Aporien
  siehe auch bzgl. Eppler:  http://www.medienanalyse-international.de/protagon.html
  und  http://www.medienanalyse-international.de/eppler.html
  

© Matthias Gockel, November 2000
(e-mail: gomatt@gmx.net)
 

Aporien eines Angriffskrieges:
Anmerkungen zu einem Artikel von Erhard Eppler
 

Im Oktober 1999 erschien in der Fachzeitschrift "Evangelische Theologie" ein Artikel von Erhard Eppler, mit dem Titel "Die Kirchen und der Krieg". (1) Eppler, bis 1989 Mitglied des SPD-Präsidiums, war vor 20 Jahren ein entschiedener Kritiker des sog. NATO-Doppelbeschlusses. Bei der zentralen Demonstration der Friedensbewegung am 10. Oktober 1981 im Bonner Hofgarten trat er als prominenter Parteipolitiker und Redner auf. In friedensbewegten Kreisen des deutschen Protestantismus fand seine damalige Position innerhalb der SPD besondere Anerkennung, als er an mehreren Podien des zweijährlich stattfindenden Evangelischen Kirchentags (dessen Präsident er 1981 und 1983 war) teilnahm, um seine Kritik an der NATO und der sozial-liberalen Regierung Schmidt sowie an der Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles unter der Regierung Kohl öffentlich vorzutragen und zu verteidigen. Epplers zweifaches Renommee als kritischer Sozialdemokrat und kritischer Protestant, sowie seine eindringlichen Warnungen vor apokalyptischen Krisen - Wege aus der Gefahr (1981), Die tödliche Utopie der Sicherheit (1983) -, verlieh seinen Bemerkungen auch über tagespolitische Anlässe hinaus ein Gewicht, mit dem er unter gesellschaftlich engagierten Theologen und Kirchenvertretern Beachtung fand. (2)

Während des NATO-Angriffs auf Jugoslawien hat Eppler die Politik der rot-grünen Bundesregierung in aller Entschiedenheit verteidigt. So sprach er sich in mehreren Interviews (u.a. mit dem NDR und dem "Vorwärts") gegen eine Aussetzung der Luftangriffe aus, obwohl diese Forderung auch aus den Reihen seiner eigenen Parteigenossen zu vernehmen war und auf breite Zustimmung in der Bevölkerung stiess. In einer Rede auf dem SPD-Sonderparteitag am 12. April 1999 stellte Eppler seine Doppelbegabung als kritischer Politiker und kritischer Christ unter Beweis, indem er zwecks Legitimierung des NATO-Angriffs die Schuldfrage thematisierte. Er fand, dass die militärische Aggression gegen Jugoslawien einen "tragischen Konflikt" hervorrief, der darin bestand, dass "man schuldig wird, ganz gleich was man tut."  Einerseits, sagte Eppler, wird man "natürlich … schuldig, wenn man Bomben wirft."  Die entscheidende Frage sei aber, so Epplers weiter, ob man durch eine andere Entscheidung nicht "noch schuldiger" werde. Seine Empfehlung lautete daher: "Deshalb muß diese Partei jetzt diesen tragischen Konflikt … aushalten. Sie muß lernen, was eine tragische Entscheidung ist, und sie muß das dann so aushalten, daß jeder dem anderen zugesteht, daß er gute Gründe hat. Dann muß die Regierung handeln. Ich habe den Eindruck, sie handelt so, daß wir ein bißchen weniger schuldig werden, als wenn wir nichts täten."

Die folgenden Anmerkungen beleuchten den Sachgehalt zentraler Aussagen in Epplers Artikel, mit denen er versucht hat, den NATO-Krieg zu rechtfertigen. Dabei geht es zunächst um zwei Themenkreise: das Verständnis des politischen Konflikts im Kosovo und die politische Rolle der UCK sowie die Frage des Legalität des militärischen Vorgehens der NATO. In einem dritten Abschnitt thematisiere ich Epplers Empfehlungen an die Kirchen, die sich aber, wenn man genau hinsieht, nicht nur an die Kirchen und ihre Mitglieder richten, sondern allen politisch interessierten Bürgern gelten.
 

I

Im Zusammenhang der anhaltenden weltweiten Gewalttätigkeit, nicht nur in ärmeren Ländern, sondern auch in den reichen Industriestaaten, stellt Eppler die Frage, ob es sich bei den Angehörigen der UCK um "Kriminelle" handelt, und merkt sofort an: "Die Serben behaupten es." Er fährt fort: "Die Rebellen haben sich selbst Waffen besorgt, sich selbst organisiert.  Sie durchbrechen das staatliche Gewaltmonopol.  Aber die meisten von ihnen haben jahrelang versucht, sich gewaltfrei gegen serbische Unterdrückung zu wehren." Epplers Fazit lautet, dass dieser Versuch der Realität nicht mehr gerecht wird: "Sollen sie nun zusehen, wie ihre Familien vertrieben, ihre Häuser angezündet, ihre Freunde erschossen werden?" Die UCK führe demnach einen "Befreiungskrieg", während die serbischen Soldaten und Polizisten eigentlich keinen Krieg führten, sondern "für Ordnung" sorgten (S. 391-92).

Eppler stellt in diesem Abschnitt eine wichtige Frage, vermeidet es aber, eine klare Antwort zu geben. Stattdessen folgt zuerst ein Hinweis auf die Antwort "der Serben", der nicht weiter verfolgt wird (vielleicht weil "die Serben" in Kriegszeiten  unglaubwürdiger als ihre Feinde sind?). Daraufhin weist er auf die militärische Selbstorganisation der "Rebellen" hin, ohne dass die ideologischen und ökonomischen Grundlagen dieser Organisation auch nur gestreift würden. Stattdessen stilisiert er die langjährigen politischen Ambitionen und Aktivitäten kosovo-albanischer Gruppen zur "gewaltfreien" Wehr gegen die "serbische Unterdrückung". Diese verbreitete Vorstellung des gewaltfreien Widerstands der Kosovo-Albaner entstammt einem idealtypischen Bild der Person Ibrahim Rugovas als 'Gandhi des Balkans' bei gleichzeitigem Ausblenden der politischen Absichten und Praktiken Rugovas. (3) Sie wird allerdings der politischen und kulturellen Komplexität des Kosovo-Konflikts, die mit einer Fixierung auf die Menschenrechtsproblematik prinzipiell unzureichend begriffen wird, in keiner Weise gerecht. (4) Wie dem auch sei, das Bemerkenswerte an Epplers Argumentation ist die implizite Bestätigung des kriminellen Charakters der UCK, die mit einer Rechtfertigung ihrer Gewalttaten einhergeht. Diese Rechtfertigung erfolgt in Form einer moralisch-appellativen rhetorischen Frage: "Sollen sie nun zusehen, wie …?" (5) Eppler übersieht dabei - wie alle Apologeten des NATO-Angriffs aus moralischen Gründen -, dass mit derselben Moral auch die Gewalt von serbischer Seite gerechtfertigt werden kann, denn von Vertreibung, Zerstörung und Mord waren ja auch die serbischen Kosovaren betroffen, und dies nicht erst nach dem Ende der NATO-Bombardierungen. (6) Überdies lässt die Entwicklung im Kosovo seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen wenig Zweifel daran, dass die Befreiung, die der UCK vorschwebte, in erster Linie die Inbesitznahme des Kosovo für die Kosovo-Albaner und die damit verbundene "Befreiung" der Provinz von ihren nicht-albanischen Bewohnern darstellte, die weitgehend erfolgreich durchgeführt werden konnte. (7)

Ebenso bemerkenswert ist Epplers Ignoranz gegenüber der ideologischen Ausrichtung und Zielsetzung der UCK, obwohl beides in Kreisen westlicher Beobachter ausgiebig diskutiert wurde. Ein gutes Beispiel dafür sind offizielle Stellungnahmen der US-Regierung (8) und der Bundesregierung, die eindeutig festhalten, dass es sich bei der UCK um eine terroristische Gruppe handelte, die gezielte Anschläge auf Polizisten und Zivilisten (einschliesslich albanischer 'Kollaborateure') verübte. (9) Mit anderen Worten: nicht nur "die Serben", sondern auch "die Amerikaner" und "die Deutschen" bezeichneten die UCK als eine Terror-Organisation und implizierten damit zweifelsohne, dass deren Angehörige "Kriminelle" sind. (10)

Auskünfte dieser Art waren zur Zeit des NATO-Angriffs nicht opportun. Die gesamte Aufmerksamkeit der Bundesregierung und der anderen NATO-Staaten richtete sich darauf, den Kosovo-Konflikt als ein rein humanitäres Problem mit klar verteilten Rollen darzustellen. Daran hat sich auch in der Zeit nach dem Einmarsch der NATO-Truppen im Kosovo wenig geändert. Epplers Ausblendung der politischen Ebene überrascht daher ebensowenig wie das Übergehen der offensichtlichen Eskalation der Gewalt im Kosovo nach Beginn der NATO-Angriffe, die ein fahles Licht auf seine Forderung nach einer "internationalen Rechtsordnung" (S. 394) wirft. Die Vereinbarkeit von Realpolitik und moralischem Gestus, vor allem in Kriegszeiten, ist sicherlich kein neuartiges Phänomen, aber das Besondere an Epplers Logik ist ihre Verwechslung von Ursache und Wirkung und der daraus resultierende Widerspruch: Eppler sinniert darüber nach, mit welchen Mitteln auf "Ausbrüche der Gewalt" (S. 393) reagiert werden kann, aber er stellt dabei eine militärische Aktion als Vorbild hin, die den "Ausbruch der Gewalt" im Kosovo beförderte (oder ihn sogar erst ermöglichte) und deren eigene Gewalt, der Logik des Krieges entsprechend, kontinuierlich eskalierte. Ferner wirken Epplers allgemeine Erwägungen über einen wirksameren Schutz vor allerlei "Gewalt" auf internationaler Ebene vor dem Hintergrund der regierungsamtlichen Einschätzungen der UCK als terroristischer Organisation geradezu surrealistisch, denn es handelte sich um dieselbe Organisation, die bei den Zusammenkünften in Rambouillet von den NATO-Staaten hofiert und während des NATO-Angriffs militärisch beraten wurde. (11)

II

Eppler gibt zu, dass sich die "schwierigste Problematik" des NATO-Angriffs aus dem Problems der Legalität, oder, wie es die Befürworter des Angriffs gerne nennen, der Legitimation ergibt. Der Luftkrieg der NATO stellte völkerrechtlich gesehen einen Fall militärischer Aggression dar. Er war völkerrechtswidrig und ist damit im Bereich des Grundgesetzes strafbar (GG Art. 25 und 26, mit StGB §80). Selbst die hartnäckigsten Verteidiger des Angriffs geben dessen Illegalität inzwischen zu, begründen ihre Zustimmung aber immer noch moralisch. (12)

Wie bewältigt Eppler diese "schwierigste Problematik"? Zunächst formuliert er, dass "eine Erzwingungsaktion mit militärischen Mitteln … von einer Instanz angeordnet sein [müsste], die weltweit anerkannt ist und in ihrer Satzung die Möglichkeit solcher Aktionen vorsieht. Das wäre die UNO, genauer: ihr Sicherheitsrat." Daraufhin folgt die oft gehörte Klage darüber, dass der Sicherheitsrat "nicht bereit" war, ein militärisches Vorgehen der NATO zu mandatieren (S. 393).

Aus dieser Gedankenfolge sticht hervor, dass sie die weitreichende juristische Problematik des NATO-Angriffs stillschweigend übergeht. Durch den unmittelbar vorausgehenden Satz ("hier geht es ja gerade darum, die Freiheit von Menschen zu schützen oder wiederherzustellen") suggeriert Eppler, dass die Selbstmandatierung der NATO allein durch ihre Intention gerechtfertigt war, während das Verhalten des Weltsicherheitsrats das eigentliche Problem darstellte. Damit verzerrt er jedoch den Kern des Problems, der in der Selbstmandatierung der NATO und nicht im Verhalten des Weltsicherheitsrates liegt: "Es führt ... in die Irre, das Veto der ständigen Vertreter im UN-Sicherheitsrat dafür verantwortlich zu machen, dass die NATO von der UNO kein Mandat für ihre Luftangriffe erhalten hat. Tatsächlich bestand keine Lücke im normativen System der internationalen Gefahrenabwehr. Vielmehr lagen die Voraussetzungen für ein einseitiges militärisches Eingreifen nicht vor, nachdem der UN-Sicherheitsrat in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung nicht davon überzeugt werden konnte, dass die friedlichen Mittel zur Lösung der Kosovo-Krise ausgeschöpft waren." (13) Eppler deutet die völkerrechtliche Problematik zwar an: "Wer in souveränen Staaten, ihren Rechten und Interessen denkt, muss die Luftangriffe der NATO verurteilen" (S. 394). (14)  Er übersieht aber, dass es im Völkerrecht gerade nicht nur um die Rechte und Interessen einzelner Staaten geht, sondern um Recht und Interesse der internationalen Staatengemeinschaft insgesamt. Im Allgemeinen, so August Pradetto, "kann eine beanspruchte Rechtmässigkeit unilateraler 'humanitärer Interventionen' nicht von der 'Funktionsfähigkeit' kollektiver Mechanismen abhängig gemacht werden ... Weder das Erfordernis einer bestimmten Mehrheit noch die Einlegung eines Vetos [beeinträchtigt] die rechtliche und politische Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrates: Die Möglichkeit einer Blockade des Sicherheitsrates auf Grund des Vetorechts einer der fünf Mächte ist systembedingt und rechtlich geradezu eingeplant." Und diese Regelung sei keineswegs zu beklagen, denn sie enspricht dem "wichtigsten und elementarsten Grundsatz des Völkerrechts, wie es sich nach dem ersten Weltkrieg bis heute entwickelt hat, … [nämlich dem] Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt unter souveränen Mitgliedern der Staatengemeinschaft." (15)

Die Beurteilung des militärischen Vorgehens der NATO gegen Jugoslawien als völkerrechtswidriger Aggressionsakt ist somit angemessen, denn es verletzte eindeutig das prinzipielle Gewaltverbot der UNO-Charta, und zwar nicht erst durch die Ausführung der Luftangriffe, sondern schon durch deren Androhung. (16)

Pradetto resümmiert, dass es "wenig produktiv [wäre], wenn Einzelstaaten oder Staatenkoalitionen in Fällen, in denen ihnen die Beschlüsse des Sicherheitsrates der UNO nicht passen oder nicht weit genug gehen, nunmehr unter Verzicht auf Konsensbildung in den Vereinten Nationen über militärische Sanktionen gegen einen souveränen Staat autonom entscheiden, also eine Selbstmandatierung vornehmen wollten. In der Konsequenz würde dies nichts anderes bedeuten, als dass diese Staaten oder Staatenkoalitionen sich die Kompetenz des Sicherheitsrates anmaßen und entscheiden, wer auf der Welt aufgrund interner oder zwischenstaatlicher Konflikte mit militärischen Sanktionen bedacht wird und wer nicht. Die Erosion des vor allem von den westlichen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg zum Nutzen aller etablierten Systems UNO wäre damit vorprogrammiert." (17)

Des Weiteren kommt Eppler auf den Unterschied des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien zu früheren Kriegen zu sprechen. Er behauptet, dass die kriegführenden NATO-Staaten "keine Interessen" im Kosovo haben: "Da gibt es kein Öl, keine Rohstoffe.  Auch strategisch ist der Kosovo uninteressant." Stattdessen will die NATO "ein bestimmtes Verhalten der Serben erzwingen." Aus diesem (nicht näher belegten) materiellen und strategischen Desinteresse folgert Eppler: "Deshalb hat der Vorwurf, hier falle ein mächtiges Bündnis über ein kleines Land her, keinen Sinn.  Er wäre berechtigt, wenn die NATO zu ihrem Vorteil den Serben etwas wegnehmen wollte." (S. 392)
Auch das ist nicht einleuchtend. Wiederum ist Epplers Logik widersprüchlich, denn erstens handelte es sich in der Tat um den Angriff eines "mächtigen Bündnisses" auf einen hoffnungslos unterlegenen Feind und zweitens ist die Frage des Interesses weder für die völkerrechtliche Bewertung des Angriffs noch für die militärischen und politischen Machtverhältnisse relevant. Schliesslich: selbst wenn die NATO den Serben nichts zu ihrem eigenen Vorteil "wegnehmen" wollte, ist sie keineswegs so unbeteiligt, wie Eppler es darstellt, denn sie hat sich faktisch an die Seite einer politischen Bewegung gestellt, die den Serben sehr wohl etwas wegnehmen will.
 

III

Eppler schlägt vor, den Krieg "als eine von allzu vielen Formern ausufernder Gewalt" zu betrachten, mit dem Zusatz, "dass die Vertreibung der Kosovaren eine besonders scheussliche Form der Gewalt darstellt" (S. 394).(18) Damit verbindet er die Aufforderung, darüber nachzudenken, wie eine Gewaltanwendung, die sich auf das "Recht des Stärkeren" beruft, verhindert werden kann. (19) Dementsprechend laute die heutzutage entscheidende Frage nicht mehr "Wie verhindere ich den Krieg, und wie verhalten sich Christen im Krieg?", sondern "Wie verhindere ich Gewalt, wie beuge ich ihr vor, und wenn dies nicht gelingt, wie zähme und bändige ich Gewalt?" (S. 393) – und diese Frage gilt nicht nur den Christen. (20) Nicht überraschend führt Eppler an diesem Punkt die Unterscheidung von "legitimer" und "illegitimer" Gewalt ein, die sich v.a. dadurch auszeichnet, dass sie die Verantwortung der eigenen Gewaltätigkeit dem Anderen zuschiebt ('daran ist allein Miloševic Schuld') und das diffizilere, aber präziser zu bestimmende Problem der Legalität ausblendet.(21)

Ausserdem stellt Eppler die Diagnose, dass "die Kirchen … lange Zeit so etwas wie ein europäisches Defizit [hatten]" (S. 395). Diese Behauptung wird nicht weiter belegt, so dass sie als ein Allgemeinplatz erscheint, der in wechselnden Kontexten beliebig angewandt werden kann.  Das ist nicht verwunderlich, denn entscheidend ist die Forderung, auf die Epplers Diagnose hinausläuft und die (angesichts seiner Kritik der USA) geopolitische Brisanz, hat: "Wir brauchen eine Europäische Union, die nicht nur mit einer Münze bezahlt, sondern international mit einer Stimme spricht und gemeinsam für Frieden in Europa sorgt" (S. 395). Diese Forderung ignoriert, dass während des NATO-Angriffs derselbe immer wieder als Vorbild eines humanitären Einsatzes präsentiert wurde, bei dem wahlweise das 'Bündnis', die 'internationale Gemeinschaft', oder eben 'Europa' (mit Hilfe 'unserer amerikanischen Freunde') "mit einer Stimme" sprachen. Und ist, ganz abgesehen von den Folgen des Krieges in Jugoslawien, die Situation im Kosovo unter der KFOR- Besatzungstruppe nicht eher ein Beispiel für ein Europa, das zwar "mit einer Stimme spricht" bzw. an einem Luftkrieg teilnimmt, aber dadurch gerade nicht "gemeinsam für Frieden sorgt", sondern Hass und Feindschaft verschärft? Schliesslich stellt sich die Frage, wie sich Eppler das Verhältnis der Kirchen zu Europa konkret vorstellt. Bestünde die vordringliche Aufgabe der Kirchen nicht gerade darin, jeder Usurpierung des Namens der internationalen Staaten- und Völkergemeinschaft durch militärische Organisationen zu widersprechen?
Die zuletzt genannte Aufgabe wird noch präzisiert, indem Eppler, um seine Empfehlungen abzurunden, aus einer Schrift der Evangelischen Kirche in Deutschland "Schritte auf dem Weg des Friedens" (1994), die sich mit der politischen Praxis von Friedenssicherung und Konfliktbewältigung befasst, zitiert: "Die Möglichkeiten und Ansätze ziviler Konfliktbearbeitung [wurden] kaum aufgegriffen und ausgebildet" (S. 393). Dieses Defizit besteht nach wie vor - das Verhalten des Westens im Kosovo-Konflikt belegt es. Genau aus diesem Grund kann die vordringliche Aufgabe für die Kirchen nicht darin bestehen, mit Eppler über die fragwürdige Unterscheidung zwischen "legitimer" und "illegitimer" Gewalt nachzudenken oder gar ein "internationales Gewaltmonopol" abseits der bereits vorhandenen Strukturen einzufordern. Vielmehr gilt, was der bekannte Tübinger Theologe Jürgen Moltmann bereits vor mehr als 10 Jahren anmahnte: "Wir müssen das öffentliche Bewusstsein und das politische Denken entmilitarisieren und den demokratischen Umgang mit dem Gegner auf den internationalen Umgang mit den 'Feinden' übertragen."  (22) 
Eine weitere Konkretisierung dieser Perspektive könnte sogar helfen, das "europäische Defizit" der Kirchen abzubauen, wie der anglikanische Theologe Steven Sykes betont: "Der positive Beitrag, den … die christliche Religion nach wie vor zu einer europäischen Gesellschaft … leisten kann, ist klar erkennbar in ihren Traditionen: das Verbot der Rache, das Gebot der Feindesliebe (d.h. der Depersonalisierung des Feindes zu widerstehen), … die Pflege einer Vision des friedlichen Gottesreiches als Ziel menschlicher Gemeinschaft …, der Wert, welcher der natürlichen Umwelt als geschaffener Ordnung beigemessen wird und die Wichtigkeit der Aufmerksamkeit auf die Verwandlung von Feindschaft in Versöhnung und Vertrauen." (23)

Aus diesen Überlegungen ergibt sich für die Kirchen eine anspruchsvollere Aufgabe als die gelegentliche Anmahnung von ziviler Konfliktbearbeitung oder die Aufforderung zum Nachdenken über die Differenz von Krieg und Gewalt, so erhellend dies im Einzelfall sein mag. Vielmehr fordern die von Moltmann und Sykes auf den Punkt gebrachten Traditionen die Kirchen dazu heraus, dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit scharfer Kritik zu begegnen, bis dahin, dass eine juristische Aufarbeitung einschliesslich der gerichtlichen Untersuchung der Verantwortlichen, angestrebt wird, wie es kürzlich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International empfohlen hat. (24)

Es versteht sich von selbst, dass die Kirchen dabei mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zusammenarbeiten sollten, wie es schon beim Widerstand gegen den NATO-Doppelbeschluss vor 20 Jahren der Fall gewesen ist. Der erste zwischenstaatliche Angriffskrieg in Europa seit 1945 verliert nichts von seiner Aktualität, solange deutsche Soldaten im Kosovo stationiert sind. Das Übermass an Lügen, widersprüchlicher Logik und doppelter Moral, das von Vertretern der Politik und der Medien aufgeboten wurde, um einen 11-wöchigen Luftkrieg, in dem weite Teile der zivilen Infrastruktur eines ganzen Landes gezielt angegriffen wurden, als politisch geboten und moralisch gerechtfertigt hinzustellen, hat viele Fragen nach dem aktuellen Zustand der bundesrepublikanischen Gesellschaft aufgeworfen, die nach Kriegsende weitgehend unterbelichtet geblieben sind. Insbesondere die moralische Komponente bietet darüberhinaus viele Gelegenheiten zur Manipulation des Bewusstseins bei zukünftigen militärischen Einsätzen der Bundeswehr, wie die wiederholte Parallelisierung des Kosovo-Konflikts mit politisch ganz anders gelagerten Konflikten (z.B. in Tschetschenien und im Nahen Osten) deutlich vor Augen führt. Im Verband mit der beliebten und keineswegs neuen Strategie der Ethnisierung politischer Konflikte ermöglicht die moralische Mobilisierung der Öffentlichkeit eine rasche Identifizierung mit den eigenen Streitkräften und wird so zu einem probaten Mittel der Kriegsführung.

Anmerkungen:
(1) Erhard Eppler, "Die Kirchen und der Krieg", Evangelische Theologie 59 (1999), S. 390-95.Alle Seitenangaben im Text beziehen sich auf diesen Artikel.

(2) In Epplers neueren Werken 
- Die Widerkehr der Politik (1998) und 
- Privatisierung der politischen Moral? (2000) – geht es um die Gestaltung deutscher und europäischer Politik unter den Bedingungen der politischen und wirtschaftlichen Vorherrschaft der USA. Vgl. dazu seine programmatische Bestimmung im "Vorwärts" 9/1999: "Den Sozialdemokraten Europas obliegt es, dem Neoliberalismus amerikanischer Prägung ein europäisches Modell entgegenzusetzen. Genau dazu sind sie in Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland gewählt worden."

(3)  "In a curious mirror-image to Miloševic's SPS, for so long the dominating power in Serbian politics, Kosovo Albanian politics are dominated by the Democratic League of Kosova (LDK) … The LDK brooks little dissent and those that challenge it are howled down in LDK publications and can even be ostracised in the tight-knit Albanian community … Woe betide any Albanian family or shop or businessman who will not pay his dues to Kosova's tax collectors." Tim Judah, The Serbs: History, Myth, and the Destruction of Yugoslavia (Yale University Press: New Haven & London, 1997), S. 305f.

(4) "Many westerners in search of simplicity like to portray the Kosovo problem as merely a question of human rights. Inevitably, it is far more complex than that." Judah, op. cit., S. 306. Das politische Ziel der LDK bestand in der Wiederherstellung umfassender Autonomie-Rechte, die aber nicht als Selbstzweck, sondern als ein Schritt auf dem Weg in die Unabhängigkeit oder eine Vereinigung mit Albanien verstanden wurde. Konsequenterweise wurden alle jugoslawischen Wahlen boykottiert. Miranda Vickers bemerkt, dass weder die Abwahl Slobodan Miloševi(s als Präsident von Serbien (seit 1997 von Jugoslawien) noch die Verbesserung der Menschenrechtssituation im Kosovo ein Ziel der kosovo-albanischen Politik war, denn beides hätte die politische Natur des Konflikts in den Vordergrund gerückt und dem Werben um die humanitäre Sympathie westlicher Medien und Politiker den Boden entzogen: "as the Kosovar leadership admitted at the time, they did not want [Miloševi(] to go. Unless Serbia continued to be labelled as profoundly evil – and they themselves, by virtue of being anti-Serb, as the good guys – they were unlikely to achieve their goals ... The Albanians wanted to have things both ways; they refused to participate in the elections but then complained that they were being represented by non-elected individuals – and war criminals." Miranda Vickers, Between Serb and Albanian: A History of Kosovo (Hurst & Co.: London, 1998), S. 268. Die Reaktionen kosovo-albanischer Politiker auf die Amtsübernahme des neuen jugoslawischen Präsidenten Kostunica im Oktober 2000 bestätigen dies.

(5) Mit der behaupteten Unmöglichkeit eines "Zusehens" oder "Wegsehens" wurde der bundesdeutsche Bevölkerung während des Kriegs suggeriert, es gebe keine Alternative zum Krieg. Sie findet sich nicht umsonst im Titel von Bundesminister Scharpings Buch "Wir dürfen nicht wegsehen – Der Kosovo-Krieg und Europa" (Ullstein-Verlag: Berlin, 1999). Eine solide Kritik dieses Buches, die zentrale Behauptungen Scharpings mit dem aktuellen Erkenntnisstand konfrontiert, bietet Thomas Deichmann, "Scharping-Lügen haben kurze Beine", Novo 45 (3/4, 2000), S. 38-43.  http://www.novo-magazin.de/45/novo4538.htm

(6) Das "US-Kommittee für Flüchtlinge" bestätigt in seinem Jahresbericht für 1999, dass 90 Dörfer mit überwiegend serbischer Bevölkerung bis Dezember 1998 von der UCK eingenommen und die serbischen Bewohner zur Flucht gezwungen wurden. Das Vorgehen der UCK wird als "ethnic cleansing" bezeichnet. Berichte über die systematische Gewalt gegen Kosovo-Serben erschienen Anfang Januar 1999 in einigen US-amerikanischen Tageszeitungen, z.B. in der Washington Post (4. 1. 1999). Die Komplexität der Situation vor Ort, die einseitige Schuldzuweisungen und Parteinahmen aufgrund der damit verbundenen Eskalationsgefahr verbieten sollte, ist auch der Bundesregierung bekannt gewesen, wie aus mehreren Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes zwischen November 1998 und März 1999 hervorgeht. Vgl. die Pressemitteilung der deutschen Abteilung der "International Association of Lawyers Against Nuclear Arms" (IALANA) vom 22. April 1999, online einsehbar unter http://www.friedenskooperative.de/
themen/kosohg07.htm

(7) Auch wenn moderate kosovo-albanische Intellektuelle und Politiker die Gewalt- und Terrorakte gegen nicht-albanische Gruppen scharf veruteilt haben, gilt es festzuhalten, dass auch die ideologische Ausrichtung und politische Praxis der LDK einem Apartheids-Modell der "getrennten Entwicklung" verschiedener ethnischer Gruppen näher kam als die Kosovo-Politik Belgrads, die ausser der Wahrung der staatlichen Einheit keine eindeutige politische Linie verfolgte und sich im Wesentlichen durch Abwarten und massive polizeiliche Reaktionen auszeichnete. Vgl. Vickers, op. cit., S. 289: "For Albanians public contact with Serbs inside Kosovo was off-limits, and the LDK used its power to isolate those violating that unspoken rule. Only a few elite intellectuals could appear publicly on panel discussions with Serbs without fear of public censure."

(8) Vgl. dazu den informativen Artikel von Chris Hedges, "Kosovo's Next Masters?", Foreign Affairs 78/3 (1999), S. 24-42.  Am 23. 2. 1998 äusserte der Balkan-Gesandte Präsident Clintons bei einem Jugoslawien-Besuch, dass die UCK "ohne Zweifel" eine "terroristische Organisation" sei. Wenige Tage später griffen serbische Einheiten eine UCK-Festung in der Drenica-Region an, wobei auch mehrere Zivilisten getötet wurden.

(9) Aus dem Verfassungsschutz-Jahresbericht für 1997: "Mitglieder der 'Volksbewegung von Kosovo' (LPK) in Deutschland bringen im LPK-Organ … 'Die Stimme Kosovos' zum Ausdruck, daß sie die … terroristisch operierende 'Befreiungsarmee von Kosovo' (UCK) politisch, moralisch und finanziell unterstützen wollen … Die UCK übernahm seit Februar 1996 wiederholt öffentlich die Verantwortung für Terrorakte im Kosovo, die sich gegen Serben und serbische Interessen sowie gegen albanische Kollaborateure gerichtet hätten" 

(10) Auch die in den Berichten der OSZE-Beobachter mehrfach beschriebene zynische Provokations-Strategie der UCK, die brutale Reaktionen der serbischen Polizei bewusst in Kauf nahm, um auf diese Weise ein militärisches Eingreifen der NATO zu beschleunigen, war westlichen Politikern bekannt. Vgl. Ludger Volmer, "Krieg in Jugoslawien – Hintergründe einer grünen Entscheidung" (26.3.1999), einsehbar auf der web-site von Bündnis 90/Die Grünen, 
http://www.gruene-fraktion.de/
uthem/int_politik/volmer.htm

(11) "To hear some of the generals talk today, the Kosovo Liberation Army and NATO could scarcely have worked more closely during the alliance's 78-day air war in Kosovo. KLA guerrillas constantly were on the phone to NATO 'to tell us there were 15 bad guys down the road,' U.S. Lt. Gen. Michael C. Short … told a conference in Virginia last month. And NATO itself 'instigated' the KLA's biggest offensive of the war in May 1999, German Gen. Klaus Naumann, former head of the NATO military committee, told an interviewer. This collaboration might not be noteworthy - except that NATO leaders so emphatically denied it during the war." Paul Richter, "Questions Surface Over NATO's Revised Take on the War in Kosovo", Los Angeles Times, 10. Juni 2000.

(12) In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die verbreitete Behauptung, dass der NATO-Angriff einen Konfliktfall zwischen Menschenrecht und Völkerrecht darstelle, falsch ist. Das Spannungsverhältnis ist vielmehr (wie in vielen anderen Fällen) innerhalb des Völkerrechts, dessen Bestandteil die Menschenrechte sind, angelegt. Das Bemühen um eine moralische Legitimation, das auch bei Eppler zu beobachten ist, zeigt zudem, dass man den Vorrang der Menschenrechte vor dem Gewaltverbot nur mit ausserrechtlichen Kategorien 'begründen' kann, die man aber dem Gewaltverbot nicht zugestehen will. Darauf haben Norman Paech und Gerhard Stuby hingewiesen: "Recht oder Gewalt? Unterwegs zu einer neuen Weltordnung", in: "Der NATO-Krieg - Hintergründe und Alternativen" (hg. von Dieter S. Lutz u.a.) Supplement der Zeitschrift Sozialismus (Hamburg, 1999), S. 36-47.

(13) Hermann Weber, "Die NATO tritt das Völkerrecht mit Füßen", Novo, vol. 42 (9/10, 1999), S. 30-33 (eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien am 9. Juli 1999 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, unter dem Titel "Rechtsverstoss, Fortentwicklung oder Neuinterpretation?") Weber insistiert: "Auch im Kosovo-Konflikt ist der Konsens der 'hauptverantwortlichen Mächte' (UN-Charta, Art. 24) conditio sine qua non, ohne den auch der innere Frieden in Staaten mit ethnischen Minderheiten auf Dauer nicht gesichert werden kann."

(14) Bemerkenswert ist die Fortsetzung: "[Wer in souveränen Staaten, ihren Rechten und Interessen denkt,] kann die Gewalt, die von den Bombern der NATO ausgeht, nicht als Antwort auf die Gewalt der serbischen Soldaten und Milizen im Kosovo verstehen und noch weniger  rechtfertigen." Die äusserst vage Formulierung, dass der NATO-Angriff eine "Antwort" auf die Gewalt des jugoslawischen Staates waren, ist gänzlich irrelevant für die Diskussion der Frage der Souveränität. Auch ein Mörder kann sich darauf berufen, mit seinem Handeln eine "Antwort" auf das Verhalten anderer zu geben.

(15) August Pradetto, "Die NATO, humanitäre Intervention und Völkerrecht", Aus Politik und Zeitgeschichte, B 11/1999, S. 26-38. Pradetto bezieht sich v.a. auf das Werk von Gerhard Zimmer, Rechtsdurchsetzung (Law Enforcement) zum Schutz humanitärer Gemeinschaftsgüter - Zu Theorie und Praxis der "Intervention" im zeitgenössischen Völkerrecht, (Shaker Verlag: Aachen, 1998). 

(16) "In consideration of the foregoing, it may be concluded that the NATO threats of air strikes against the FRY, not having been authorized by the Security Council, are not in conformity with the UN Charter. In this regard, it makes little difference that the threat had not been carried out until now because Article 2 (4) prohibits such threats in precisely the same way as it does the actual use of armed force." Auch wenn der Autor in diesem Aufsatz, der vor Beginn der NATO-Angriffe entstand, Verständnis für das Vorgehen der NATO aufbringt, bleibt sein Fazit eindeutig: "whether we regard the NATO threat employed in the Kosovo crisis as an ersatz Chapter VII measure, 'humanitarian intervention', or as a threat of collective countermeasures involving armed force, any attempt at legal justification will ultimately remain unsatisfactory." Bruno Simma, "NATO, the UN and the Use of Force: Legal Aspects", European Journal of International Law, vol. 10/1 (1999), S. 1-22. Die besondere Ironie besteht darin, dass der Autor dieses Aufsatzes nicht nur einer der bekanntesten bundesdeutschen Völkerrechtler ist, sondern auch als juristischer Berater des Auswärtigen Amtes fungiert.

(17) August Pradetto, "Die NATO, humanitäre Intervention und Völkerrecht", ibid.

(18) Epplers moralisierender Zusatz, dass diese Gewalt "nicht ohne Antwort bleiben konnte", ist angesichts der anhaltenden unbeantworteten "Scheusslichkeiten" (nicht nur) im Kosovo keines weiteren Kommentares würdig.

(19) Offensichtlich bemerkt Eppler nicht, dass diese Formulierung seiner eigenen Rechtfertigung der NATO-Kriegs - auch wenn er "nicht alles rechtfertigen [will], was NATO-Generälen einfällt" (S. 394) - zuwiderläuft. Die andere Deutungsmöglichkeit ist, dass Eppler seine Kritik an den USA unterstreichen will.  Der Hinweis auf das angebliche Desinteresse "eines Bündnispartners" an einem "internationalen Gewaltmonopol" geht in diese Richtung.  Allerdings ist es zweifelhaft, ob die Europäische Union mehr Interesse an einem solchen Gewaltmonopol hat als die USA. Die gegenwärtigen Bemühungen um den Aufbau einer eigenen sog. Eingreiftruppe lassen das Gegenteil vermuten.

(20) Die Verschiebung des Hauptproblems vom Krieg zur Gewalt behauptete Eppler im Interview mit dem "Vorwärts" und in seiner Rede auf dem SPD-Sonderparteitag. Sie wird auch in seinem neuesten Buch (Privatisierung der politischen Moral?) in einem eigenen Kapitel thematisiert.

(21) Zu dem ersten Aspekt vgl. die erhellenden Ausführungen von Susanne Kappeler, The Will to Violence: The Politics of Personal Behaviour (Polity Press: Cambridge 1995). Es überrascht nicht, dass Eppler die "scheusslichen" Folgen der NATO-Bombardierungen an keinem Punkt seines Aufsatzes in den Blick nimmt und sogar zu der erstaunlichen Frage gelangt, ob Kriegsverbrechen erlaubt sein könnten: "Ist es in einem solchen Konflikt erlaubt, die Versorgung der Bevölkerung mit Strom und Wasser – und dass bedeutet auch, dass kein Brot gebacken werden kann – zu stören oder gar zu zerstören?" (S. 392). Ob er Überlegungen dieser Art (z.B.: 'Ist es in einem solchen Konflikt erlaubt, die Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet zum Verlassen ihrer Häuser aufzufordern?') der anderen Seite zugestehen würde, steht zu bezweifeln.

(22) J. Moltmann, Gerechtigkeit schafft Zukunft: Friedenspolitik und Schöpfungsethik in einer bedrohten Welt (Kaiser/Grünewald: München/ Mainz, 1989), S. 62. 
(23) "The positive contribution which … the Christian religion still has to make to European society and to the world is plainly there in its traditions, the prohibition of revenge, the command to love the enemy (that is, to resist their depersonalisation), … the preservation of the vision of a peacable kingdom as the goal of human community … the value placed upon the natural environment, as the created order, and the seriousness of the attention paid to the transformation of hostility into reconciliation and trust." Steven Sykes, "Sacrifice and the Ideology of War", in: The Institution of War, hg. von R. A. Hinde (Macmillan: London, 1991), S. 97.

(24) "NATO violations of the laws of war during Operation Allied Force must be investigated" (Presseerklärung vom 7. Juni 2000). AI erwähnt, dass bis zu 90 Vorfälle zu untersuchen seien.  Der ausführliche Bericht 'Collateral Damage' or Unlawful Killings? Violations of the Laws of War by NATO during Operation Allied Force enthält neun case studies. Ferner hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten die erste umfassende gerichtliche Stellungnahme zu dem Thema abgegeben (am 2. März 2000) und festgestellt, dass der NATO-Angriff völkerrechtswidrig gewesen ist. Die öffentliche Aufforderung zahlreicher Kriegsgegner an Soldaten der Bundeswehr, sich von der Truppe zu entfernen, die momentan strafrechtlich verfolgt wird, sei daher nicht zu beanstanden, da sie keine Aufforderung zu einer Straftat darstellte. Die Argumentation des Amtsrichters entspricht der von Weber, Pradetto und Simma, auf die wir uns hier beziehen (vgl. http://userpage.fu-berlin.de/~ami/
ausgaben/2000/5-00_6.htm).



(c) Andreas Hauß, Juni 2013 - Der Artikel Gockels war jahrelang  durch Domainumzug "verschüttet."

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Im Übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.