Überakkumulation oder Weltfinanzkrieg?
Die URL dieser Datei ist:

http://www.medienanalyse-international.de/ueberakkumulation_oder_weltfinanzkrieg.html
 
 

Eine Diskussion zwischen Dr. Peter Behnen und Andreas Hauß, per email geführt, rund um die Bewertung des Finanzdesasters.
Leicht editierte Fassung - zunächst war diese  Auseinandersetzung nicht als eine öffentliche gedacht. Beide Autoren  veröffentlichen ihre Ansichten aber jetzt, weil  sie der Ansicht sind, dass es einer öffentlichen Diskussion vor allem innerhalb der Linken, aber  auch  in allen gesellschaftlichen Bereichen auf fundierter Grundlage bedarf.
 
 

Dr.Peter Behnen 

geb.1947
Berufsschullehrer 
Mitglied der GEW
Mitglied Partei Die Linke 

Veröffentlichungen: Verschieden Bücher 
und Zeitschriftenaufsätze zur 
Wirtschafts- und Finanzpolitik

Siehe u. a. Zeitschrift Bildung 
und Wissenschaft GEW BaWü
oder
www.gew-bw.de 
www.dielinke-freiburg.de
 

Andreas Hauß

geb. 1955
Historiker und Germanist
Autor und Publizist
Mitbegründer der WASG
und derzeit parteilos

 
 
 
 

Die Artikel sind von unten nach oben zu lesen, also beginnend bei 1, dem  Ursprungsartikel Behnens. 

[N.Kaymak]


13
10.März 2009

Lieber Andreas,

 Du hast Recht, einer muss der Letzte sein. Wir werden die Diskussion hier abbrechen, um sie im Sommer, zur Zeit des Wahlkampfes, weiterzuführen. Du hast neulich gesagt, dass der Linken häufig eine Diskussionskultur fehle. Du hast darauf hingewiesen, eine Diskussion solle sachlich, informativ und abwägend sein. Dieser Aussage kann ich mich  anschließen und dabei feststellen, dass diese Merkmale, aus meiner Sicht, auf unsere Diskussion voll zugetroffen haben. Ich wünsche mir, wenn wir die Diskussion im Sommer wieder aufnehmen, dass sie dann auch weiter in dieser Weise verläuft. Ferner wünsche ich mir, dass Diskussionen der Linken in Zukunft innerhalb der eigenen Organisation aber auch mit anderen fortschrittlichen Organisationen und einzelnen Personen  mit den gleichen Etiketten versehen werden können. 
 

Es grüßt Dich bis dann 

Peter.
 
 

[Die Autoren sind übereingekommen, mit der Diskusion  erst im Sommer weiter fortzufahren. Dann  lassen wir die Krise  mal einige Monate unkommentiert wirken. Was  der Krise nicht schadet oder nutzt ...

MAI2.eu meldet sich natürlich weiterhin zu Wort.]


12

Lieber Peter,

dass wir  von zwei  getrennten Ebenen des Weltgeschehens sprechen, darin stimme ich Dir zu, voll und ganz, es ist mein Reden.
Historisch und logisch, strukturell und technisch haben die Derivatgeschäfte mit dem Bankwesen der Jahrhunderte zuvor nahezu nichts zu tun. Auch wen die Geschäfte an Bankschaltern abgewickelt wurden, auch wenn der vorgeblich seriöse Schein  der Welt der Bankiers die Angelegenheit in ein mildes Licht tauchen sollte. Auch wenn korrekt ist , wie Du schreibst:
"Es handelt sich ja um Papiere, denen ursprünglich Termingeschäfte zur Risikoabsicherung zu Grunde lagen.
So wie dem vietnamkrieg der Wunsch der USA zu Grunde lag,  nicht vom Ostblock übernommen zu werden, also den Kommunismus einzudämmen. Oder dem Irakkrieg, nicht von Husseins Massenvernichtungswaffen bedroht zu sein. Ganz ohne Ironie: das ist nun wirklich nicht zu leugnen! Aber deutlich wird doch, dass der historische Beginn, die technische Ursache, die  strukturelle Begründung usw.  eines Sachverhalts nicht das WESEN desselben charakterisieren muss. Und dass das Wesen evtl. sogar durch  die Vortäuschung von Motiven - und nicht nur edlen - verdeckt werden kann. So  läßt sich beispielsweise  eine irrsinnige  Darstellung dadurch glaubhaft machen, dass  man Folter unterstellt. Oder die Gier verantwortungsloser Bankiers im Mittleren westen im Verbund mit "über seine Verhältnisse leben" von  US-Häuslebauern. Das wird uns ernsthaft  als Ursache der Krise verkauft. 
 

Im 24. Kapitel von Band I des »Kapital« schreibt Karl Marx am  Ende des sechsten Abschnitts »Genesis des industriellen  Kapitalisten« - zum siebenten über die »Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation« übergehend - den Satz: »Wenn  das Geld, nach Augier, >mit natürlichen Blutflecken auf einer  Backe zur Welt kommt< (Du Credit Public, Paris 1842), so das Kapital von Kopf bis Fuß, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend.« Dieser Feststellung fügt er aus der Zeitschrift Quarterly Reviewer aus einem Artikel von P.J. Dunning über Trade Unions die folgende Fußnote hinzu: 

»Kapital flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor  Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert,  selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und  Sklavenhandel.« 

Soweit Marx zum REALEN Kapital. 
Wenn schon Leute wie Oettinger (Oettinger: Bankvorstände vor Gericht) , gewiss auch aus Effekthascherei und anderen Gründen, vom Staatsanwalt sprechen, dann sind also  sowohl Marx als auch  Teile  unseres Staatsapparats darin einig, dass es sich bei Kapitalbewegungen  nicht immer nur um legale   Aktivitäten handelt. Natürlich werden Gerichte dies feststellen müssen - dafür müssen aber die Staatsanwaltschaften eben erst in Schwung kommen, und um das zu bewerkstellgen, scheint politischer Druck nötig zu sein, der von der Fraktion des Kapitalverbrechens längst gegenpolar ausgeübt wird in der derzeit leider noch berechtigten  Hoffnung, nie belangt zu werden.

Konkret. Haben wir  "normale" kapitalbewegungen vor uns  in der jetzigen Krise, oder  handelt es sich um etwas Extraordinäres? 

Du schreibst:
"Ein Teil dieses Kapitals gerät auf „ die Bahn der Abenteurer.“ oder nach den Worten von Keynes in die Spekulationskasse. Dass es überhaupt zu der Überreichlichkeit des Kapitals im realen Sektor und zum Abfluss in den Finanzsektor..."
oder auch:
"...verstärkt um überschüssiges Kapital..."

Und das Sahnehäubchen an Schwammigkeit:
"Erst im Laufe der Zeit trat bei ihnen das Spekulationsmotiv in den Vordergrund. Das Finanzwesen mit seinen ungeheuren Kreditschöpfungsmöglichkeiten sorgte schließlich dafür, dass die Spekulation übermächtig wurde und die Umsätze des Finanzsektors sich nicht nur verselbständigten  sondern in einen direkten Gegensatz zum realen Sektor traten."

Jedoch geht es bei 863 Billionen $ nicht um
Teil dieses Kapitals noch um
Überreichlichkeit noch um
überschüssiges Kapital.

863 Billionen sind nicht TEIL  des Kapitals. Sie können es nicht sein, das Welt BIP  bewegt sich um 50-60 Billionen. Wenn ich Geld übrig habe und Lotto spiele, wenn ein Mittelständler   nach Ascot zur Pferdewette  schreitet oder  ein Merkle, eine Scheffler oder ein anonymer  Hedgefondsverwalter Milliarden  in riskante oder gar total spekulative Geschäfte einsetzt - das ist REALE Welt. Normales kapitalgeschehen, das  schon  bei simplem Einkauf von Biosprit  durch die Verknappung  des Nahrungsmittels Mais verbrecherisch mit Todesfolgen sein kann. So wie  vor 150 Jahren die corn laws mit der Folge von Millionen Hungertoten in Indien.

Das Lottogeld, die Pferdewette, das Milliardengeschäft xy folgen dem Energieerhaltungssatz. Sie wehseln die Form, gehen jedoch nicht verloren. Es ist überschüssig, vagabundiert, es wurde auch immer mehr in den Zeiten  erhöhter Produktivkräfte durch Computerisierung und Globalisierung. Das ist TEIL der von Marx beschriebenen Welt, teil des Welt-BIP.

Die 863 Billionen  haben nahezu nichts damit zu tun - während Du behauptest: Das Finanzwesen ...  sorgte schließlich dafür, dass die Spekulation übermächtig wurde und die Umsätze des Finanzsektors sich nicht nur verselbständigten  sondern in einen direkten Gegensatz zum realen Sektor traten."

Nicht ein Anonymus Finanzsektor war aktiv, da hat sich kein ES "verselbständigt" und es wurden keine ungeheuren Kreditschöpfungsmöglichkeiten bemüht. Sondern mit krimineller Energie haben ganz konkrete wenige  Leute ein mafia-Betrugkartell  gebildet und heisse Luft verkauft, diese per  gekaufter Ratingagenturen zertifizieren lassen ud mittels Staatsunterstützung weltweit vertrieben. Der Stat heisst USA,  die Zinspolitik Greenspans, die Aktivitäten der anderen Akteure waren fein aufeinander abgestimmt. Reales Kapital floss bisher im Verhältnis zur ungeheuren Phantastillardensumme wenig. Jetzt erst unterfüttert es  die bisher nur als  Nullen und Einsen existierenden Zahlen. Das Cash-in realer Werte ist ein andauernder Prozess, in dem Firmen, Aktien, Banken un Beteiligungen, aber auch ganze Märkte und sogar Staaten übernommen oder als Konkurrenten aus dem Weg geräumt werden. Jetzt, vor unseren Augen. 

Wir kommen zum Punkt, zu Deiner Frage:
"... aus marxistischer Sicht, keine theoretische Grundlage, um die Entwicklung als systemimmanente darzustellen und als Systemkrise zu begreifen. Zugespitzt muss ich Dich... deswegen fragen, wo eigentlich Deine theoretische Grundlage ist, die es Dir erlaubt, die Finanzkrise als allgemeine Systemkrise zu begreifen und nicht als historisch zufällig."

Wenn ich diese Einlassung richtig verstehe, nimmst Du die Antwort auf Deine Frage  gleich vorweg: eine Systemkrise müsse begriffen werden.
Auf die  logischen und philosophischen  Aspekte  derartiger Fragestellungen gehe ich nicht ein. 

Dass Derivate im  alten Rom und in einer sozialistischen Gesellschaft  nicht existent sein können, insofern per se systemimmanent dem Kapitalismus zugeeignet werden dürfen, versteht sich ebenfalls  von selbst. Nur baust Du einen falschen Gegensatz auf: Systemimmanenz zur Zufälligkeit. So als könne  nicht im Kapitalismus die Geschichte diese oder jene Wendung nehmen, der Politiker X so und der Y wiederum so entscheiden, ein Krieg so oder so ausgehen usw.

Hedgefonds gab es zu Kohls Zeiten nicht - da mussten erst  Rotzgrüne kommen und sowas  in deutschland einführen.  Gleiches gilt für Deutsche kriegsbeteiligungen. Historisch zufällig  sind diese Entscheidungen insofern, als dass Deutschland und sein System  durch andere Entscheidungen wahrlich nicht  ins Wanken geraten wären. Zufall im engeren Sinne waren die Weichenstellunngen gewiss nicht - aber  wirklich nicht  aus T` oder dem vierten Band des Kapitals erklärlich.

Einig sind wir, und das sogar  in der Diktion Münteferings, dass  wir das haus löschen müssen, egal ob es durch Gangster oder einen Kurzschluss in Brand geriet. Und  da endet schon die gemeinsamkeit mit Münte in der Wahl der Mittel: da habn wir beide wohl denselben Ansatz. Die Hütte brennt jedenfalls, es   geht nicht um Wärme im Mikrowellenherd.

In diesem Sine bis zum Sommer - dann auf  ein neues.

Andreas
 


11
5.3.2009

Lieber Andreas, 
 

wir müssen darauf achten, dass wir nicht auf ganz verschiedenen Ebenen argumentieren und damit aneinander vorbei reden. Ich beginne deswegen mit dem Zitat, dass Du in der letzten Mail an den Anfang gestellt hast.
 

„ Aber der Umschwung aus erarbeitetem Kapital mit realer Grundlage, akkumuliert in falschen Händen, zu diesen Phantastillarden, den hast Du nicht erklärt, sondern einfach nur behauptet.“ 
 

Eine direkte Erklärung, so wie es das Zitat nahe legt, ist auch gar nicht möglich, weil einfach verschiedene Vermittlungsglieder übersprungen und ganz unterschiedliche Ebenen angesprochen werden. Ich habe deswegen, aus gutem Grund, auf den Unterschied von allgemeiner Strukturanalyse und einer konkreten Betrachtung eines Stücks Zeitgeschichte hingewiesen. Auf der Ebene der allgemeinen Analyse ist begründbar, wie es von der beschleunigten Akkumulation des realen Sektors zur strukturellen Überakkumulation kommt. Weiter ist begründbar, dass, wenn die strukturelle Überakkumulation im realen Sektor eingetreten ist, eine Überreichlichkeit des Kapitals, wie Marx es nennt, entsteht, die verstärkt in die Geldakkumulation abfließt. Ein Teil dieses Kapitals gerät auf „ die Bahn der Abenteurer.“ oder nach den Worten von Keynes in die Spekulationskasse. Dass es überhaupt zu der Überreichlichkeit des Kapitals im realen Sektor und zum Abfluss in den Finanzsektor kommt, lässt sich auf der allgemeinen Ebene durch die Darstellung der organischen Entwicklung des Kapitals, den Fall der Profitrate und die fehlende Kompensation durch die Entwicklung der Profitmasse erklären. Außerdem kann die Konkurrenz der Kapitalisten allgemein als die Bewegung dargestellt werden, durch die die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus sich durch das Agieren der Kapitalisten durchsetzen. Oberhalb dieser Ebene  kommt erst, im Rahmen einer marxistischen Analyse, die Analyse eines konkreten Stücks Zeitgeschichte ins Spiel. Dazu gehört auch die Darstellung, in welcher Weise bis heute das Bank -und Finanzsystem ausgestaltet wurde, welche neuen Finanzprodukte entwickelt wurden und wie die Finanzinstitute seit den 70er Jahren verstärkt um überschüssiges Kapital konkurrieren. In diesem Zusammenhang erst ist die Betrachtung der Derivatsentwicklung sinnvoll. Es handelt sich ja um Papiere, denen ursprünglich Termingeschäfte zur Risikoabsicherung zu Grunde lagen. Erst im Laufe der Zeit trat bei ihnen das Spekulationsmotiv in den Vordergrund. Das Finanzwesen mit seinen ungeheuren Kreditschöpfungsmöglichkeiten sorgte schließlich dafür, dass die Spekulation übermächtig wurde und die Umsätze des Finanzsektors sich nicht nur verselbständigten  sondern in einen direkten Gegensatz zum realen Sektor traten. Erst an diesem Punkt, also nach einer ganzen Reihe von Vermittlungsgliedern, kommt die Ebene ins Spiel, die Du dauernd ansprichst, die Ebene der „ Phantastillarden.“  Es handelt sich um die Ebene an der Oberfläche der Gesellschaft, auf der die Spekulation auf die Spitze getrieben und eine Spekulationsblase durch das Handeln der Finanzakteure entsteht. Hier lässt sich nur durch 

Hier lässt sich nur durch eine konkrete Analyse näher bestimmen, durch welche Ausgestaltung des Finanzsystems die Spekulationsblase genau ermöglicht wurde, wo und wann sie eintreten musste und in welcher Weise sie auf andere Sektoren und Länder übertragen wurde. Außerdem lässt sich nur hier ermitteln, wie sich  die Börsen  Schritt für Schritt von Primärmärkten zu Sekundärmärkten und schließlich zu Wettbüros entwickelten. Schon der alte Börsenguru Kostolany hatte ja schon vor Jahren beklagt, dass Zocker inzwischen das Börsengeschehen beherrschen.. 

Zusammengefasst heißt das, dass  eine ganze Anzahl von Strukturelementen und Vermittlungsschritten im Kapitalismus klar sein müssen, wenn die Oberflächenstruktur in den kapitalistischen Staaten einschließlich des Derivatenhandels analysiert werden soll. Wenn die Ursachen der augenblicklichen Entwicklung korrekt eingeschätzt werden und grundlegende Lösungsvorschläge entwickelt werden sollen, muss dieser Weg gegangen werden. Wenn man diesen Weg nicht geht, bleibt man notwendigerweise bei einer Oberflächenbetrachtung stehen und hat, aus marxistischer Sicht, keine theoretische Grundlage, um die Entwicklung als systemimmanente darzustellen und als Systemkrise zu begreifen. Zugespitzt muss ich Dich, lieber Andreas, deswegen fragen, wo eigentlich Deine theoretische Grundlage ist, die es Dir erlaubt, die Finanzkrise als allgemeine Systemkrise zu begreifen und nicht als historisch zufällig. 

Es muss, darauf habe ich hingewiesen, weltweit Abschreibungen von Forderungen im großen Stil erfolgen. Eine Vielzahl von Banken wird das nicht überleben bzw. haben das schon nicht überlebt, eine Vielzahl von Banken muss verstaatlicht werden oder sozial verträglich aufgelöst werden. Ob das das Weltfinanzsystem in seiner jetzigen Struktur überlebt, da bin ich sicher, dass das nicht möglich ist. Auf die katastrophalen Rückwirkungen auf den realen Sektor sind die bürgerlichen Regierungen im Grunde nicht vorbereitet. Wir werden sehen, welche Weichenstellungen im April in London vorgenommen werden? Ich vermute, sie werden vorne und hinten nicht ausreichen, um eine Stabilisierung im Finanzsektor zu erreichen.

 Zum Schluss noch kurz etwas zu kriminellen Machenschaften und zur Personalisierung der Probleme. Wer oder was formaljuristisch bei uns als  kriminell eingestuft wird, entscheiden nicht wir, sondern Gerichte auf Basis des STGB. Auf wen das augenblicklich zutrifft, dazu fehlt mir die Übersicht. Das Problem ist nur,  dass die Zockerei an den Börsen meistens legal auf der Basis von neuen Finanzmarktgesetzen erfolgt ist, insoweit durch die etablierte Politik und Gerichte nicht als kriminell angesehen werden. Der Verweis auf die Kriminalität des Handelns würde auch für die Linke viel zu kurz gegriffen sein, zumindest dann, wenn man grundlegende Lösungsvorschläge machen will. Dass Marx auch im „Kapital“ personalisiert hat ist sicher richtig, die Frage ist nur, wie das zu interpretieren ist. Aus meiner Sicht handelt es sich bei diesen Textstellen 

nur um Illustrationen, die für die Darstellung der allgemeinen Struktur des Kapitalismus keine notwendige Bedeutung haben. 

Es gilt weiter das, was ich im letzten Brief ausgeführt habe, dass Kapitalisten von Marx als Personifikation von Kapitalverhältnissen dargestellt werden und dabei bewusst/ unbewußt handeln und gesamtwirtschaftlich durch ihr einzelwirtschaftliches Handeln die grundlegenden Probleme erzeugen. Das gilt unabhängig von der konkreten Person des Kapitalisten. 

Es grüßt Dich Peter.


10
Lieber Peter.

ausnahmsweise zitiere ich mich mal selbst:
"Aber der Umschwung aus   erarbeitetem Kapital mit realer Grundlage, akkumuliert in falschen Händen, zu  diesen Phantastillarden, den hast  Du nicht erklärt, sondern einfach nur  behauptet. "
Darauf gehts Du ein wie folgt:
"Zu den Daten gehören das Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosigkeit, das Verhältnis von realem und Finanzsektor, das Verhältnis von  Profitraten und Zinsraten, die Rückwirkung des Finanzsektors auf die reale Wirtschaft etc.etc. Du hast natürlich Recht, dass man diesen Umbruch auch erklären muss."

Das sind völlig unterschiedliche Vorgänge. Unterschiedliche "Umschlagsvorgänge", unterschiedliche  Wirkungen und Rückwirkungen. Einfach: andees Thema! Dein Thema  mag man mit oder ohne  den 3.Band erklären oder auch nicht,  hier jedenfalls  allein schon wegen  der Sinnhaftigkeit nicht. Aber  die Phantastilliarden, die derzeit  die krise ausmachen,  sin nicht Resultat erhöhter Zinsraten,  beschleunigter Produktivität, brutalerer Ausbeutung  usw. - völlig unabhängig davon, ob es diese  Aspekte nicht auch gibt. Die 863 Billionen $ sind nicht Extraprofit, sind nicht Kapital, das nach Anlagemöglichkeit sucht. Nichts von alledem. Sie sind in Menge und Qualität völlig abgesetzt von den Bruttoinlandsprodukten aller Staaten dieser E rde, die als Zahlenwerte bekanntlich in vielfacher Weise völig anders  erfasst werden und in der Summe nicht einmal  ein zehntel der Phantastillarden ausmachen. 

Es gibt zwischen einer Finanzwirtschaft, die Kapital hedged, leiht, verleiht, von mir aus auch klaut und betrügt, aber auf der Basis real existierender Werte, realer Waren und Dienstleistungen, und  andererseits der Welt der Derivate und Swaps nahezu keine Verbindung außer zweien:
1. dass es dieselbe Finanzwirtschaft war und leider bis heute noch ist, die das System der Derivate abwickelt. Das ist, als ob die Volksbank oder Commerzbankfiliale  das Wettbüro von nebenan übernommen hätte und am Counter  auch  Wettgeschäfte bediente.
Und 2. zweitens der Umstand (der die Basis der  vermeintlichen Solidität  des Mists weiter unterfütterte) der ursprünglichen  teilweise realwertigen  Bestandteilde der Derivate, seien es  US-Hypotheken, Pfandbriefe oder die vermaledeiten Put-Optionen, die als Wetten immerhin sogar noch eine 50%ige Gewinnchance hatten.

Ein anderer Vergleich: die Situation entspricht einer Grossmetzgerei, die teils ordentliche Wurstwaren,  ganz  frische Fleischstücke verhackt und nun  die Zehnfache Menge an   Unrat untermischt, teils aus der Dachrinne, teils aus dem Rinstein und  vielleicht noch unappetitlicheren Quellen, die nicht nur Gammelfleisch-Lieferanten umfassen, das alles fein  mit Kräutern  gewürzt, in edle Därme gepresst und  mit dem Siegel der Metzgerei verbrieft als Qualitätsprodukt, gelabelt  mit den Marken  der Metzgerinnung und   von der Lebensmittelaufsicht  durchgewinkt  als " 1a"-rating. Unter stiller Duldung sowie Förderung  staatlicher Stellen, bzw. Förderung der regierung des  Landes, in dem die Grossmertzgerei steht.

Ist das kompliziert?  nein, das ist simpel.
Jedermann weiss, was zu tun ist.
Die Beziehungen zur Grossmetzgerei müssen SOFORT gekappt werden, jeder handel dieser "Produkte" mus  ausgesetzt werden. Die  Filialen sind zu  schliessen, die Filialleiter gehören in den Knast. Der Grossmertzger natürlich auch - aber der sitzt in einem anderen Stat. Wir haben hier die Filialen, , immerhin. Die vermögenswerte  der Filialleiter werden eingezogen und in einen Fonds zur Behandlung der erkrankten Opfer gesteckt. Die Filialen werden   als Staatsbetriebe weiter geführt und  später vielleicht in die Hände der Belegschaft gegeben, oder in Form  von Volksaktien in eine AG gegeben, aber das sind zweite und dritte Schritte. Jedenfalls werden sie  nie wieder in die Hand der Saumetzger gegeben.

Du, lieber Peter,  diskutierst  in diesem Bild die Qualität der Fleischanteile aus gutem und auch Gammelfleisch. Ich spreche hingegen vom kriminellen Verhalten  des Gross- und der Filialmetzger. Das unterscheidet uns.

Womit wir wieder bei den Personen sind. In der Auseinandersetzung mit Malthus im ersten Band spricht Marx von den corn laws. Da wurde staatlicherseits der Freihandel gefördrt, es gab in England genug und billiges Brot zu essen und zu kaufen. Nur wurden zugleich  die bauern des  Binnenlandes niederkonkurriert, zugleich in Indien  riesige Hungersnöte erzeugt mit Millionen Toten. Lawmakers und Lobbyisten handelten natürlich als ideelle Gesamtkapitalisten, übrigens nicht einmal kriminell im Sinne der dmailigen gesetze.
Aber dennoch benennt Marx sie offen mit Namen und Funktion im bösen Spiel.

Und eben das ist  in unserem Fall ebeno möglich wie notwendig. das "Kapital" lä0t sich eben weder verhaften noch in den Schuldturm stecken. Die verbrecher der derzeitigen Krise schon.

Weitere Krisenaspekte wie Überproduktion, Umweltsauereien, Hungersnöte durch Getreide im Tank statt im magen usw. sind hier  unberücksichtigt- die sind  "normal", und da greift durchaus  all das, was  die Linke weltweit  fordert und  weiterhin fordern muss.

Folgenden schönen Satz fand ich übrigens auch:
"Allmählich wurde sie der unvermeidliche Behälter der Metallschätze des Landes und das Gravitationszentrum des gesamten Handelskredits. Um dieselbe Zeit, wo man in England aufhörte, Hexen zu verbrennen, fing man dort an, Banknotenfälscher zu hängen. Welchen Effekt auf die Zeitgenossen das plötzliche Auftauchen dieser Brut von Bankokraten, Finanziers, Rentiers, Maklern, Stockjobbers und Börsenwölfen machte, beweisen die Schriften jener Zeit, z.B. Bolingbrokes.(243b)"
Marx "personalisiert" durchaus. Auch wir sollten das. Gestern erfuhr ich, dass Jacques Tati, erbost durch die  deutsche  Übersetzung seines  frz. Filmtitels  "Trafic", über den Kudamm fahrend während der Berlinale, das "Ca ira" anstimmte und dabei die  aristocrats durch  les bourgeois  ersetzte.
 



9

27.Februar 2009
 

Lieber Andreas,
 

dass verschiedene kapitalistische Staaten unterschiedliche Ausprägungen haben und dass diese Ausprägungen auch politisch bestimmt sind, das ist eine Tatsache und habe ich nicht bestritten. Was ich gemacht habe,  ist die Darstellung allgemeiner Strukturen und Entwicklungstendenzen des Kapitalismus, so wie sie in der Marxschen Theorie dargestellt werden. Diese Darstellung ist gewissermaßen die Folie oder das Paradigma, die zur Analyse konkret-historischer Gesellschaften des Kapitalismus herangezogen werden. In der marxistischen Theorie wurde das als Umschlag von Theorie in Methode bezeichnet. Auf dieser Basis ist dann auch bestimmbar, welchen Entwicklungsgrad des Kapitalismus die jeweiligen Länder, und damit auch die Schwellenländer, aufweisen. Historische Besonderheiten sind dann klar von allgemeinen Entwicklungstendenzen zu unterscheiden. 

Bei dem Zitat, bei dem es um die Spekulation geht, fällst Du wieder auf die Argumentation Deiner ersten Antwort zurück .Ich sage es noch einmal, natürlich geht es um Menschen, die agieren. Sie agieren allerdings auf Basis bestimmter ökonomischer Strukturen und unter bestimmten historischen Bedingungen. Oder, um mit Marx zu sprechen, die Menschen machen ihre Geschichte selbst, aber unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen. Und nur so sind meine Formulierungen zu verstehen, hier geht es keineswegs um Zauberkraft. Die Akteure an den Börsen aber auch in den Unternehmen denken einzelwirtschaftlich, dass heißt, auf ihr Unternehmen bzw. ihren  eigenen Profit bezogen. Im Ergebnis erzeugen sie durch dieses Handeln gesamtwirtschaftliche Folgen, die sie bei ihrem Handeln nicht beeinflussen und auch nicht beeinflussen dürfen, wenn sie nicht als Kapitalisten untergehen wollen. . Das ist die Grundstruktur des Handelns im Kapitalismus, Marx nennt dieses Handeln bewusst-unbewußtes Handeln. Keynes übrigens nennt es den Gegensatz von Einzelwirtschaft und Gesamtwirtschaft. Dieses einzelwirtschaftliche  Denken und Handeln dominiert auch größere Teile der Politik bis weit in die Sozialdemokratie hinein. Dann nützt es auch nichts, wenn Marx, Keynes und viele andere Ökonomen auf die Konsequenzen dieses Handels aufmerksam machen. Kapitalisten jedweder Sorte handeln einzelwirtschaftlich und müssen so handeln  und erzeugen gerade dadurch Überproduktion, Überakkumulation, Spekulationsblasen, Arbeitslosigkeit etc.etc.
 
 

 Dass sich seit den 70er Jahren ein wirtschaftlicher Umbruch vollzogen hat wird nicht nur von mir behauptet, sondern ist auch ablesbar an bestimmten Daten. Zu den Daten gehören das Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosigkeit, das Verhältnis von realem und Finanzsektor, das Verhältnis von  Profitraten und Zinsraten, die Rückwirkung des Finanzsektors auf die reale Wirtschaft etc.etc. Du hast natürlich Recht, dass man diesen Umbruch auch erklären muss. Dass habe ich auch ansatzweise gemacht, indem ich auf den Umschlag von der beschleunigten Akkumulation im reproduktiven Sektor in die strukturelle Überakkumulation hingewiesen habe. Dieser Umschlag, der aus der Struktur des Kapitalismus begründbar ist, müsste allerdings noch genauer begründet werden. Dazu ist notwendig, die Entwicklung der organischen Zusammensetzung des Kapitals, den Fall der Durchschnittsprofitrate, die zeitweilige Kompensation des Profitratenfalls durch die Profitmassenentwicklung und den genauen  Umschlagpunkt zu erklären, wo die Kompensation nicht mehr gelingt. Wenn ich das alles täte, wären wir mittendrin in der Marxschen Ökonomie des 3. Bandes, gewissermaßen in einem Kapitalkurs. Glaubst Du wirklich, dass wir auf dieser Ebene miteinander diskutieren sollten? Dazu bedarf es wohl mehr als eines Briefwechsels.

Das  bestimmte Enteignungen notwendig sind, dass kriegen inzwischen schon einige etablierte Politiker mit, da hast Du Recht. Ob Du allerdings mit dieser Forderung augenblicklich breite Bündnisse erreichst, da habe ich doch meine Zweifel, insbesondere deswegen, weil diese Forderung von vielen nur als Notlösung und vorübergehend angesehen wird. Für die Linke können einzelne Enteignungen nur der Auftakt für tiefergehende Veränderungen sein. Nicht die staatliche Übernahme maroder Unternehmen und Branchen sichert der Gesellschaft eine Kontrolle über die ökonomische Entwicklung sondern auf Dauer  nur eine Offensive in Richtung der  Vergesellschaftung und Demokratisierung von Schlüsselbranchen.  Ich glaube eher, dass breite Bündnisse eher durch Forderungen erreicht werden, die sich auf so „profane“ Dinge wie Arbeitsplätze, soziale Sicherheit, Einkommens -und Vermögensverteilung, gerechtes Steuersystem, Umweltschutz, Friedenspolitik etc. beziehen. Es muss allerdings von der Linken immer deutlich gemacht werden, dass diese Ziele auf Dauer nur erreichbar sind, wenn die grundlegenden Strukturen der Gesellschaft verändert werden. Nur so ist es aus meiner Sicht möglich, erfolgreiche Bündnisse mit Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Arbeitsloseninitiativen, Altenverbänden, Umweltgruppen, Attac und möglicherweise auch Teilen der etablierten Parteien zu erreichen.
 



8
25. Februar 2009

Lieber Peter,

Zitat von Dir: "Was wir seit den 70er Jahren in allen kapitalistischen Ländern haben, ist eine disproportionale Entwicklung  des realen Sektors einerseits und der Geldakkumulation in all ihren Formen andererseits. Das lässt sich  als allgemeine Entwicklungstendenz aus den ökonomischen Bewegungsgesetzen der kapitalistischen Produktionsweise herleiten."

Die "allgemeine Entwicklungstendenz" sieht aber   in den BRIC-Staaten nach Industrialisierung, in den  USA nach Deindustrialisierung und in Europa und Japan nach Umstrukurierung des realen Sektors (einerseits verlängerte Werkbänke outsourcen, andererseits  Kerngeschäft fördern) aus. Auch  sind die  finanziellen Positionen dieser Staaten völlig unterschiedliche. Wir sprechen dabei von einem Wirtschaftssystem, das jedoch völlig unterschiedlich gelenkt wird. Die unterschiedlichen Ausprägungen sind  doch wohl  politisch motiviert. Worin besteht denn die   ALLEN Ländern gemeinsame Disproportion?

Ein weiteres Zitat:
" Mit der Anlage und Umschichtung dieser Spekulationskasse in fiktives Kapital verselbständigt sich die Kursbewegung der Papiere und schlägt sich durch Spekulation als immense Wertentwicklung bei z.B. Derivaten nieder. Diese Werte entfernen sich meilenweit von den fundamentalen Daten der Wirtschaftsentwicklung und treiben in häufig sehr kurzer Zeit schwindelerregende Blüten "

Häufig? Die Situation, in der die Welt steckt, geschieht HÄUFIG? Und  dann geschieht, was auch immer Deiner Ansicht nach geschieht, in Form eines perpetuum mobiles: "verselbständigt sich", "schlägt sich", da entfernst sich und treibt alles Mögliche. Wie von Zauberkraft getrieben. Die von Dir benannte "Anlage und Umschichtung" erfordert jedoch bewusstes Agieren von menschen. Bei aller Elektronik: hier und da sind schon noch unterschriften nötig. An den Börsen  agieren menschen, und sei es nur, um  einem Computer zu sagen,  bei fallendem Kurs des Papiers XY  dies oder jenes zu veranlassen.

Hedgefonds gab es zu Kohls Zeiten nicht, sie wurden bei Herrn Schröder zugelassen.  Die Verbriefungen stehen erstmals als Ziel der Regierungspolitik in Merkels Koalitionsvertrag. Das hätte dort auch nicht stehen müssen.  Es handelts sich um Entscheidungen. Die Summe der weltweiten Derivate belief sich  1090 auf 2 Billionen $, Mitte der 90er auf 8, und nun auf mehr als dem Hundertfachen, 20 mal so viel wie  die gesamte Welt an realen Werten und Dienstleistungen pro Jahr produziert. Ob ein Staat seine Währungsreserven in Gold, in  Fränkli, in $ oder anderen Statspapieren anlegt, ob ein privater Investor sein akkumuliertes Vermögen im Kauf  weiterer Fabriken, in anonymen Fonds, in Aktienpaketen oder derivaten anlegt: all das sind Entscheidungen. Die nicht NOTWENDIG so ausfallen müsen. warren buffett  warnte vor Derivaten als "finanziellen Massenvernichtungswaffen" und hielt sich auch persönlich zurück.

Die Phantastillarden  kamen nicht  wie vom Mars über uns. Sie wurden  HERGESTELLT, übrigens in Auftragsarbeit bei AIGFP in London, aber im Auftrag der USA. Nicht ALLGEMEIN. Nicht ÜBERALL. sondern mit krimineller Energie im vollen Bewusstsein  derer, die Schneeballsysteme lostreten und kaschieren mit "Ratings". Und nicht  "häufig", sondern  auf Greenspans, Rubin und Summers Geheiss parallel zu den anderen Planungen der  full spectrum dominance - siehe PNAC. Ein weiteres "AMERIKANISCHES Jahrhundert" soll anbrechen. Das ist das Ziel, der Poker  geht hoch (mit Eigeneinsatz und Blessuren) - aber  Obamas Rede gestern besagt,  man wolle es schaffen. Summers ist Teil seines Teams - Wirtschaftsrat. 

Es sind Menschen. Mit Zielen.
Und deshalb  sind auch konkrte und klare Massnahmen  nicht nur nötig, sondern auch möglich. Wenn man will.
Du sagst:
"Die politische Grundausrichtung seit dieser Zeit ist also nicht Ursache sondern selbst schon Ergebnis der ökonomischen Entwicklung. Das heißt allerdings nicht, dass die Politik ohne Einfluss auf den ökonomischen Prozess ist, im Gegenteil."

Fast könnte man meinen, es handele sich  bei unserer Diskussion nur um eine Frage des Maßes. "die Politik ohne Einfluss" und zuvor "allein eine politische Ursache". Als Marxist sieht man die ökonomischen Triebkräfte und aber auch den "Überbau". So im Allgemeinen kommt man da leicht zusammen,  ich steuere ein wenig  Ökonomie bei, Du ein wenig Politik, und wir wären glücklich. Die Phantastillarden sind aber  kein "ökonomischer Prozess",  an dem die Politik ein wenig mitwirkte, ein quasi "Naturvorgang des Kapitalismus", ein  Vulkanausbruch mit akkumuliertem Magma. Während ich Namen, Daren und Zahlen für  die manmade Sauerei leifern kann, bleibst Du den Beleg dafür, dass es unbedingt so hat kommen müssen, schuldig. Es gibt kein "häufig". Es gibt "bewährte" Spekulationsmechanismen wie put-optionen, die es auch schon am historischen "Schwarzen Freitag" gab, das ja. Und herumlungerndes Kapital, das spekulieren  wollte, das profit sehen wollte, das nicht  mehr wusste, wohin angesichts überbordender Produktivität. Und das zeigt natürlich auch,  wie reich die menschheit im Grunde genommen  ist, und wie  wir die Arbeitszeit senken könnten. Auch ein wichtiges, sogar das Hauptthema: wofür leben und arbeiten? .... 

Aber der Umschwung aus   erarbeitetem Kapital mit realer Grundlage, akkumuliert in falschen Händen, zu  diesen Phantastillarden, den hast  Du nicht erklärt, sondern einfach nur  behauptet.

Würden sich aus  dem Problem nicht  unterschiedliche Gewichtungen im Handeln ergeben, wäre das alles rein akdemisch. Ist es aber nicht, denn eine Staatsmafia zu stoppen erfordert andere Maßnahmen als  "nur" umzuverteilen, hat außenpolitische Aspekte statt  nahezu rein innenpolitische Notwendigkeiten. Selbst innenpolitisch unterscheidet uns, dass ich von "Knast und Enteignung" spreche statt von reiner Umverteilung. Oder, wie Du es sagtest "Teilverstaatlichung".

Übrigen bin ich da nicht radikal. Bürgerliche Ökonomen sprechen auch so. Immerhin   fanden die ersten Enteignungen   von Derivatehändlern an Kapitalinhabern statt. Was wiederum Bündnisoptionen erschliest ungeahnten Ausmasses.

Nun  aber mal Pause.
Gruss!
Andreas
 



7
24. Februar 2009

Lieber Andreas,
 
 

wir werden sehen, welche Themenfelder wir noch erörtern werden. . Bisher war unser Thema die aktuelle Finanzkrise und ihre Erklärung und da werden wir sicher noch weiter diskutieren müssen.

Ich hatte nur behauptet, dass die Tatsache, dass für 863 Billionen Dollar Derivate bei Banken liegen, sowohl in der bürgerlichen Presse als auch bei Linken nicht verschwiegen wird. Ob das Problem bei den Informierten wirklich geistig verarbeitet und die Konsequenzen richtig abgeschätzt werden ist eine ganz andere Sache. Man kann aus meiner Sicht davon ausgehen, dass das nicht so ist, allein deswegen, weil die bürgerlichen Geister in oberflächlichen Bewußtseinsformen und Interessen befangen sind und entsprechend ihre Politik ausrichten. Klar ist auch, dass in der breiten Öffentlichkeit die Probleme und Gefahren nicht gesehen werden. Ich habe in meinem Aufsatz ja deswegen den Hinweis gegeben, dass durch die Allensbach-Umfrage deutlich wird, dass die breite Öffentlichkeit kaum informiert und total verunsichert ist. Umso wichtiger ist es, dass die Linke sich selbst verständigt und, soweit sie es kann, in der Öffentlichkeit aufklärend wirkt. 
 
 

Dass der überdimensionierte Finanzsektor,  also auch die 863 Billionen Dollar Derivate, allein eine politische Ursache hat, bestreite ich vehement. Was wir seit den 70er Jahren in allen kapitalistischen Ländern haben, ist eine disproportionale Entwicklung  des realen Sektors einerseits und der Geldakkumulation in all ihren Formen andererseits. Das lässt sich  als allgemeine Entwicklungstendenz aus den ökonomischen Bewegungsgesetzen der kapitalistischen Produktionsweise herleiten. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929/32 begann die Etappe des Fordismus, die in allen kapitalistischen Ländern mit einem beschleunigten Wachstum der Wirtschaft verbunden war, bei Marx beschleunigte Akkumulation genannt. Diese Entwicklungsetappe des Kapitalismus kam in den 70er Jahren zu ihrem Ende. Die Erklärung dafür ist aus der ökonomischen Struktur des Kapitalismus in seinem reifen Stadium erklärbar. Einem Teil des Geldkapitals, das aus dem reproduktiven Prozess des Kapitals stammt, gelingt es nicht mehr, eine entsprechende Verwertung zu erreichen und wird deswegen im Finanzsektor angelegt. Marx spricht in diesem Zusammenhang von dem so genannten „Plethora-Kapital“. Hinzu kommen im Banksystem gesammelte Gelder und ein Teil der Ersparnisse der Privathaushalte. Es handelt sich bei all dem nicht um ein Beiprodukt der strukturellen Überakkumulation sondern um eine Form, in der sie heute auftritt. Das überakkumulierte Geldkapital schlägt sich verstärkt in Betriebsmittelkrediten, öffentlichen Krediten und privaten Konsumkrediten nieder. Schließlich wird ein wachsender Umfang des gesamtwirtschaftlichen Geldkapitals zur Spekulationskasse, wie Keynes es nennt.  Mit der Anlage und Umschichtung dieser Spekulationskasse in fiktives Kapital verselbständigt sich die Kursbewegung der Papiere und schlägt sich durch Spekulation als immense Wertentwicklung bei z.B. Derivaten nieder. Diese Werte entfernen sich meilenweit von den fundamentalen Daten der Wirtschaftsentwicklung und treiben in häufig sehr kurzer Zeit schwindelerregende Blüten (soweit zu den von Dir erwähnten 20 %).
 
 

Der gesamte Vorgang lässt sich, wie gesagt, allgemein aus der Struktur des Kapitalismus ableiten. Er bildet die Grundlage für die Grundrichtung der Politik seit den 70er Jahren. Die politische Grundausrichtung seit dieser Zeit ist also nicht Ursache sondern selbst schon Ergebnis der ökonomischen Entwicklung. Da heißt allerdings nicht, dass die Politik ohne Einfluss auf den ökonomischen Prozess ist, im Gegenteil. Marx spricht in diesem Zusammenhang von der relativen  Selbständigkeit des Staates. Die Politik kann diesen Prozess beschleunigen oder aber abbremsen, das hängt maßgeblich von den politischen Kräfteverhältnissen national und international ab. Dazu bedarf es allerdings einer genauen Analyse der konkret-historischen Umstände, unter denen Politik gemacht wird. Maßgebend für die politische  Entwicklung nach dem 2.Weltkrieg waren in den kapitalistischen Staaten vor allem die USA, sowohl vor der Umbruchsituation der 70er Jahre als auch für die Zeit danach. Das gilt sowohl für die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik Außenpolitik u.s.w.

Doch damit wären wir bei einem neuen Kapitel.
 
 

Bis bald alles Gute wünscht Peter.
 
 



6
23. Februar 2009

Lieber Peter,

die Zahl der angesprochenen Themenfelder, die unausdiskutiert  worden sind zwischen uns, mehrt sich.  Rolle der politik,  Verhältnis Stat-Kapital, Rolle der USA zum Rest der Welt usw. - wir kommen noch dazu.
Diesmal beschränke ich mich aber harscharf auf das von Dir zuletzt Geschriebene.

Immerhin sind die 863 bei Dir "angekommen".  Du meinst, die Summe sei bekannt, sei  zumindest bei den Informierten  bekannt, bedacht, geistig verarbeitet. Dem widerspreche ich vehement. Wäre sie es, würde anders gesprochen und anders gehandelt, sowohl von Dir und den VSAlern als auch von der "Großen Politik" und den Medien. Die Zahl gehört zu den  bestgehüteten Geheimnissen, sie ist "elusive information". Der begriff, von meinem Kollegen Bröckers geprägt, bezeichnet Informationen, die einmal aufpoppen und danach in der versenkung verschwinden. So kann niemand außer derart notorischen Nachhakern wie mir behaupten, das sei nicht "gebracht" worden. Aber was  die Tagesschau nicht dreimal zur besten Sendezeit an erster Stelle "bringt", ist keine nachricht, hat nie stattgefunden.  Die medienkonsumenten sind  schon so abgestumpft, dass sie die Wiederholung brauchen wie Schüler, die auch erst in stetiger Übung zu Meistern werden.

Die Höhe, die Gesamtsumme des Problms ist also unbekannt. Weithin.  Die Eliten wissen Bescheid. Mir sagte schon vor über einem Vierteljahr ein Banker der Deutschen Bank, ganze Staaten seien bankrott.  Es geht eben nicht um Summen, die aus dem laufenden geschäftsbetrieb  abgeschrieben werden können wie die unverkauften Brötchen beim Bäcker. Deshalb  handelt es sich um ein POLITISCHES Problem, das politisch entstand und politischer Lösung bedarf. Schon allein deshalb ist dieser ökonomistische  Erklärungsveruch als "beiprodukt" einer Überakkumulation völlig abwegig, allein wegen der Summe.

Aber weitere Aspekte sind von Dir ebenflls nicht bedacht. Ich verweise auf den BEGINN dieser Derivate. Wir sind uns ja einig darüber, dass schon zu Marxens Zeiten "fiktives Kapital" generiert wurde. Aber weder diese Summen noch diese Art, noch diese Folgen. Die Situation ist einzigartig. Wäre sie es nicht, hätte der Dervatenhandel schon  x-mal diese Situation entstehen lassen müssen. Oder erkläre mir  das Spezifikum mit Deiner  "Überakkumulation" und Begriffen wie "mehr". Die Erklärungsmuster greifen nicht, sie fassen die neue Lage nicht.

Ich verdeutliche es noch  mal drastisch und  unterstelle  mal dazu Deine Theorie. Also: die Entwicklung der Produktivkräfte  ist  vorangekommen,  die Kapitaleigner haben sich bereichert wie blöde, die Arbeitenden haben keinesfalls  m entstehenden Reichtum partizipiert . zugleich  nahm die Globalisierung rapide zu. Auch das  Kapital samt fiktivem Kapital wurde immer  liquider, schwappte über den Globus.
Bis dahin würde ich nicht heftig widersprechen, sondern so wie vermutlich auch Du dies oder das differenzierter sagen wollen, ziselieren. Es ist unerheblich, es reicht so grob gesagt. Denn all das hat mit den derivaten und unseren Problemen derzeit nahezu nichts zu tun. Denn wie  ist dann die Zunahme  der Derivate allein im zweiten Quartal des letzten Jahres um über 20% zu erklären?

Gab es 20% mehr Globalisierung?
20% mehr Produktionssteigerung? oder
20% Rückgang an Verkäufen?
20% mehr Ausbeutung? 
20% mehr Überakkumulation?

Es gibt Qualitäten, die mit Umschlag aus Quantitäten eben nicht erklärbar sind.

Andreas


5

21.Februar 2009

Lieber Andreas,

...
Das mit den 863 Billionen Dollar Derivaten wird  ja nun nicht verschwiegen, weder in der bürgerlichen Presse noch bei  den Linken. Ich habe mir die Mühe gemacht, mal im Internet nachzuschauen und habe festgestellt, dass beispielsweise das Handelsblatt schon im letzten Jahr die Zahl in ähnlicher Größenordnung veröffentlicht hat und die Veröffentlichung der BIZ umfassend kommentiert hat. Bei den Linken kann ich Dir Veröffentlichungen des VSA-Verlages anraten, Z.B. von Huffschmidt und Bischoff, wo dieses Faktum schon seit langem dargestellt wird. Ich halte die unvorstellbare Summe an Derivaten auch für ein zentrales Problem, deswegen habe ich in meinem Aufsatz auch gefordert, dass eine kontrollierte Abwertung des Bestandes an Finanzprodukten erfolgen muss. Das ist sicher leichter geschrieben als gemacht. Jedoch die Abwertung wird jetzt schon durch Marktprozesse begonnen, wenn da der Staat nicht kontrolliert, kann bei entsprechenden Kettenreaktionen ein noch größeres Finanzchaos die Folge sein. Der Staat muss durch Verbote des Derivatenhandels, Unterbindung ihrer Kursentwicklung, Besteuerung etc. massiv eingreifen. Es werden sicher weitere

 Banken insbesondere Investmentbanken über die Wupper gehen müssen. Hier hat der Staat die Aufgabe,  regulierend einzugreifen, durch Stützung, Teilverstaatlichung, Übernahme vor allem bei denen, die eine wichtige soziale Funktion haben und wo auch Interessen von Sozialleistungsempfängern (bei Rentenfonds zum Beispiel)) im Spiel sind. Letztlich geht es darum, den Finanzsektor Schritt für Schritt abzuschmelzen, Vorschläge dazu habe ich in meinem Aufsatz einige gemacht.

Das bedeutet vor allem auch, das Problem der strukturellen Überakkumulation als zentrales  Problem des reifen Kapitalismus anzugehen, darüber müsste man genauer diskutieren. Vielleicht so viel. Die strukturelle Überakkumulation ist nicht irgendeine Krise des normalen Konjunkturzyklus, die sich dann wieder abbaut, sondern das Strukturproblem des reifen Kapitalismus, das die Grundlage für den Finanzkrieg darstellt. Zu diesem Strukturproblem muss man, wenn man es verstehen will, aus meiner Sicht sehr genau die Marxsche Theorie ( vor allem den 3.Band ) heranziehen. Es ist natürlich ein Treppenwitz der Geschichte, dass Diejenigen, die politisch zur heutigen Situation erheblich  beigetragen haben, nun ein Strukturproblem, das sie nicht verstehen, auf ihre Weise lösen wollen. 
 


4

20.Februar 2009

Leber Peter,
 
 

zwei Selbstverständlichkeiten vorneweg:

natürlich geht es mir nicht um Deinen Sprachstil. Das wäre ja noch schöner,  denn ich bin z.B. mit meinen Tippfehlern fürchterlich angreifbar :-))

Und natürlich ist Eigentum gemeint, bei dem ollen Kalle und bei mir. Allerdings wusste ich nicht, dass er  so laut BGB fein ziseliert. Jedenfalls geht es nicht um die Verfügungsgewalt von heute auf übermorgen, die durchaus  im Bereich der derzeitigen Managerschelte liegt. Sondern  um das letztendliche Verfügen, und das tun nur Eigentümer.

...
Allerdings kann ich nicht mehr als immer wieder den Warnruf "863 Bilionen" ausstossen, wozu ich ja nun eine eigene Datei habe. Wer diese Zahl sieht, erkennt das Problem. Die Zahl wird jedoch totgeschwiegen, von der bürgerlichen Presse bis zu linken   Publikationen jeglicher Couleur.

Weil die Zahl  nicht mehr zu begreifen ist, weil sie nicht ins Schema passt, weil sich  daraus neue Aspekte ausserhalb der bisherigen Denkschemata ergeben.
 

Und damit zum Eigentlichen zwischen mir und Dir. Die Rolle  der Politik und ihrer  Frontleute im Verhältnis zum Kapital.

Ich sag es mal etwas verkürzt: wenn  es einen Zirkel der 10 grössten Kapitalisten pro Land gäbe, zusammengefasst in einem internationalen Zirkel, die die Welt regieren, dann bräuchten sie eigentlich auch keine Politiker mehr. Und wir wären bei ECHTEN Verschwörungstheorien a la Bilderberg usw.

 Ja, Deine Zitate vom ollen Kalle stimmen. Aber sie besagen doch nicht, dass  das ideele Gesamtinteresse 1:1 klar definiert und umgesetzt würde. Es sind Menschen und Parteien, Situationen, Aussenpolitik, Katastrophen und x Unvorhersehbares, was   von Politikern in den Machtzentren einbezogen und entschieden wird. Und in den USA  wuchs nach dem Zusammenfall  des Ostblock das Bedürfnis, nun  völlig den Ton anzugeben. Dabei waren jedoch der   in der Mitte der 90er beschlossene Euro sowie  das absehbare Aufkommen Chinas  Störfaktoren. 
 

Wie ist für das US-Kapital das Problem ohne Krieg zu lösen? So, wie es derzeit sichtbar ist.

Ich will und kann Dir doch in Sachen Umverteilung nicht widersprechen, und natürlich wird  diese im Zusammenhang mit der Finanzfixierung stehen. 
 

nur ist das am Thema vorbei. Es gehen STAATEN pleite. der Euro wackelt.  Die riesigen verwerfungen, die sich derzeit abzeichnen, deuten auf ein weit  grösseres Szenario als auf  Überakkumulation, auf Umwelt- und Überproduktions- dies und jenes-Krise.
 

Es herrscht Welt-Finanzkrieg. Wann werden welche Forderungen wie fällig?  Wie soll und kann überhaupt abgeschrieben werden? darüber machen sich doch nicht nur  bürgerliche Ökonomn und Politiker Gedanken aus Jux oder um noch mehr umzuverteilen, sondern weil es das objektive Problem ist, aus den USA generiert im Wissen, dass das Mittel "verstaatlichung"  von unseren  Machteliten wie die Pest angesehen wird. Und damit sind sie  udn wir Beute für das cash- in, das derzeit läuft und den DOLLAR stärkt. So irrsiniig es ist, aber es funktioniert.
 

Deine Herangehensweise ist  NICHT FALSCH. Hier  kann man kaum irgendwo NEIN schreien. Nur entspricht sie  in etwa der Situation, als ob die französische KP  im Mai/Juni 1940 sich Gedanken gemacht hätte über  eine Reichensteuer, während sich die Nazis  anschickten, Frankreich zu besetzen.

Vergleiche hinken, weiss ich. Aber die derzeitige Situation ist beispiellos, das hat es noch nie gegeben, also gibt es auch keine guten Bilder zumVvergleich.
 



3
20.Februar 2009

Lieber Andreas,
 

... Ich glaube, Du kannst bei mir unterstellen, dass ich weiß, dass Politik durch Menschen gemacht wird. Insoweit deutet das „Es“ nicht auf eine inhaltliche Schwäche hin, sondern höchstens auf eine sprachliche. Ich hoffe, dass es Dir nicht vor allem darum geht, Dich mit meinem Sprachstil auseinanderzusetzen. Es geht allerdings darum, konkrete Figuren in der Wirtschaft und Politik als Personifikationen von Kapitalverhältnissen zu begreifen, um mit Marx zu sprechen. Diese Figuren unterliegen  ganz bestimmten Zwängen und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die sie zu bestimmten Verhaltensweisen zwingen, ihr Verhalten geht also nicht auf Verschwörungen und Komplotte zurück. Das habe ich gemeint, als ich von Verschwörungstheorien sprach.  Ich verstehe nicht, warum Du dich da angesprochen fühlst. Das Werte aus Büchern abzuschreiben sind, das ist fürwahr eine Tatsache. Wenn Du den Aufsatz genau gelesen hättest, würdest Du feststellen, dass das für mich ein zentraler Punkt der weiteren Entwicklung ist. Dabei geht es jedoch auch um die Verteilung von Einkommen und Vermögen, denn die Entwicklung von Einkommen und Vermögen  seit den 70er Jahren hat erheblich dazu beigetragen, dass anlagesuchendes Kapital in den Finanzsektor und die Spekulation floss. Auf das Problem haben sowohl Marx als auch Keynes deutlich hingewiesen. Schau vielleicht mal im 3.Band des „Kapital“ nach. Wer eine solche Entwicklung verhindern will, muss auch hier den Hebel ansetzen. Wenn die Verteilungsverhältnisse das Spiegelbild der Produktionsverhältnisse sind, dann geht es letztlich um ihre grundlegende Veränderung. Und zwar geht es um das Eigentum an den Produktionsmitteln und nicht, wie Du meinst, um den Besitz. Wenn Du wirklich ins „Kapital“ geschaut hättest, würdest Du sehen, dass Marx immer vom Eigentum und nicht vom Besitz der Produktionsmittel spricht, denn da liegt ein wesentlicher Unterschied. Schau Dir vielleicht einfach mal das Stichwortverzeichnis der 3 Bände an.
 

...



2

19.Februar 2009
Lieber Peter, 
 
 

durch den Text zieht sich das "ES als Subjekt nahezu aller Sätze. Dieser  formale Hinweis deutet auf den inhaltlichen Schwachpunkt: Politik incl. Wirtschafts- und Finanzpolitik, wird von Menschen gemacht, und zwar mit Zielen.

Diesen simplen Fakt zu betonen ist  nicht nur nicht unmarxistisch, sondern  - da real, greifbar, nachweisbar, Fkt - schlicht wissenschaftlich und damit marxidtisch. Ebenso wie es FAKT ist, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die Summe der Derivate auf 863 Billionen Dollar  bezifferte. Daran ist nichts  Verschörungtheoretisches, es ist die Benennung des Fakts von  unglaublich viel fiktivem Kapital. Fiktives Kapital gilt es jedoch nicht umzuverteilen, sondern aus den Büchern abzuschreiben, bevor  diverse Unternehmen  pleite gehen.
 

Und zudem  geht es nicht zuvörderst  um Umverteilung  von Einkommen in dieser Lage, sondern um BESITZ. Um Eigentumsverhältnisse an Banken und Grossindustrie. Marxistisch ist  es noch nie gewesen, den Kapitalisten und ihren Managern Höchstgehälter  zu verordnen. Es geht um  BESITZ von Produktionsmitteln. Ich dachte, das sei  im Kapital mehr als  ein oder  zwei Mal  zu lesen gewesen.
 

Es kömmt darauf an, sie zu verändern.
 

Beste Grüsse

Andreas
 
 



1

19.Februar 2009

DR.PETER BEHNEN
DIE LINKE FREIBURG

DIE WIRTSCHAFTS-UND FINANZKRISE - EINE POLITÖKONOMISCHE BETRACHTUNG.

Die globale Finanzkrise wird seit Monaten durch einen Zusammenbruch von Banken, Versicherungen, Fonds etc. gekennzeichnet. Eine Vielzahl von Immobilien und Finanzprodukten musste drastische Wertverluste hinnehmen. Inzwischen ist die Finanzkrise auf die reale Wirtschaft (Industrieunternehmen, Handelsunternehmen,  nicht-finanzielle Dienstleistungen) durchgeschlagen. Der Konjunkturabschwung, der schon seit Ende 2007 im Gange ist, wird durch den Zusammenbruch von Finanzinstituten massiv verstärkt, Kurzarbeit und Entlassungen in Unternehmen der Industrie, des Handels- und Dienstleistungsbereichs greifen um sich. Die Arbeitslosenziffern schnellen in die Höhe, in der Bundesrepublik zum Beispiel ist bis Ende 2009 mit einer Arbeitslosenzahl von 4,5 Millionen registrierten Arbeitslosen zu rechnen. 

Die etablierte Politik wurde durch die Entwicklung völlig überrascht. Noch vor ein paar Monaten feierten verschiedene Politiker den angeblichen „ Jahrhundertaufschwung“ und die „ Erfolge“ der Agenda-Politik. Inzwischen sind viele dieser Akteure damit beschäftigt, durch groß angelegte Stabilisierungsmaßnahmen, Konjunkturprogramme und Finanzhilfen, den weiteren Zusammenbruch von Finanzinstituten zu verhindern und die scharfe wirtschaftliche Rezession zu bekämpfen. Die Erklärung der Krise durch die herrschende Politik beschränkt sich in der Regel darauf, die Gier von Managern und die verantwortungslose Geschäftspolitik von Banken für die Situation verantwortlich zu machen. Auch auf Seiten von Linken hört man vereinzelt  eine personalistische Sicht der Dinge, zum Beispiel, Verschwörungen des internationalen Kapitals oder des US-Kapitals hätten bei der aktuellen Krise mitgewirkt. Die Ratlosigkeit in der Bevölkerung der Bundesrepublik ist groß, laut einer Allensbach-Untersuchung wissen sich über 70% der Bevölkerung keinen Reim auf die Ursachen und Perspektiven der Entwicklung zu machen. Es ist insoweit eine wichtige Aufgabe von kritischen Gewerkschaftern und der politischen Linken, sich selbst über die tiefer liegenden Ursachen der Krise zu verständigen, Erklärungs- und Lösungsvorschläge der Bevölkerung vorzustellen und Alternativen zur herrschenden Politik voranzubringen.

Die tiefer liegenden Ursachen der Krise.(1)

Es wäre zu kurz gedacht, die augenblickliche Krise allein auf die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte zurückzuführen. Der Neoliberalismus muss selbst noch als politische Reaktion auf zugrunde liegende ökonomisch-strukturelle Prozesse des Kapitalismus verstanden werden.  Diese
 

(1) Siehe zu den folgenden Ausführungen insbesondere: Bischoff, Krüger, Zinn: Finanzkrise, Überakkumulation und die Rückkehr des Staates, Hamburg 2008, S.19-39. 
 

Prozesse sind seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts im Gange und wurden als strukturelle Überakkumulation des Kapitalismus gekennzeichnet. Es handelt sich aus dieser Sicht bei der aktuellen Krise nicht um ein zufälliges Ereignis, sondern um eine Systemkrise des reifen Kapitalismus. Vorboten dieser Systemkrise waren schon vor der Weltwirtschaftskrise 1974 / 75 sichtbar. Die Wachstumsentwicklung des Bruttoinlandsprodukts wurde unregelmäßiger und schwächte ab, Finanzen wurden verstärkt auf so genannten Xeno-Finanzmärkten angelegt und es entwickelte sich eine für die Nachkriegszeit  ungewöhnlich hohe  staatliche Verschuldung. Außerdem kam es zu Verschiebungen auf den Weltmärkten zu Lasten der USA und zu Gunsten Westeuropas und Japans. Diese Entwicklung brachte damals das Festkurssystem von Bretton-Woods zum Einsturz. Die Weltwirtschaftskrise 1974 / 75 wurde von kritischen Ökonomen auf dieser Basis als Übergang in eine strukturelle Überakkumulation interpretiert, das heißt als eine Situation, in der das beschleunigte Wachstum der Nachkriegszeit beendet war, brachliegendes Kapital nach neuen Anlagemöglichkeiten suchte und im Finanzsektor angelegt wurde und wird. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Entwicklungstendenz des Kapitalismus, die sich aus der Marxschen ökonomischen Theorie aber auch, mit einer anderen Argumentation, aus dem System von Keynes ableiten lässt. Mit dem Ende des beschleunigten Wachstums des realen Sektors kam es zu einer langfristigen überproportionalen Entwicklung der verschiedenen Anlageformen des Finanzkapitals. Mit der Reife des Kapitalismus wuchs zuerst die Masse der umlaufenden Wertpapiere und belastete mit ihren Ansprüchen aus Dividenden und Zinsen die gesellschaftliche Wertschöpfung. Der Handel mit diesen Wertpapieren beherrschte bald die Situation an den Börsen, die Zinsentwicklung nahm einen relativ selbstständigen Verlauf gegenüber dem realen Sektor der Wirtschaft und es kam zu gefährlichen Rückwirkungen auf den realen Sektor. Für den realen Sektor bedeutete das nämlich, dass ein Teil des Kapitals aus dem realen Sektor wegen der Zinsentwicklung nicht im eigenen Geschäft sondern auf den Finanzmärkten angelegt wurde. Auch die Ersparnisse privater Haushalte und Gelder aus dem Banksystem landeten verstärkt im Finanzanlagen und Spekulationsobjekten (Investmentgeschäfte). Darüber hinaus bekamen auch die öffentlichen Haushalte die strukturelle Überakkumulation zu spüren, indem die Lücke zwischen staatlichen Einnahmen und Ausgaben durch einen verstärkten Aufbau der staatlichen Verschuldung geschlossen wurde. Das Gleiche gilt für viele private Haushalte, die durch Konsumkredite und Hypothekenkredite ihr Lebensniveau zu halten versuchten.

Alles zusammen genommen erhielt der Finanzsektor eine besonderen Dynamik und verselbständigte sich gegenüber dem realen Sektor der Wirtschaft. Hatte er vorher eine „ dienende“ Funktion so wurde er nun hegemonial gegenüber dem realen Sektor. Durch die Rückwirkung der überdimensionalen Verwertungsansprüche der Finanzanlagen wurde der reale Sektor weiter geschwächt und seine Krisenentwicklung massiv verstärkt.
 
 

 Die wirtschaftspolitische Reaktion der etablierten Politik.

Es wurde die ökonomische Strukturentwicklung umrissen, auf  der die Wirtschafts- und Finanzpolitik seit den 70er Jahren zu interpretieren ist. Es hat sich gezeigt, dass schon die Weltwirtschaftskrise 1974/ 75 die damalige Politik völlig unvorbereitet traf und die herrschende Politik bis heute nicht erkannt hat, dass in dieser Zeit ein grundlegender Umbruch in den kapitalistischen Gesellschaften statt fand und ein wichtiger Knotenpunkt für die weitere Entwicklung gegeben war. Die politische Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise 1974/ 75 war zunächst die gleiche, die sich in der Nachkriegszeit herausgebildet hatte. Die herrschende Politik versuchte damals, die staatliche Nachfrage und die Haushaltseinkommen zu stabilisieren und setzte dabei die staatliche Verschuldung ein. Es wurde nicht erkannt, dass diese Maßnahmen zwar wirksam sind zur Abwehr konjunktureller Krisen und einen kurzfristigen Anschub geben können, dass aber inzwischen eine strukturelle Veränderung des Kapitalismus im Gange war, die viel tiefere Eingriffe in die Wirtschaftsordnung erfordert hätte, unter anderen auch Maßnahmen der Investitionslenkung und  eine stärkere Regulierung des Finanzwesens. Eine neue Investitionskonjunktur war mit den traditionellen Mitteln kaum erreichbar. Es kam hinzu, dass auch die Inflationsrate in die Höhe sprang, so dass eine Investitionsblockade und eine Inflationsentwicklung zusammen trafen (Stagflation). 

Für die herrschende Politik war jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass sie die Bekämpfung der Inflation zu ihrem Credo erhob. Es wurde versucht, durch Kostensenkungen und Steuerbegünstigung bei Unternehmen, Sparpolitik bei öffentlichen Haushalten, vor allem im sozialen Bereich, und eine strikte Geldmengenpolitik bei den Zentralbanken zur Lösung der ökonomischen Probleme zu kommen. Diese neue Linie in der Wirtschaftspolitik war in den 80er Jahren eng mit den Namen Reagan und Thatcher verbunden und griff auch auf andere kapitalistische Länder über. Die starke Deregulierung des Wirtschaftslebens allgemein und im Finanzwesen im Besonderen wurde zum Standard der herrschenden Politik. In dieser Phase der strukturellen Überakkumulation kam es zum Ausbau der so genannten Xeno-Finanzmärkte und zur Entwicklung der Verschuldungskrisen in Polen, Argentinien und Mexiko und, was noch wichtiger ist, die USA begannen Schritt für Schritt zum größten Schuldner auf der internationalen Ebene zu werden. Es gelang den USA lange Zeit,  durch Zins- und Wechselkursdifferenzen die Defizite im Staatshaushalt und der Leistungsbilanz durch Kapitalimporte zu finanzieren. Es wurde damit schon in den 80er Jahren die Grundlage für einen überdimensionierten Finanzsektor gelegt, wobei die Interessen der Geldvermögensbesitzer der produktiven wertschöpfenden Arbeit im realen Sektor übergeordnet wurden. Es wurde die Verselbständigung der Finanzsphäre auf die Spitze getrieben und der reale Sektor in vielfältiger Weise den Renditevorgaben der Finanzanleger (Fonds, Vermögensgesellschaften) ausgeliefert. Das zwang Unternehmensleitungen dazu,  massive Kostensenkungen zu betreiben und ihre Unternehmenspolitik an den kurzfristigen Finanzmarktzielen ( Sonderausschüttungen bei Dividenden, bör
 

senkursorientierte Unternehmenspolitik) zu orientieren. Die gesellschaftlichen Verteilungsverhältnisse veränderten sich auf dieser Basis zu Ungunsten der Arbeitnehmer und, weil der Staat einen Abbau  von Sozialleistungen betrieb, auch zu Ungunsten von Sozialleistungsempfängern. Zu dieser Entwicklung passte, dass die umlagefinanzierten Sozialversicherungen durch kapitalgedeckte Versicherungssysteme untergraben wurden.
Insgesamt muss festgestellt werden, dass der Finanzmarktkapitalismus bzw. die Stärkung der Finanzmärkte die kapitalorientierte Antwort auf die Krisenprozesse der strukturellen Überakkumulation darstellten. Allerdings beinhaltet diese „Lösung“ der Probleme des Kapitalismus einen Widerspruch. Einerseits untergräbt der Finanzkapitalismus die Masseneinkommen und stärkt die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Andererseits kann auch der Finanzkapitalismus die Verbrauchernachfrage auf Dauer nicht immer weiter schwächen, weil sonst die Gefahr besteht, dass der Kapitalismus in eine deflationäre Entwicklung abrutscht. Der einzige „ Ausweg“ aus diesem Dilemma, der im Finanzkapitalismus möglich ist, ist die Stärkung der Verbrauchernachfrage durch den privaten Konsumkredit. Dieser „ Ausweg“ hat für das Finanzkapital den Vorteil, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse noch weiter zu seinen Gunsten verschoben  und ihm weitere Geschäftsmöglichkeiten eröffnet werden. Die Strategie wurde am Reinsten in den USA umgesetzt, wo man versuchte, durch Steigerung der Werte von Immobilien und Wertpapieren, die als Kreditsicherheiten verwendet werden,  den Banken größere Kreditvergabemöglichkeiten zu eröffnen und dadurch auch die Wirtschaftstätigkeit im realen Sektor zu stimulieren ( wealth-driven-economy ). Insoweit war es kein Wunder, dass die Überdimensionierung des Finanzsektors und die Entwicklung einer Spekulationsblase in den USA ihren Anfang nahmen. Der Zusammenbruch des Bretton-Woods- Systems in den 70er Jahren erforderte schon damals eine Form der Kurssicherung im Außenwirtschaftsverkehr, die sich dann zu einem Geschäftsfeld von Banken weiter entwickelte und schließlich in die Entwicklung von Derivaten einmündete. Damit war  den Spekulationsgeschäften Tür und Tor geöffnet. Die Verbriefung von Forderungen und ihre Zusammenfassung zu Forderungspaketen ließen die Kreditgeschäfte ins Unermessliche wachsen, wodurch die Krise am Hypothekenmarkt der USA sich schnell auf andere Wirtschaftsbereiche und auch andere Länder ausbreitete. Durch das Zusammentreffen einer wirtschaftlichen Rezession und der Zerrüttung des Finanzsystems hat sich inzwischen ein Niedergang entwickelt, dessen Folgen die etablierte Politik durch massiven Einsatz staatlicher Verschuldung und, eher verschämt, durch die teilweise oder vollständige Übernahme von Finanzinstituten auffangen will.  Bemerkenswert ist allerdings, dass die etablierte Politik immer noch nicht erkannt hat, dass sie einerseits deflationäre Tendenzen abwenden muss und hierzu viel größer dimensioniert Krisenprogramme auflegen muss, andererseits aber auf längere Sicht durch ihre Politik ein Geldüberhang geschaffen wird, der in Zukunft für erhebliches Inflationspotential sorgen kann. Beiden Gefahren könnte durch eine alternative Steu
 

erpolitik begegnet werden, die allerdings von der herrschenden Politik wegen ihrer Klientelorientierung nicht zu erwarten ist.

Alternative Krisenpolitik und zukünftige Perspektiven. 

Die herrschende Krisenpolitik ist nach langem Zögern dazu übergegangen, durch mehr oder weniger große Finanzspritzen und Bürgschaftserklärungen bestimmte Finanzinstitute vor dem Kollaps zu bewahren. Auch eine vorübergehende  staatliche Übernahme von Instituten  wird  nicht mehr ausgeschlossen. Dafür soll in der Bundesrepublik ein „ Rettungsübernahmegesetz“ sorgen. Zur Bekämpfung der Rezession wurden Konjunkturprogramme aufgelegt. Auf internationaler Ebene wurde auf einem Finanzgipfel der G 20 in Washington beschlossen, die Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern. Näheres soll im April 2009 verabschiedet werden. Insgesamt muss allerdings festgestellt werden, dass die herrschende Krisenpolitik eher halbherzig agiert, häufig ihre Programme viel zu gering dimensioniert, im Finanzwesen keine grundlegenden Veränderungen vornimmt und offensichtlich hofft, die Politik der letzten Jahrzehnte nach einer kurzen Schwächeperiode fortführen zu können, obwohl sich der Neoliberalismus als unfähig erwiesen hat, eine Perspektive für die Zukunft zu bieten.
Dem muss von gewerkschaftlicher Seite und der linken Politik eine grundlegend andere Alternative gegenüber gestellt werden. Klar ist, dass es vordringlich ist, den Zusammenbruch der nationalen Finanzsysteme und der Weltmärkte zu verhindern. Klar ist aber auch, dass, aus alternativer Sicht, die kurzfristigen Stabilisierungsmaßnahmen mit weitreichenden Veränderungen im Finanzwesen und im realen Sektor zu verbinden sind. Wenn Banken zu stabilisieren sind, sind diese Stabilisierungsmaßnahmen mit strengen Auflagen und eventuell staatlichen Übernahmen und Enteignungen  durchzuführen. Das Gleiche gilt für Stabilisierungen im realen Sektor der Wirtschaft. Im internationalen Zahlungsverkehr ist die Stabilisierung der Außenwerte der Währungen durch Maßnahmen des IWF und der Nationalbanken mit bindenden Auflagen gegenüber den beteiligten Ländern zu versehen. Insbesondere gilt es, langfristige Überschuss- und Defizitpositionen im internationalen Zahlungsverkehr abzubauen. Das kann auf längere Sicht nur geschehen, wenn ein neues Weltwährungssystem aufgebaut wird und der IWF zu einer internationalen Zentralbank weiterentwickelt wird. Sie hätte dafür zu sorgen, dass die Wechselkurse stabilisiert, eventuell Auf-oder Abwertungen vorgenommen werden, Kredite an Länder mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten ohne unsoziale und kontraproduktive Auflagen vergeben und zusammen mit der Weltbank eine neue Qualität der Entwicklungspolitik gegenüber den unterentwickelten Ländern durchgeführt wird. 
Das grundlegende Problem des heutigen Kapitalismus, die Verselbständigung des Finanzsektors gegenüber der realen Wirtschaft, sollte auf verschiedene Weise angegangen werden. Es ist notwendig, die überwiegende Mehrzahl der Transaktionen auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten, da sie nur spekulativen Zwecken dienen, durch Verbote, Regulierungen und steuerpolitische Maßnahmen einzudämmen. Als Instrumente einer solchen Politik könnten Kapitalverkehrskontrollen, Fi

nanztransaktionssteuern, die Trockenlegung von Steueroasen und eine Verstärkung der Kompetenzen von Aufsichtsbehörden dienen. Diese Auf
sichtsinstitute müssten auch das Recht haben, bestimmte Finanzprodukte ganz zu verbieten. Der Bestand an Finanzprodukten ist auf längere Sicht einer kontrollierten Abwertung zu unterziehen, das betrifft vor allem Derivate und Fonds. Auf längere Sicht wird auch die Funktion von Börsen verändert werden müssen. Während sie augenblicklich in erster Linie dazu dienen, als Sekundärmarkt kurzfristige Profite durch Ausnutzung von Kursdifferenzen zu ermöglichen, werden sie in Zukunft wieder vornehmlich Emissionsmärkte werden müssen, um dadurch einer rationalen Resourcenverteilung zu dienen. Auch die Funktion der Nationalbanken wird zu überprüfen sein. Während die EZB beispielsweise heute vorwiegend auf die Stabilisierung des Euro verpflichtet ist, sollte sie in Zukunft, neben der Währungsstabilisierung, auch auf die Stabilisierung der Wechselkurse und die aktive Unterstützung der Konjunktur- und Strukturpolitik verpflichtet werden. 
Insgesamt muss diese alternative Geld- Finanz- und Währungspolitik auf das Engste mit einer grundlegenden Veränderung des realen Sektors verbunden werden. Da geht es zu allererst um eine grundlegende Korrektur der gesellschaftlichen Verteilungsverhältnisse. Diese Korrekturen betreffen einerseits die Neuverteilung zwischen Unternehmereinkommen, Vermögenseinkommen sowie Löhnen und Gehältern (Primärverteilung). Andererseits stehen eine Umverteilung zu Gunsten der Sozialeinkommen und eine Stärkung der Sozialversicherungssysteme auf der Tagesordnung (Sekundärverteilung). Eine alternative Steuerpolitik und Strukturpolitik müssen zudem eine Ausweitung der „ Aufgaben von allgemeinem Interesse“ durch den Staat bewirken. Auf mittlere und längere Sicht muss diese Politik auf eine wirksame und demokratische Steuerung der Gesamtwirtschaft und der regionalen Strukturen hinauslaufen, also auf eine Demokratisierung des Wirtschaftslebens.
 
 

 


 
 
 

vgl. zu diesem Thema auch auf MAI:
863 Billionen $
Linke und Verstaatlichung
Vorbereitung
Weltfinanzkrieg/Finanzdesaster2008

sowie die Veröffentlichungen der Volksinitiative
 

vgl. dazu die von Dr. Peter Behnen  empfohlenen Publikationen v:

Jörg Huffschmid, Politische Ökonomie der Finanzmärkte Hamburg 2002

Joachim Bischoff, Globale Finanzkrise, Hamburg 2008

Bischoff, Krüger, Zinn:  Finanzkrise, Überakkumulation und die Rückkehr des Staates Hamburg 2008.
 
 

(c) Andreas Hauß, Februar 2009
http://www.medienanalyse-international.de/ueberblick.html

Im Übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.