Von: "Jochen Scholz" <scholz-hj@gmx.de>
An: andreas.schockenhoff@bundestag.de CC: eckart.klaeden@bundestag.de Betreff: Putin, Polen, Tschechien und NMD oder GMD Sehr geehrter Herr Schockenhoff, Sie und Ihr Fraktionskollege von Klaeden haben sich in den vergangenen Tagen mit unterschiedlichen Akzenten zur Stationierung von amerikanischen Raketenabwehrsytemen nebst unvermeidlichem Zubehör in Polen und Tschechien öffentlich geäußert. Spürbar wurde dabei das Bestreben, unseren Hauptverbündeten von Vorwürfen zu entlasten, sich mit unlauteren Mitteln strategische Vorteile zu verschaffen, die seine derzeit unangefochtenen militärische Stellung in der Welt konservieren oder ausbauen könnten. Angesichts der Verdienste, die sich die USA nach 1945 aus deutscher Sicht erworben haben bei der Wiedereingliederung eines "rogue states", wie man heute zu sagen pflegt, in die Völkergemeinschaft, ist dies verständlich. Auch ich bin den USA dankbar dafür, dass ich meinen Lebens- und Berufsweg in einer freien Gesellschaft gestalten konnte. Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass die Vereinigten Staaten in vielen anderen Teilen der (nichtkommunistischen) Welt bereits vor 1990 ganz anders wahrgenommen wurden, begründet: I n Asien und Lateinamerika zumal.
Brzezinski: "Die einzige Weltmacht" Wolfowitz: "Rebuilding America´s
Defenses", September 2000, Project for the New American Century des AEI
Zum Thema NMD/GMD hänge ich Ihnen
einen Artikel aus "Foreign Affairs" vom März/April 2006 an: "The Rise
of U.S. Nuclear Primacy"
"If the United States' nuclear modernization were really aimed at rogue states or terrorists, the country's nuclear force would not need the additional thousand ground-burst warheads it will gain from the W-76 modernization program. The current and future U.S. nuclear force, in other words, seems designed to carry out a preemptive disarming strike against Russia or China...... ..What both of these camps overlook is that the sort of m i s s i l e d e f e n s e s that the United States might p l a u s i b l y deploy would be valuable primarily in an o f f e n s i v e context, not a defensive one -- as an adjunct to a U.S. first-strike capability, not as a standalone shield. If the United States launched a nuclear attack against Russia (or China), the targeted country would be left with a tiny surviving arsenal -- if any at all. At that point, even a relatively modest or inefficient missile-defense system might well be enough to protect against any retaliatory strikes, because the devastated enemy would have so few warheads and decoys left." Die Zeiten haben sich geändert. Heute,
nach dem Ende des Kalten Krieges werden keine Geschenke mehr verteilt,
heute ist Europa potenzieller Konkurrent, den es ggf. zu schwächen
gilt. Heute greift wieder die historische Konstante, die das Kennzeichen
noch jeder Weltmacht war: Alle Anderen sind nur als Tributpflichtige willkommen.
Brzezinski nennt sie Vasallen. 45 Jahre unter der machtpolitischen Käseglocke
sind keine Entschuldigung dafür, dass in Deutschland manch einer die
Beziehungen im Bündnis mit einem Pfadfinderfähnlein verwechselt.
Sicher wird Ihnen Ihr Kollege Willy
Wimmer gerne seinen Brief an den damaligen Bundeskanzler zur Verfügung
stellen, den er - völlig entsetzt - nach der Konferenz von Bratislava
im Frühjahr 2000 geschrieben hat. Dort trug John Bolton im Rahmen
der New Atlantic Initiative des AEI für das State Department vor.
Die gemachten Ankündigungen sind bereits zu einem Gutteil Realität.
Und die nehmen Sie und Ihre Partei doch bitte endlich einmal zur Kenntnis.
Mit freundlichen Grüßen
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Im Übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.