuer haben, was "erwuenscht" ist.

(c) Andreas Hauß http://www.medienanalyse-international.de/index1.html