http://www.medienanalyse-international.de/ueberakkumulation_oder_weltfinanzkrieg.html
Eine Diskussion zwischen
Dr. Peter Behnen und Andreas Hauß, per email geführt, rund um
die Bewertung des Finanzdesasters.
Leicht editierte Fassung
- zunächst war diese Auseinandersetzung nicht als eine öffentliche
gedacht. Beide Autoren veröffentlichen ihre Ansichten aber jetzt,
weil sie der Ansicht sind, dass es einer öffentlichen Diskussion
vor allem innerhalb der Linken, aber auch in allen gesellschaftlichen
Bereichen auf fundierter Grundlage bedarf.
Dr.Peter Behnen
geb.1947
Veröffentlichungen:
Verschieden Bücher
Siehe u. a. Zeitschrift Bildung
|
Andreas Hauß
geb. 1955 Historiker und Germanist Autor und Publizist Mitbegründer der WASG und derzeit parteilos |
Die Artikel sind von unten nach oben zu lesen, also beginnend bei 1, dem Ursprungsartikel Behnens.
[N.Kaymak]
13
Lieber Andreas, Du hast Recht, einer
muss der Letzte sein. Wir werden die Diskussion hier abbrechen, um sie
im Sommer, zur Zeit des Wahlkampfes, weiterzuführen. Du hast neulich
gesagt, dass der Linken häufig eine Diskussionskultur fehle. Du hast
darauf hingewiesen, eine Diskussion solle sachlich, informativ und abwägend
sein. Dieser Aussage kann ich mich anschließen und dabei feststellen,
dass diese Merkmale, aus meiner Sicht, auf unsere Diskussion voll zugetroffen
haben. Ich wünsche mir, wenn wir die Diskussion im Sommer wieder aufnehmen,
dass sie dann auch weiter in dieser Weise verläuft. Ferner wünsche
ich mir, dass Diskussionen der Linken in Zukunft innerhalb der eigenen
Organisation aber auch mit anderen fortschrittlichen Organisationen und
einzelnen Personen mit den gleichen Etiketten versehen werden können.
Es grüßt Dich bis dann Peter.
[Die Autoren sind übereingekommen, mit der Diskusion erst im Sommer weiter fortzufahren. Dann lassen wir die Krise mal einige Monate unkommentiert wirken. Was der Krise nicht schadet oder nutzt ... MAI2.eu meldet sich natürlich weiterhin zu Wort.]
12 Lieber Peter, dass wir von zwei
getrennten Ebenen des Weltgeschehens sprechen, darin stimme ich Dir zu,
voll und ganz, es ist mein Reden.
Im 24. Kapitel von Band I des »Kapital« schreibt Karl Marx am Ende des sechsten Abschnitts »Genesis des industriellen Kapitalisten« - zum siebenten über die »Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation« übergehend - den Satz: »Wenn das Geld, nach Augier, >mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt< (Du Credit Public, Paris 1842), so das Kapital von Kopf bis Fuß, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend.« Dieser Feststellung fügt er aus der Zeitschrift Quarterly Reviewer aus einem Artikel von P.J. Dunning über Trade Unions die folgende Fußnote hinzu: »Kapital flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel.« Soweit Marx zum REALEN Kapital.
Konkret. Haben wir "normale" kapitalbewegungen vor uns in der jetzigen Krise, oder handelt es sich um etwas Extraordinäres? Du schreibst:
Und das Sahnehäubchen
an Schwammigkeit:
Jedoch geht es bei 863 Billionen
$ nicht um
863 Billionen sind nicht TEIL des Kapitals. Sie können es nicht sein, das Welt BIP bewegt sich um 50-60 Billionen. Wenn ich Geld übrig habe und Lotto spiele, wenn ein Mittelständler nach Ascot zur Pferdewette schreitet oder ein Merkle, eine Scheffler oder ein anonymer Hedgefondsverwalter Milliarden in riskante oder gar total spekulative Geschäfte einsetzt - das ist REALE Welt. Normales kapitalgeschehen, das schon bei simplem Einkauf von Biosprit durch die Verknappung des Nahrungsmittels Mais verbrecherisch mit Todesfolgen sein kann. So wie vor 150 Jahren die corn laws mit der Folge von Millionen Hungertoten in Indien. Das Lottogeld, die Pferdewette, das Milliardengeschäft xy folgen dem Energieerhaltungssatz. Sie wehseln die Form, gehen jedoch nicht verloren. Es ist überschüssig, vagabundiert, es wurde auch immer mehr in den Zeiten erhöhter Produktivkräfte durch Computerisierung und Globalisierung. Das ist TEIL der von Marx beschriebenen Welt, teil des Welt-BIP. Die 863 Billionen haben nahezu nichts damit zu tun - während Du behauptest: Das Finanzwesen ... sorgte schließlich dafür, dass die Spekulation übermächtig wurde und die Umsätze des Finanzsektors sich nicht nur verselbständigten sondern in einen direkten Gegensatz zum realen Sektor traten." Nicht ein Anonymus Finanzsektor war aktiv, da hat sich kein ES "verselbständigt" und es wurden keine ungeheuren Kreditschöpfungsmöglichkeiten bemüht. Sondern mit krimineller Energie haben ganz konkrete wenige Leute ein mafia-Betrugkartell gebildet und heisse Luft verkauft, diese per gekaufter Ratingagenturen zertifizieren lassen ud mittels Staatsunterstützung weltweit vertrieben. Der Stat heisst USA, die Zinspolitik Greenspans, die Aktivitäten der anderen Akteure waren fein aufeinander abgestimmt. Reales Kapital floss bisher im Verhältnis zur ungeheuren Phantastillardensumme wenig. Jetzt erst unterfüttert es die bisher nur als Nullen und Einsen existierenden Zahlen. Das Cash-in realer Werte ist ein andauernder Prozess, in dem Firmen, Aktien, Banken un Beteiligungen, aber auch ganze Märkte und sogar Staaten übernommen oder als Konkurrenten aus dem Weg geräumt werden. Jetzt, vor unseren Augen. Wir kommen zum Punkt, zu
Deiner Frage:
Wenn ich diese Einlassung
richtig verstehe, nimmst Du die Antwort auf Deine Frage gleich vorweg:
eine Systemkrise müsse begriffen werden.
Dass Derivate im alten Rom und in einer sozialistischen Gesellschaft nicht existent sein können, insofern per se systemimmanent dem Kapitalismus zugeeignet werden dürfen, versteht sich ebenfalls von selbst. Nur baust Du einen falschen Gegensatz auf: Systemimmanenz zur Zufälligkeit. So als könne nicht im Kapitalismus die Geschichte diese oder jene Wendung nehmen, der Politiker X so und der Y wiederum so entscheiden, ein Krieg so oder so ausgehen usw. Hedgefonds gab es zu Kohls Zeiten nicht - da mussten erst Rotzgrüne kommen und sowas in deutschland einführen. Gleiches gilt für Deutsche kriegsbeteiligungen. Historisch zufällig sind diese Entscheidungen insofern, als dass Deutschland und sein System durch andere Entscheidungen wahrlich nicht ins Wanken geraten wären. Zufall im engeren Sinne waren die Weichenstellunngen gewiss nicht - aber wirklich nicht aus T` oder dem vierten Band des Kapitals erklärlich. Einig sind wir, und das sogar in der Diktion Münteferings, dass wir das haus löschen müssen, egal ob es durch Gangster oder einen Kurzschluss in Brand geriet. Und da endet schon die gemeinsamkeit mit Münte in der Wahl der Mittel: da habn wir beide wohl denselben Ansatz. Die Hütte brennt jedenfalls, es geht nicht um Wärme im Mikrowellenherd. In diesem Sine bis zum Sommer - dann auf ein neues. Andreas
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Lieber Andreas,
wir müssen darauf achten,
dass wir nicht auf ganz verschiedenen Ebenen argumentieren und damit aneinander
vorbei reden. Ich beginne deswegen mit dem Zitat, dass Du in der letzten
Mail an den Anfang gestellt hast.
„ Aber der Umschwung aus
erarbeitetem Kapital mit realer Grundlage, akkumuliert in falschen Händen,
zu diesen Phantastillarden, den hast Du nicht erklärt, sondern einfach
nur behauptet.“
Eine direkte Erklärung, so wie es das Zitat nahe legt, ist auch gar nicht möglich, weil einfach verschiedene Vermittlungsglieder übersprungen und ganz unterschiedliche Ebenen angesprochen werden. Ich habe deswegen, aus gutem Grund, auf den Unterschied von allgemeiner Strukturanalyse und einer konkreten Betrachtung eines Stücks Zeitgeschichte hingewiesen. Auf der Ebene der allgemeinen Analyse ist begründbar, wie es von der beschleunigten Akkumulation des realen Sektors zur strukturellen Überakkumulation kommt. Weiter ist begründbar, dass, wenn die strukturelle Überakkumulation im realen Sektor eingetreten ist, eine Überreichlichkeit des Kapitals, wie Marx es nennt, entsteht, die verstärkt in die Geldakkumulation abfließt. Ein Teil dieses Kapitals gerät auf „ die Bahn der Abenteurer.“ oder nach den Worten von Keynes in die Spekulationskasse. Dass es überhaupt zu der Überreichlichkeit des Kapitals im realen Sektor und zum Abfluss in den Finanzsektor kommt, lässt sich auf der allgemeinen Ebene durch die Darstellung der organischen Entwicklung des Kapitals, den Fall der Profitrate und die fehlende Kompensation durch die Entwicklung der Profitmasse erklären. Außerdem kann die Konkurrenz der Kapitalisten allgemein als die Bewegung dargestellt werden, durch die die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus sich durch das Agieren der Kapitalisten durchsetzen. Oberhalb dieser Ebene kommt erst, im Rahmen einer marxistischen Analyse, die Analyse eines konkreten Stücks Zeitgeschichte ins Spiel. Dazu gehört auch die Darstellung, in welcher Weise bis heute das Bank -und Finanzsystem ausgestaltet wurde, welche neuen Finanzprodukte entwickelt wurden und wie die Finanzinstitute seit den 70er Jahren verstärkt um überschüssiges Kapital konkurrieren. In diesem Zusammenhang erst ist die Betrachtung der Derivatsentwicklung sinnvoll. Es handelt sich ja um Papiere, denen ursprünglich Termingeschäfte zur Risikoabsicherung zu Grunde lagen. Erst im Laufe der Zeit trat bei ihnen das Spekulationsmotiv in den Vordergrund. Das Finanzwesen mit seinen ungeheuren Kreditschöpfungsmöglichkeiten sorgte schließlich dafür, dass die Spekulation übermächtig wurde und die Umsätze des Finanzsektors sich nicht nur verselbständigten sondern in einen direkten Gegensatz zum realen Sektor traten. Erst an diesem Punkt, also nach einer ganzen Reihe von Vermittlungsgliedern, kommt die Ebene ins Spiel, die Du dauernd ansprichst, die Ebene der „ Phantastillarden.“ Es handelt sich um die Ebene an der Oberfläche der Gesellschaft, auf der die Spekulation auf die Spitze getrieben und eine Spekulationsblase durch das Handeln der Finanzakteure entsteht. Hier lässt sich nur durch Hier lässt sich nur durch eine konkrete Analyse näher bestimmen, durch welche Ausgestaltung des Finanzsystems die Spekulationsblase genau ermöglicht wurde, wo und wann sie eintreten musste und in welcher Weise sie auf andere Sektoren und Länder übertragen wurde. Außerdem lässt sich nur hier ermitteln, wie sich die Börsen Schritt für Schritt von Primärmärkten zu Sekundärmärkten und schließlich zu Wettbüros entwickelten. Schon der alte Börsenguru Kostolany hatte ja schon vor Jahren beklagt, dass Zocker inzwischen das Börsengeschehen beherrschen.. Zusammengefasst heißt das, dass eine ganze Anzahl von Strukturelementen und Vermittlungsschritten im Kapitalismus klar sein müssen, wenn die Oberflächenstruktur in den kapitalistischen Staaten einschließlich des Derivatenhandels analysiert werden soll. Wenn die Ursachen der augenblicklichen Entwicklung korrekt eingeschätzt werden und grundlegende Lösungsvorschläge entwickelt werden sollen, muss dieser Weg gegangen werden. Wenn man diesen Weg nicht geht, bleibt man notwendigerweise bei einer Oberflächenbetrachtung stehen und hat, aus marxistischer Sicht, keine theoretische Grundlage, um die Entwicklung als systemimmanente darzustellen und als Systemkrise zu begreifen. Zugespitzt muss ich Dich, lieber Andreas, deswegen fragen, wo eigentlich Deine theoretische Grundlage ist, die es Dir erlaubt, die Finanzkrise als allgemeine Systemkrise zu begreifen und nicht als historisch zufällig. Es muss, darauf habe ich hingewiesen, weltweit Abschreibungen von Forderungen im großen Stil erfolgen. Eine Vielzahl von Banken wird das nicht überleben bzw. haben das schon nicht überlebt, eine Vielzahl von Banken muss verstaatlicht werden oder sozial verträglich aufgelöst werden. Ob das das Weltfinanzsystem in seiner jetzigen Struktur überlebt, da bin ich sicher, dass das nicht möglich ist. Auf die katastrophalen Rückwirkungen auf den realen Sektor sind die bürgerlichen Regierungen im Grunde nicht vorbereitet. Wir werden sehen, welche Weichenstellungen im April in London vorgenommen werden? Ich vermute, sie werden vorne und hinten nicht ausreichen, um eine Stabilisierung im Finanzsektor zu erreichen. Zum Schluss noch kurz etwas zu kriminellen Machenschaften und zur Personalisierung der Probleme. Wer oder was formaljuristisch bei uns als kriminell eingestuft wird, entscheiden nicht wir, sondern Gerichte auf Basis des STGB. Auf wen das augenblicklich zutrifft, dazu fehlt mir die Übersicht. Das Problem ist nur, dass die Zockerei an den Börsen meistens legal auf der Basis von neuen Finanzmarktgesetzen erfolgt ist, insoweit durch die etablierte Politik und Gerichte nicht als kriminell angesehen werden. Der Verweis auf die Kriminalität des Handelns würde auch für die Linke viel zu kurz gegriffen sein, zumindest dann, wenn man grundlegende Lösungsvorschläge machen will. Dass Marx auch im „Kapital“ personalisiert hat ist sicher richtig, die Frage ist nur, wie das zu interpretieren ist. Aus meiner Sicht handelt es sich bei diesen Textstellen nur um Illustrationen, die für die Darstellung der allgemeinen Struktur des Kapitalismus keine notwendige Bedeutung haben. Es gilt weiter das, was ich im letzten Brief ausgeführt habe, dass Kapitalisten von Marx als Personifikation von Kapitalverhältnissen dargestellt werden und dabei bewusst/ unbewußt handeln und gesamtwirtschaftlich durch ihr einzelwirtschaftliches Handeln die grundlegenden Probleme erzeugen. Das gilt unabhängig von der konkreten Person des Kapitalisten. Es grüßt Dich Peter.
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ausnahmsweise zitiere ich
mich mal selbst:
Das sind völlig unterschiedliche Vorgänge. Unterschiedliche "Umschlagsvorgänge", unterschiedliche Wirkungen und Rückwirkungen. Einfach: andees Thema! Dein Thema mag man mit oder ohne den 3.Band erklären oder auch nicht, hier jedenfalls allein schon wegen der Sinnhaftigkeit nicht. Aber die Phantastilliarden, die derzeit die krise ausmachen, sin nicht Resultat erhöhter Zinsraten, beschleunigter Produktivität, brutalerer Ausbeutung usw. - völlig unabhängig davon, ob es diese Aspekte nicht auch gibt. Die 863 Billionen $ sind nicht Extraprofit, sind nicht Kapital, das nach Anlagemöglichkeit sucht. Nichts von alledem. Sie sind in Menge und Qualität völlig abgesetzt von den Bruttoinlandsprodukten aller Staaten dieser E rde, die als Zahlenwerte bekanntlich in vielfacher Weise völig anders erfasst werden und in der Summe nicht einmal ein zehntel der Phantastillarden ausmachen. Es gibt zwischen einer Finanzwirtschaft,
die Kapital hedged, leiht, verleiht, von mir aus auch klaut und betrügt,
aber auf der Basis real existierender Werte, realer Waren und Dienstleistungen,
und andererseits der Welt der Derivate und Swaps nahezu keine Verbindung
außer zweien:
Ein anderer Vergleich: die Situation entspricht einer Grossmetzgerei, die teils ordentliche Wurstwaren, ganz frische Fleischstücke verhackt und nun die Zehnfache Menge an Unrat untermischt, teils aus der Dachrinne, teils aus dem Rinstein und vielleicht noch unappetitlicheren Quellen, die nicht nur Gammelfleisch-Lieferanten umfassen, das alles fein mit Kräutern gewürzt, in edle Därme gepresst und mit dem Siegel der Metzgerei verbrieft als Qualitätsprodukt, gelabelt mit den Marken der Metzgerinnung und von der Lebensmittelaufsicht durchgewinkt als " 1a"-rating. Unter stiller Duldung sowie Förderung staatlicher Stellen, bzw. Förderung der regierung des Landes, in dem die Grossmertzgerei steht. Ist das kompliziert?
nein, das ist simpel.
Du, lieber Peter, diskutierst in diesem Bild die Qualität der Fleischanteile aus gutem und auch Gammelfleisch. Ich spreche hingegen vom kriminellen Verhalten des Gross- und der Filialmetzger. Das unterscheidet uns. Womit wir wieder bei den
Personen sind. In der Auseinandersetzung mit Malthus im ersten Band spricht
Marx von den corn laws. Da wurde staatlicherseits der Freihandel gefördrt,
es gab in England genug und billiges Brot zu essen und zu kaufen. Nur wurden
zugleich die bauern des Binnenlandes niederkonkurriert, zugleich
in Indien riesige Hungersnöte erzeugt mit Millionen Toten. Lawmakers
und Lobbyisten handelten natürlich als ideelle Gesamtkapitalisten,
übrigens nicht einmal kriminell im Sinne der dmailigen gesetze.
Und eben das ist in unserem Fall ebeno möglich wie notwendig. das "Kapital" lä0t sich eben weder verhaften noch in den Schuldturm stecken. Die verbrecher der derzeitigen Krise schon. Weitere Krisenaspekte wie Überproduktion, Umweltsauereien, Hungersnöte durch Getreide im Tank statt im magen usw. sind hier unberücksichtigt- die sind "normal", und da greift durchaus all das, was die Linke weltweit fordert und weiterhin fordern muss. Folgenden schönen Satz
fand ich übrigens auch:
9 27.Februar 2009
Lieber Andreas,
dass verschiedene kapitalistische Staaten unterschiedliche Ausprägungen haben und dass diese Ausprägungen auch politisch bestimmt sind, das ist eine Tatsache und habe ich nicht bestritten. Was ich gemacht habe, ist die Darstellung allgemeiner Strukturen und Entwicklungstendenzen des Kapitalismus, so wie sie in der Marxschen Theorie dargestellt werden. Diese Darstellung ist gewissermaßen die Folie oder das Paradigma, die zur Analyse konkret-historischer Gesellschaften des Kapitalismus herangezogen werden. In der marxistischen Theorie wurde das als Umschlag von Theorie in Methode bezeichnet. Auf dieser Basis ist dann auch bestimmbar, welchen Entwicklungsgrad des Kapitalismus die jeweiligen Länder, und damit auch die Schwellenländer, aufweisen. Historische Besonderheiten sind dann klar von allgemeinen Entwicklungstendenzen zu unterscheiden. Bei dem Zitat, bei dem es
um die Spekulation geht, fällst Du wieder auf die Argumentation Deiner
ersten Antwort zurück .Ich sage es noch einmal, natürlich geht
es um Menschen, die agieren. Sie agieren allerdings auf Basis bestimmter
ökonomischer Strukturen und unter bestimmten historischen Bedingungen.
Oder, um mit Marx zu sprechen, die Menschen machen ihre Geschichte selbst,
aber unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen. Und nur so sind meine
Formulierungen zu verstehen, hier geht es keineswegs um Zauberkraft. Die
Akteure an den Börsen aber auch in den Unternehmen denken einzelwirtschaftlich,
dass heißt, auf ihr Unternehmen bzw. ihren eigenen Profit bezogen.
Im Ergebnis erzeugen sie durch dieses Handeln gesamtwirtschaftliche Folgen,
die sie bei ihrem Handeln nicht beeinflussen und auch nicht beeinflussen
dürfen, wenn sie nicht als Kapitalisten untergehen wollen. . Das ist
die Grundstruktur des Handelns im Kapitalismus, Marx nennt dieses Handeln
bewusst-unbewußtes Handeln. Keynes übrigens nennt es den Gegensatz
von Einzelwirtschaft und Gesamtwirtschaft. Dieses einzelwirtschaftliche
Denken und Handeln dominiert auch größere Teile der Politik
bis weit in die Sozialdemokratie hinein. Dann nützt es auch nichts,
wenn Marx, Keynes und viele andere Ökonomen auf die Konsequenzen dieses
Handels aufmerksam machen. Kapitalisten jedweder Sorte handeln einzelwirtschaftlich
und müssen so handeln und erzeugen gerade dadurch Überproduktion,
Überakkumulation, Spekulationsblasen, Arbeitslosigkeit etc.etc.
Dass sich seit den 70er Jahren ein wirtschaftlicher Umbruch vollzogen hat wird nicht nur von mir behauptet, sondern ist auch ablesbar an bestimmten Daten. Zu den Daten gehören das Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosigkeit, das Verhältnis von realem und Finanzsektor, das Verhältnis von Profitraten und Zinsraten, die Rückwirkung des Finanzsektors auf die reale Wirtschaft etc.etc. Du hast natürlich Recht, dass man diesen Umbruch auch erklären muss. Dass habe ich auch ansatzweise gemacht, indem ich auf den Umschlag von der beschleunigten Akkumulation im reproduktiven Sektor in die strukturelle Überakkumulation hingewiesen habe. Dieser Umschlag, der aus der Struktur des Kapitalismus begründbar ist, müsste allerdings noch genauer begründet werden. Dazu ist notwendig, die Entwicklung der organischen Zusammensetzung des Kapitals, den Fall der Durchschnittsprofitrate, die zeitweilige Kompensation des Profitratenfalls durch die Profitmassenentwicklung und den genauen Umschlagpunkt zu erklären, wo die Kompensation nicht mehr gelingt. Wenn ich das alles täte, wären wir mittendrin in der Marxschen Ökonomie des 3. Bandes, gewissermaßen in einem Kapitalkurs. Glaubst Du wirklich, dass wir auf dieser Ebene miteinander diskutieren sollten? Dazu bedarf es wohl mehr als eines Briefwechsels. Das bestimmte Enteignungen
notwendig sind, dass kriegen inzwischen schon einige etablierte Politiker
mit, da hast Du Recht. Ob Du allerdings mit dieser Forderung augenblicklich
breite Bündnisse erreichst, da habe ich doch meine Zweifel, insbesondere
deswegen, weil diese Forderung von vielen nur als Notlösung und vorübergehend
angesehen wird. Für die Linke können einzelne Enteignungen nur
der Auftakt für tiefergehende Veränderungen sein. Nicht die staatliche
Übernahme maroder Unternehmen und Branchen sichert der Gesellschaft
eine Kontrolle über die ökonomische Entwicklung sondern auf Dauer
nur eine Offensive in Richtung der Vergesellschaftung und Demokratisierung
von Schlüsselbranchen. Ich glaube eher, dass breite Bündnisse
eher durch Forderungen erreicht werden, die sich auf so „profane“ Dinge
wie Arbeitsplätze, soziale Sicherheit, Einkommens -und Vermögensverteilung,
gerechtes Steuersystem, Umweltschutz, Friedenspolitik etc. beziehen. Es
muss allerdings von der Linken immer deutlich gemacht werden, dass diese
Ziele auf Dauer nur erreichbar sind, wenn die grundlegenden Strukturen
der Gesellschaft verändert werden. Nur so ist es aus meiner Sicht
möglich, erfolgreiche Bündnisse mit Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden,
Arbeitsloseninitiativen, Altenverbänden, Umweltgruppen, Attac und
möglicherweise auch Teilen der etablierten Parteien zu erreichen.
8 25. Februar 2009 Lieber Peter, Zitat von Dir: "Was wir seit den 70er Jahren in allen kapitalistischen Ländern haben, ist eine disproportionale Entwicklung des realen Sektors einerseits und der Geldakkumulation in all ihren Formen andererseits. Das lässt sich als allgemeine Entwicklungstendenz aus den ökonomischen Bewegungsgesetzen der kapitalistischen Produktionsweise herleiten." Die "allgemeine Entwicklungstendenz" sieht aber in den BRIC-Staaten nach Industrialisierung, in den USA nach Deindustrialisierung und in Europa und Japan nach Umstrukurierung des realen Sektors (einerseits verlängerte Werkbänke outsourcen, andererseits Kerngeschäft fördern) aus. Auch sind die finanziellen Positionen dieser Staaten völlig unterschiedliche. Wir sprechen dabei von einem Wirtschaftssystem, das jedoch völlig unterschiedlich gelenkt wird. Die unterschiedlichen Ausprägungen sind doch wohl politisch motiviert. Worin besteht denn die ALLEN Ländern gemeinsame Disproportion? Ein weiteres Zitat:
Häufig? Die Situation, in der die Welt steckt, geschieht HÄUFIG? Und dann geschieht, was auch immer Deiner Ansicht nach geschieht, in Form eines perpetuum mobiles: "verselbständigt sich", "schlägt sich", da entfernst sich und treibt alles Mögliche. Wie von Zauberkraft getrieben. Die von Dir benannte "Anlage und Umschichtung" erfordert jedoch bewusstes Agieren von menschen. Bei aller Elektronik: hier und da sind schon noch unterschriften nötig. An den Börsen agieren menschen, und sei es nur, um einem Computer zu sagen, bei fallendem Kurs des Papiers XY dies oder jenes zu veranlassen. Hedgefonds gab es zu Kohls Zeiten nicht, sie wurden bei Herrn Schröder zugelassen. Die Verbriefungen stehen erstmals als Ziel der Regierungspolitik in Merkels Koalitionsvertrag. Das hätte dort auch nicht stehen müssen. Es handelts sich um Entscheidungen. Die Summe der weltweiten Derivate belief sich 1090 auf 2 Billionen $, Mitte der 90er auf 8, und nun auf mehr als dem Hundertfachen, 20 mal so viel wie die gesamte Welt an realen Werten und Dienstleistungen pro Jahr produziert. Ob ein Staat seine Währungsreserven in Gold, in Fränkli, in $ oder anderen Statspapieren anlegt, ob ein privater Investor sein akkumuliertes Vermögen im Kauf weiterer Fabriken, in anonymen Fonds, in Aktienpaketen oder derivaten anlegt: all das sind Entscheidungen. Die nicht NOTWENDIG so ausfallen müsen. warren buffett warnte vor Derivaten als "finanziellen Massenvernichtungswaffen" und hielt sich auch persönlich zurück. Die Phantastillarden kamen nicht wie vom Mars über uns. Sie wurden HERGESTELLT, übrigens in Auftragsarbeit bei AIGFP in London, aber im Auftrag der USA. Nicht ALLGEMEIN. Nicht ÜBERALL. sondern mit krimineller Energie im vollen Bewusstsein derer, die Schneeballsysteme lostreten und kaschieren mit "Ratings". Und nicht "häufig", sondern auf Greenspans, Rubin und Summers Geheiss parallel zu den anderen Planungen der full spectrum dominance - siehe PNAC. Ein weiteres "AMERIKANISCHES Jahrhundert" soll anbrechen. Das ist das Ziel, der Poker geht hoch (mit Eigeneinsatz und Blessuren) - aber Obamas Rede gestern besagt, man wolle es schaffen. Summers ist Teil seines Teams - Wirtschaftsrat. Es sind Menschen. Mit Zielen.
Fast könnte man meinen, es handele sich bei unserer Diskussion nur um eine Frage des Maßes. "die Politik ohne Einfluss" und zuvor "allein eine politische Ursache". Als Marxist sieht man die ökonomischen Triebkräfte und aber auch den "Überbau". So im Allgemeinen kommt man da leicht zusammen, ich steuere ein wenig Ökonomie bei, Du ein wenig Politik, und wir wären glücklich. Die Phantastillarden sind aber kein "ökonomischer Prozess", an dem die Politik ein wenig mitwirkte, ein quasi "Naturvorgang des Kapitalismus", ein Vulkanausbruch mit akkumuliertem Magma. Während ich Namen, Daren und Zahlen für die manmade Sauerei leifern kann, bleibst Du den Beleg dafür, dass es unbedingt so hat kommen müssen, schuldig. Es gibt kein "häufig". Es gibt "bewährte" Spekulationsmechanismen wie put-optionen, die es auch schon am historischen "Schwarzen Freitag" gab, das ja. Und herumlungerndes Kapital, das spekulieren wollte, das profit sehen wollte, das nicht mehr wusste, wohin angesichts überbordender Produktivität. Und das zeigt natürlich auch, wie reich die menschheit im Grunde genommen ist, und wie wir die Arbeitszeit senken könnten. Auch ein wichtiges, sogar das Hauptthema: wofür leben und arbeiten? .... Aber der Umschwung aus erarbeitetem Kapital mit realer Grundlage, akkumuliert in falschen Händen, zu diesen Phantastillarden, den hast Du nicht erklärt, sondern einfach nur behauptet. Würden sich aus dem Problem nicht unterschiedliche Gewichtungen im Handeln ergeben, wäre das alles rein akdemisch. Ist es aber nicht, denn eine Staatsmafia zu stoppen erfordert andere Maßnahmen als "nur" umzuverteilen, hat außenpolitische Aspekte statt nahezu rein innenpolitische Notwendigkeiten. Selbst innenpolitisch unterscheidet uns, dass ich von "Knast und Enteignung" spreche statt von reiner Umverteilung. Oder, wie Du es sagtest "Teilverstaatlichung". Übrigen bin ich da nicht radikal. Bürgerliche Ökonomen sprechen auch so. Immerhin fanden die ersten Enteignungen von Derivatehändlern an Kapitalinhabern statt. Was wiederum Bündnisoptionen erschliest ungeahnten Ausmasses. Nun aber mal Pause.
7 24. Februar 2009 Lieber Andreas,
wir werden sehen, welche Themenfelder wir noch erörtern werden. . Bisher war unser Thema die aktuelle Finanzkrise und ihre Erklärung und da werden wir sicher noch weiter diskutieren müssen. Ich hatte nur behauptet,
dass die Tatsache, dass für 863 Billionen Dollar Derivate bei Banken
liegen, sowohl in der bürgerlichen Presse als auch bei Linken nicht
verschwiegen wird. Ob das Problem bei den Informierten wirklich geistig
verarbeitet und die Konsequenzen richtig abgeschätzt werden ist eine
ganz andere Sache. Man kann aus meiner Sicht davon ausgehen, dass das nicht
so ist, allein deswegen, weil die bürgerlichen Geister in oberflächlichen
Bewußtseinsformen und Interessen befangen sind und entsprechend ihre
Politik ausrichten. Klar ist auch, dass in der breiten Öffentlichkeit
die Probleme und Gefahren nicht gesehen werden. Ich habe in meinem Aufsatz
ja deswegen den Hinweis gegeben, dass durch die Allensbach-Umfrage deutlich
wird, dass die breite Öffentlichkeit kaum informiert und total verunsichert
ist. Umso wichtiger ist es, dass die Linke sich selbst verständigt
und, soweit sie es kann, in der Öffentlichkeit aufklärend wirkt.
Dass der überdimensionierte
Finanzsektor, also auch die 863 Billionen Dollar Derivate, allein
eine politische Ursache hat, bestreite ich vehement. Was wir seit den 70er
Jahren in allen kapitalistischen Ländern haben, ist eine disproportionale
Entwicklung des realen Sektors einerseits und der Geldakkumulation
in all ihren Formen andererseits. Das lässt sich als allgemeine
Entwicklungstendenz aus den ökonomischen Bewegungsgesetzen der kapitalistischen
Produktionsweise herleiten. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929/32 begann
die Etappe des Fordismus, die in allen kapitalistischen Ländern mit
einem beschleunigten Wachstum der Wirtschaft verbunden war, bei Marx beschleunigte
Akkumulation genannt. Diese Entwicklungsetappe des Kapitalismus kam in
den 70er Jahren zu ihrem Ende. Die Erklärung dafür ist aus der
ökonomischen Struktur des Kapitalismus in seinem reifen Stadium erklärbar.
Einem Teil des Geldkapitals, das aus dem reproduktiven Prozess des Kapitals
stammt, gelingt es nicht mehr, eine entsprechende Verwertung zu erreichen
und wird deswegen im Finanzsektor angelegt. Marx spricht in diesem Zusammenhang
von dem so genannten „Plethora-Kapital“. Hinzu kommen im Banksystem gesammelte
Gelder und ein Teil der Ersparnisse der Privathaushalte. Es handelt sich
bei all dem nicht um ein Beiprodukt der strukturellen Überakkumulation
sondern um eine Form, in der sie heute auftritt. Das überakkumulierte
Geldkapital schlägt sich verstärkt in Betriebsmittelkrediten,
öffentlichen Krediten und privaten Konsumkrediten nieder. Schließlich
wird ein wachsender Umfang des gesamtwirtschaftlichen Geldkapitals zur
Spekulationskasse, wie Keynes es nennt. Mit der Anlage und Umschichtung
dieser Spekulationskasse in fiktives Kapital verselbständigt sich
die Kursbewegung der Papiere und schlägt sich durch Spekulation als
immense Wertentwicklung bei z.B. Derivaten nieder. Diese Werte entfernen
sich meilenweit von den fundamentalen Daten der Wirtschaftsentwicklung
und treiben in häufig sehr kurzer Zeit schwindelerregende Blüten
(soweit zu den von Dir erwähnten 20 %).
Der gesamte Vorgang lässt sich, wie gesagt, allgemein aus der Struktur des Kapitalismus ableiten. Er bildet die Grundlage für die Grundrichtung der Politik seit den 70er Jahren. Die politische Grundausrichtung seit dieser Zeit ist also nicht Ursache sondern selbst schon Ergebnis der ökonomischen Entwicklung. Da heißt allerdings nicht, dass die Politik ohne Einfluss auf den ökonomischen Prozess ist, im Gegenteil. Marx spricht in diesem Zusammenhang von der relativen Selbständigkeit des Staates. Die Politik kann diesen Prozess beschleunigen oder aber abbremsen, das hängt maßgeblich von den politischen Kräfteverhältnissen national und international ab. Dazu bedarf es allerdings einer genauen Analyse der konkret-historischen Umstände, unter denen Politik gemacht wird. Maßgebend für die politische Entwicklung nach dem 2.Weltkrieg waren in den kapitalistischen Staaten vor allem die USA, sowohl vor der Umbruchsituation der 70er Jahre als auch für die Zeit danach. Das gilt sowohl für die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik Außenpolitik u.s.w. Doch damit wären wir
bei einem neuen Kapitel.
Bis bald alles Gute wünscht
Peter.
6 23. Februar 2009 Lieber Peter, die Zahl der angesprochenen
Themenfelder, die unausdiskutiert worden sind zwischen uns, mehrt
sich. Rolle der politik, Verhältnis Stat-Kapital, Rolle
der USA zum Rest der Welt usw. - wir kommen noch dazu.
Immerhin sind die 863 bei Dir "angekommen". Du meinst, die Summe sei bekannt, sei zumindest bei den Informierten bekannt, bedacht, geistig verarbeitet. Dem widerspreche ich vehement. Wäre sie es, würde anders gesprochen und anders gehandelt, sowohl von Dir und den VSAlern als auch von der "Großen Politik" und den Medien. Die Zahl gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen, sie ist "elusive information". Der begriff, von meinem Kollegen Bröckers geprägt, bezeichnet Informationen, die einmal aufpoppen und danach in der versenkung verschwinden. So kann niemand außer derart notorischen Nachhakern wie mir behaupten, das sei nicht "gebracht" worden. Aber was die Tagesschau nicht dreimal zur besten Sendezeit an erster Stelle "bringt", ist keine nachricht, hat nie stattgefunden. Die medienkonsumenten sind schon so abgestumpft, dass sie die Wiederholung brauchen wie Schüler, die auch erst in stetiger Übung zu Meistern werden. Die Höhe, die Gesamtsumme des Problms ist also unbekannt. Weithin. Die Eliten wissen Bescheid. Mir sagte schon vor über einem Vierteljahr ein Banker der Deutschen Bank, ganze Staaten seien bankrott. Es geht eben nicht um Summen, die aus dem laufenden geschäftsbetrieb abgeschrieben werden können wie die unverkauften Brötchen beim Bäcker. Deshalb handelt es sich um ein POLITISCHES Problem, das politisch entstand und politischer Lösung bedarf. Schon allein deshalb ist dieser ökonomistische Erklärungsveruch als "beiprodukt" einer Überakkumulation völlig abwegig, allein wegen der Summe. Aber weitere Aspekte sind von Dir ebenflls nicht bedacht. Ich verweise auf den BEGINN dieser Derivate. Wir sind uns ja einig darüber, dass schon zu Marxens Zeiten "fiktives Kapital" generiert wurde. Aber weder diese Summen noch diese Art, noch diese Folgen. Die Situation ist einzigartig. Wäre sie es nicht, hätte der Dervatenhandel schon x-mal diese Situation entstehen lassen müssen. Oder erkläre mir das Spezifikum mit Deiner "Überakkumulation" und Begriffen wie "mehr". Die Erklärungsmuster greifen nicht, sie fassen die neue Lage nicht. Ich verdeutliche es noch
mal drastisch und unterstelle mal dazu Deine Theorie. Also:
die Entwicklung der Produktivkräfte ist vorangekommen,
die Kapitaleigner haben sich bereichert wie blöde, die Arbeitenden
haben keinesfalls m entstehenden Reichtum partizipiert . zugleich
nahm die Globalisierung rapide zu. Auch das Kapital samt fiktivem
Kapital wurde immer liquider, schwappte über den Globus.
Gab es 20% mehr Globalisierung?
Es gibt Qualitäten, die mit Umschlag aus Quantitäten eben nicht erklärbar sind. Andreas
5 21.Februar 2009 Lieber Andreas, ...
Banken insbesondere Investmentbanken über die Wupper gehen müssen. Hier hat der Staat die Aufgabe, regulierend einzugreifen, durch Stützung, Teilverstaatlichung, Übernahme vor allem bei denen, die eine wichtige soziale Funktion haben und wo auch Interessen von Sozialleistungsempfängern (bei Rentenfonds zum Beispiel)) im Spiel sind. Letztlich geht es darum, den Finanzsektor Schritt für Schritt abzuschmelzen, Vorschläge dazu habe ich in meinem Aufsatz einige gemacht. Das bedeutet vor allem auch,
das Problem der strukturellen Überakkumulation als zentrales
Problem des reifen Kapitalismus anzugehen, darüber müsste man
genauer diskutieren. Vielleicht so viel. Die strukturelle Überakkumulation
ist nicht irgendeine Krise des normalen Konjunkturzyklus, die sich dann
wieder abbaut, sondern das Strukturproblem des reifen Kapitalismus, das
die Grundlage für den Finanzkrieg darstellt. Zu diesem Strukturproblem
muss man, wenn man es verstehen will, aus meiner Sicht sehr genau die Marxsche
Theorie ( vor allem den 3.Band ) heranziehen. Es ist natürlich ein
Treppenwitz der Geschichte, dass Diejenigen, die politisch zur heutigen
Situation erheblich beigetragen haben, nun ein Strukturproblem, das
sie nicht verstehen, auf ihre Weise lösen wollen.
4 20.Februar 2009 Leber Peter,
zwei Selbstverständlichkeiten vorneweg: natürlich geht es mir nicht um Deinen Sprachstil. Das wäre ja noch schöner, denn ich bin z.B. mit meinen Tippfehlern fürchterlich angreifbar :-)) Und natürlich ist Eigentum gemeint, bei dem ollen Kalle und bei mir. Allerdings wusste ich nicht, dass er so laut BGB fein ziseliert. Jedenfalls geht es nicht um die Verfügungsgewalt von heute auf übermorgen, die durchaus im Bereich der derzeitigen Managerschelte liegt. Sondern um das letztendliche Verfügen, und das tun nur Eigentümer. ...
Weil die Zahl nicht
mehr zu begreifen ist, weil sie nicht ins Schema passt, weil sich
daraus neue Aspekte ausserhalb der bisherigen Denkschemata ergeben.
Und damit zum Eigentlichen zwischen mir und Dir. Die Rolle der Politik und ihrer Frontleute im Verhältnis zum Kapital. Ich sag es mal etwas verkürzt: wenn es einen Zirkel der 10 grössten Kapitalisten pro Land gäbe, zusammengefasst in einem internationalen Zirkel, die die Welt regieren, dann bräuchten sie eigentlich auch keine Politiker mehr. Und wir wären bei ECHTEN Verschwörungstheorien a la Bilderberg usw. Ja, Deine Zitate vom
ollen Kalle stimmen. Aber sie besagen doch nicht, dass das ideele
Gesamtinteresse 1:1 klar definiert und umgesetzt würde. Es sind Menschen
und Parteien, Situationen, Aussenpolitik, Katastrophen und x Unvorhersehbares,
was von Politikern in den Machtzentren einbezogen und entschieden
wird. Und in den USA wuchs nach dem Zusammenfall des Ostblock
das Bedürfnis, nun völlig den Ton anzugeben. Dabei waren
jedoch der in der Mitte der 90er beschlossene Euro sowie
das absehbare Aufkommen Chinas Störfaktoren.
Wie ist für das US-Kapital das Problem ohne Krieg zu lösen? So, wie es derzeit sichtbar ist. Ich will und kann Dir doch
in Sachen Umverteilung nicht widersprechen, und natürlich wird
diese im Zusammenhang mit der Finanzfixierung stehen.
nur ist das am Thema vorbei.
Es gehen STAATEN pleite. der Euro wackelt. Die riesigen verwerfungen,
die sich derzeit abzeichnen, deuten auf ein weit grösseres Szenario
als auf Überakkumulation, auf Umwelt- und Überproduktions-
dies und jenes-Krise.
Es herrscht Welt-Finanzkrieg.
Wann werden welche Forderungen wie fällig? Wie soll und kann
überhaupt abgeschrieben werden? darüber machen sich doch nicht
nur bürgerliche Ökonomn und Politiker Gedanken aus Jux
oder um noch mehr umzuverteilen, sondern weil es das objektive Problem
ist, aus den USA generiert im Wissen, dass das Mittel "verstaatlichung"
von unseren Machteliten wie die Pest angesehen wird. Und damit sind
sie udn wir Beute für das cash- in, das derzeit läuft und
den DOLLAR stärkt. So irrsiniig es ist, aber es funktioniert.
Deine Herangehensweise ist NICHT FALSCH. Hier kann man kaum irgendwo NEIN schreien. Nur entspricht sie in etwa der Situation, als ob die französische KP im Mai/Juni 1940 sich Gedanken gemacht hätte über eine Reichensteuer, während sich die Nazis anschickten, Frankreich zu besetzen. Vergleiche hinken, weiss
ich. Aber die derzeitige Situation ist beispiellos, das hat es noch nie
gegeben, also gibt es auch keine guten Bilder zumVvergleich.
3 20.Februar 2009 Lieber Andreas,
... Ich glaube, Du kannst
bei mir unterstellen, dass ich weiß, dass Politik durch Menschen
gemacht wird. Insoweit deutet das „Es“ nicht auf eine inhaltliche Schwäche
hin, sondern höchstens auf eine sprachliche. Ich hoffe, dass es Dir
nicht vor allem darum geht, Dich mit meinem Sprachstil auseinanderzusetzen.
Es geht allerdings darum, konkrete Figuren in der Wirtschaft und Politik
als Personifikationen von Kapitalverhältnissen zu begreifen, um mit
Marx zu sprechen. Diese Figuren unterliegen ganz bestimmten Zwängen
und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die sie zu bestimmten
Verhaltensweisen zwingen, ihr Verhalten geht also nicht auf Verschwörungen
und Komplotte zurück. Das habe ich gemeint, als ich von Verschwörungstheorien
sprach. Ich verstehe nicht, warum Du dich da angesprochen fühlst.
Das Werte aus Büchern abzuschreiben sind, das ist fürwahr eine
Tatsache. Wenn Du den Aufsatz genau gelesen hättest, würdest
Du feststellen, dass das für mich ein zentraler Punkt der weiteren
Entwicklung ist. Dabei geht es jedoch auch um die Verteilung von Einkommen
und Vermögen, denn die Entwicklung von Einkommen und Vermögen
seit den 70er Jahren hat erheblich dazu beigetragen, dass anlagesuchendes
Kapital in den Finanzsektor und die Spekulation floss. Auf das Problem
haben sowohl Marx als auch Keynes deutlich hingewiesen. Schau vielleicht
mal im 3.Band des „Kapital“ nach. Wer eine solche Entwicklung verhindern
will, muss auch hier den Hebel ansetzen. Wenn die Verteilungsverhältnisse
das Spiegelbild der Produktionsverhältnisse sind, dann geht es letztlich
um ihre grundlegende Veränderung. Und zwar geht es um das Eigentum
an den Produktionsmitteln und nicht, wie Du meinst, um den Besitz. Wenn
Du wirklich ins „Kapital“ geschaut hättest, würdest Du sehen,
dass Marx immer vom Eigentum und nicht vom Besitz der Produktionsmittel
spricht, denn da liegt ein wesentlicher Unterschied. Schau Dir vielleicht
einfach mal das Stichwortverzeichnis der 3 Bände an.
...
2 19.Februar 2009
durch den Text zieht sich das "ES als Subjekt nahezu aller Sätze. Dieser formale Hinweis deutet auf den inhaltlichen Schwachpunkt: Politik incl. Wirtschafts- und Finanzpolitik, wird von Menschen gemacht, und zwar mit Zielen. Diesen simplen Fakt zu betonen
ist nicht nur nicht unmarxistisch, sondern - da real, greifbar,
nachweisbar, Fkt - schlicht wissenschaftlich und damit marxidtisch. Ebenso
wie es FAKT ist, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
die Summe der Derivate auf 863 Billionen Dollar bezifferte. Daran
ist nichts Verschörungtheoretisches, es ist die Benennung des
Fakts von unglaublich viel fiktivem Kapital. Fiktives Kapital gilt
es jedoch nicht umzuverteilen, sondern aus den Büchern abzuschreiben,
bevor diverse Unternehmen pleite gehen.
Und zudem geht es nicht
zuvörderst um Umverteilung von Einkommen in dieser Lage,
sondern um BESITZ. Um Eigentumsverhältnisse an Banken und Grossindustrie.
Marxistisch ist es noch nie gewesen, den Kapitalisten und ihren Managern
Höchstgehälter zu verordnen. Es geht um BESITZ von
Produktionsmitteln. Ich dachte, das sei im Kapital mehr als
ein oder zwei Mal zu lesen gewesen.
Es kömmt darauf an,
sie zu verändern.
Beste Grüsse Andreas
1 19.Februar 2009 DR.PETER BEHNEN
DIE WIRTSCHAFTS-UND FINANZKRISE - EINE POLITÖKONOMISCHE BETRACHTUNG. Die globale Finanzkrise wird seit Monaten durch einen Zusammenbruch von Banken, Versicherungen, Fonds etc. gekennzeichnet. Eine Vielzahl von Immobilien und Finanzprodukten musste drastische Wertverluste hinnehmen. Inzwischen ist die Finanzkrise auf die reale Wirtschaft (Industrieunternehmen, Handelsunternehmen, nicht-finanzielle Dienstleistungen) durchgeschlagen. Der Konjunkturabschwung, der schon seit Ende 2007 im Gange ist, wird durch den Zusammenbruch von Finanzinstituten massiv verstärkt, Kurzarbeit und Entlassungen in Unternehmen der Industrie, des Handels- und Dienstleistungsbereichs greifen um sich. Die Arbeitslosenziffern schnellen in die Höhe, in der Bundesrepublik zum Beispiel ist bis Ende 2009 mit einer Arbeitslosenzahl von 4,5 Millionen registrierten Arbeitslosen zu rechnen. Die etablierte Politik wurde durch die Entwicklung völlig überrascht. Noch vor ein paar Monaten feierten verschiedene Politiker den angeblichen „ Jahrhundertaufschwung“ und die „ Erfolge“ der Agenda-Politik. Inzwischen sind viele dieser Akteure damit beschäftigt, durch groß angelegte Stabilisierungsmaßnahmen, Konjunkturprogramme und Finanzhilfen, den weiteren Zusammenbruch von Finanzinstituten zu verhindern und die scharfe wirtschaftliche Rezession zu bekämpfen. Die Erklärung der Krise durch die herrschende Politik beschränkt sich in der Regel darauf, die Gier von Managern und die verantwortungslose Geschäftspolitik von Banken für die Situation verantwortlich zu machen. Auch auf Seiten von Linken hört man vereinzelt eine personalistische Sicht der Dinge, zum Beispiel, Verschwörungen des internationalen Kapitals oder des US-Kapitals hätten bei der aktuellen Krise mitgewirkt. Die Ratlosigkeit in der Bevölkerung der Bundesrepublik ist groß, laut einer Allensbach-Untersuchung wissen sich über 70% der Bevölkerung keinen Reim auf die Ursachen und Perspektiven der Entwicklung zu machen. Es ist insoweit eine wichtige Aufgabe von kritischen Gewerkschaftern und der politischen Linken, sich selbst über die tiefer liegenden Ursachen der Krise zu verständigen, Erklärungs- und Lösungsvorschläge der Bevölkerung vorzustellen und Alternativen zur herrschenden Politik voranzubringen. Die tiefer liegenden Ursachen der Krise.(1) Es wäre zu kurz gedacht,
die augenblickliche Krise allein auf die neoliberale Politik der letzten
Jahrzehnte zurückzuführen. Der Neoliberalismus muss selbst noch
als politische Reaktion auf zugrunde liegende ökonomisch-strukturelle
Prozesse des Kapitalismus verstanden werden. Diese
(1) Siehe zu den folgenden
Ausführungen insbesondere: Bischoff, Krüger, Zinn: Finanzkrise,
Überakkumulation und die Rückkehr des Staates, Hamburg 2008,
S.19-39.
Prozesse sind seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts im Gange und wurden als strukturelle Überakkumulation des Kapitalismus gekennzeichnet. Es handelt sich aus dieser Sicht bei der aktuellen Krise nicht um ein zufälliges Ereignis, sondern um eine Systemkrise des reifen Kapitalismus. Vorboten dieser Systemkrise waren schon vor der Weltwirtschaftskrise 1974 / 75 sichtbar. Die Wachstumsentwicklung des Bruttoinlandsprodukts wurde unregelmäßiger und schwächte ab, Finanzen wurden verstärkt auf so genannten Xeno-Finanzmärkten angelegt und es entwickelte sich eine für die Nachkriegszeit ungewöhnlich hohe staatliche Verschuldung. Außerdem kam es zu Verschiebungen auf den Weltmärkten zu Lasten der USA und zu Gunsten Westeuropas und Japans. Diese Entwicklung brachte damals das Festkurssystem von Bretton-Woods zum Einsturz. Die Weltwirtschaftskrise 1974 / 75 wurde von kritischen Ökonomen auf dieser Basis als Übergang in eine strukturelle Überakkumulation interpretiert, das heißt als eine Situation, in der das beschleunigte Wachstum der Nachkriegszeit beendet war, brachliegendes Kapital nach neuen Anlagemöglichkeiten suchte und im Finanzsektor angelegt wurde und wird. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Entwicklungstendenz des Kapitalismus, die sich aus der Marxschen ökonomischen Theorie aber auch, mit einer anderen Argumentation, aus dem System von Keynes ableiten lässt. Mit dem Ende des beschleunigten Wachstums des realen Sektors kam es zu einer langfristigen überproportionalen Entwicklung der verschiedenen Anlageformen des Finanzkapitals. Mit der Reife des Kapitalismus wuchs zuerst die Masse der umlaufenden Wertpapiere und belastete mit ihren Ansprüchen aus Dividenden und Zinsen die gesellschaftliche Wertschöpfung. Der Handel mit diesen Wertpapieren beherrschte bald die Situation an den Börsen, die Zinsentwicklung nahm einen relativ selbstständigen Verlauf gegenüber dem realen Sektor der Wirtschaft und es kam zu gefährlichen Rückwirkungen auf den realen Sektor. Für den realen Sektor bedeutete das nämlich, dass ein Teil des Kapitals aus dem realen Sektor wegen der Zinsentwicklung nicht im eigenen Geschäft sondern auf den Finanzmärkten angelegt wurde. Auch die Ersparnisse privater Haushalte und Gelder aus dem Banksystem landeten verstärkt im Finanzanlagen und Spekulationsobjekten (Investmentgeschäfte). Darüber hinaus bekamen auch die öffentlichen Haushalte die strukturelle Überakkumulation zu spüren, indem die Lücke zwischen staatlichen Einnahmen und Ausgaben durch einen verstärkten Aufbau der staatlichen Verschuldung geschlossen wurde. Das Gleiche gilt für viele private Haushalte, die durch Konsumkredite und Hypothekenkredite ihr Lebensniveau zu halten versuchten. Alles zusammen genommen erhielt
der Finanzsektor eine besonderen Dynamik und verselbständigte sich
gegenüber dem realen Sektor der Wirtschaft. Hatte er vorher eine „
dienende“ Funktion so wurde er nun hegemonial gegenüber dem realen
Sektor. Durch die Rückwirkung der überdimensionalen Verwertungsansprüche
der Finanzanlagen wurde der reale Sektor weiter geschwächt und seine
Krisenentwicklung massiv verstärkt.
Die wirtschaftspolitische Reaktion der etablierten Politik. Es wurde die ökonomische Strukturentwicklung umrissen, auf der die Wirtschafts- und Finanzpolitik seit den 70er Jahren zu interpretieren ist. Es hat sich gezeigt, dass schon die Weltwirtschaftskrise 1974/ 75 die damalige Politik völlig unvorbereitet traf und die herrschende Politik bis heute nicht erkannt hat, dass in dieser Zeit ein grundlegender Umbruch in den kapitalistischen Gesellschaften statt fand und ein wichtiger Knotenpunkt für die weitere Entwicklung gegeben war. Die politische Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise 1974/ 75 war zunächst die gleiche, die sich in der Nachkriegszeit herausgebildet hatte. Die herrschende Politik versuchte damals, die staatliche Nachfrage und die Haushaltseinkommen zu stabilisieren und setzte dabei die staatliche Verschuldung ein. Es wurde nicht erkannt, dass diese Maßnahmen zwar wirksam sind zur Abwehr konjunktureller Krisen und einen kurzfristigen Anschub geben können, dass aber inzwischen eine strukturelle Veränderung des Kapitalismus im Gange war, die viel tiefere Eingriffe in die Wirtschaftsordnung erfordert hätte, unter anderen auch Maßnahmen der Investitionslenkung und eine stärkere Regulierung des Finanzwesens. Eine neue Investitionskonjunktur war mit den traditionellen Mitteln kaum erreichbar. Es kam hinzu, dass auch die Inflationsrate in die Höhe sprang, so dass eine Investitionsblockade und eine Inflationsentwicklung zusammen trafen (Stagflation). Für die herrschende
Politik war jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass sie die Bekämpfung
der Inflation zu ihrem Credo erhob. Es wurde versucht, durch Kostensenkungen
und Steuerbegünstigung bei Unternehmen, Sparpolitik bei öffentlichen
Haushalten, vor allem im sozialen Bereich, und eine strikte Geldmengenpolitik
bei den Zentralbanken zur Lösung der ökonomischen Probleme zu
kommen. Diese neue Linie in der Wirtschaftspolitik war in den 80er Jahren
eng mit den Namen Reagan und Thatcher verbunden und griff auch auf andere
kapitalistische Länder über. Die starke Deregulierung des Wirtschaftslebens
allgemein und im Finanzwesen im Besonderen wurde zum Standard der herrschenden
Politik. In dieser Phase der strukturellen Überakkumulation kam es
zum Ausbau der so genannten Xeno-Finanzmärkte und zur Entwicklung
der Verschuldungskrisen in Polen, Argentinien und Mexiko und, was noch
wichtiger ist, die USA begannen Schritt für Schritt zum größten
Schuldner auf der internationalen Ebene zu werden. Es gelang den USA lange
Zeit, durch Zins- und Wechselkursdifferenzen die Defizite im Staatshaushalt
und der Leistungsbilanz durch Kapitalimporte zu finanzieren. Es wurde damit
schon in den 80er Jahren die Grundlage für einen überdimensionierten
Finanzsektor gelegt, wobei die Interessen der Geldvermögensbesitzer
der produktiven wertschöpfenden Arbeit im realen Sektor übergeordnet
wurden. Es wurde die Verselbständigung der Finanzsphäre auf die
Spitze getrieben und der reale Sektor in vielfältiger Weise den Renditevorgaben
der Finanzanleger (Fonds, Vermögensgesellschaften) ausgeliefert. Das
zwang Unternehmensleitungen dazu, massive Kostensenkungen zu betreiben
und ihre Unternehmenspolitik an den kurzfristigen Finanzmarktzielen ( Sonderausschüttungen
bei Dividenden, bör
senkursorientierte Unternehmenspolitik)
zu orientieren. Die gesellschaftlichen Verteilungsverhältnisse veränderten
sich auf dieser Basis zu Ungunsten der Arbeitnehmer und, weil der Staat
einen Abbau von Sozialleistungen betrieb, auch zu Ungunsten von Sozialleistungsempfängern.
Zu dieser Entwicklung passte, dass die umlagefinanzierten Sozialversicherungen
durch kapitalgedeckte Versicherungssysteme untergraben wurden.
erpolitik begegnet werden, die allerdings von der herrschenden Politik wegen ihrer Klientelorientierung nicht zu erwarten ist. Alternative Krisenpolitik und zukünftige Perspektiven. Die herrschende Krisenpolitik
ist nach langem Zögern dazu übergegangen, durch mehr oder weniger
große Finanzspritzen und Bürgschaftserklärungen bestimmte
Finanzinstitute vor dem Kollaps zu bewahren. Auch eine vorübergehende
staatliche Übernahme von Instituten wird nicht mehr ausgeschlossen.
Dafür soll in der Bundesrepublik ein „ Rettungsübernahmegesetz“
sorgen. Zur Bekämpfung der Rezession wurden Konjunkturprogramme aufgelegt.
Auf internationaler Ebene wurde auf einem Finanzgipfel der G 20 in Washington
beschlossen, die Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern. Näheres
soll im April 2009 verabschiedet werden. Insgesamt muss allerdings festgestellt
werden, dass die herrschende Krisenpolitik eher halbherzig agiert, häufig
ihre Programme viel zu gering dimensioniert, im Finanzwesen keine grundlegenden
Veränderungen vornimmt und offensichtlich hofft, die Politik der letzten
Jahrzehnte nach einer kurzen Schwächeperiode fortführen zu können,
obwohl sich der Neoliberalismus als unfähig erwiesen hat, eine Perspektive
für die Zukunft zu bieten.
nanztransaktionssteuern,
die Trockenlegung von Steueroasen und eine Verstärkung der Kompetenzen
von Aufsichtsbehörden dienen. Diese Auf
|
vgl. zu diesem Thema auch
auf MAI:
863
Billionen $
Linke
und Verstaatlichung
Vorbereitung
Weltfinanzkrieg/Finanzdesaster2008
sowie die Veröffentlichungen
der Volksinitiative
vgl. dazu die von Dr. Peter Behnen empfohlenen Publikationen v:
Jörg Huffschmid, Politische Ökonomie der Finanzmärkte Hamburg 2002
Joachim Bischoff, Globale Finanzkrise, Hamburg 2008
Bischoff, Krüger, Zinn: Finanzkrise, Überakkumulation
und die Rückkehr des Staates Hamburg 2008.
(c) Andreas Hauß,
Februar 2009
http://www.medienanalyse-international.de/ueberblick.html
Im Übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.