Worum es geht -die jeweiligen Interessenslagen 
Eine kleine Einführung in Geopolitik

Es geht nicht um Öl und aber doch. Nicht im Sinne von: "die USA brauchen das irakische Öl". Das stimmt nämlich wirklich nicht 
a) weil sie es längst erhalten, etwa 67% des irakischen Erdöls (Basra light und Kirkuk rosé, ja es hört sich wie feine Tropfen an ....)geht schon jetzt in die USA, und 
b) weil es für die US-Wirtschaft nur ein Bruchteil ihrer Ölimporte ist.
Eine Rechnung: " Acht Millionen Barrel zum Preis von je 30 Dollar an 365 Tagen ergeben 87,6 Milliarden Dollar – pro Jahr. " ist nur bedingt richtig, denn vom Verkaufspreis dürfen die Produktionskosten durchaus subtrahiert werden, und die liegen nicht nur im Bereich der materiellen Produktion, sondern auch darin, dass selbst ein durch einen US-General verwalteter Irak Geld zur Aufrechterhaltung seiner Infrastruktur braucht. Die Staatseinnahmen zugunsten der Konzerne zu kürzen, ist gewiß deren Ziel, aber den Verkaufspreis = Profit zu setzen, schafft selbst der Turbokapitalist nicht.

Es geht um die Kontrolle des gesamten Raum. Um die USA als asiatische Großmacht ("Ich bestimme, wer wann wieviel zu welchem Preis bekommt." - der saudische Ölpreisregulator reicht nicht und ist unzuverlässig geworden.). Um Interessen am Nahen und Mittleren Osten, die sich auf die wachsenden Erdölbedarfe der nächsten Jahrzehnte richten.
Friedemann Müller schreibt in der SWP Berlin im Aufsatz
"Trägt die "Blut für Öl"-Hypothese?" neben viel unverdaulichem Quark folgende bemerkenswerte Sätze: 
"Wenn es ein Problem mit der Versorgung durch den Golf gibt, dann an erster Stelle für Japan und ganz Asien, an zweiter für Europa und an letzter für die USA. Japan deckt 78% seines gesamten Ölverbrauchs durch Lieferungen aus dem Golf ab, der asiatisch-pazifische Raum insgesamt (Ostasien einschließlich China, Südasien und der westpazifische Raum) 55%, Europa 22% und die USA 14% (siehe BP Statistical Review of World Energy, Juni 2002, S.18)."
http://www.swp-berlin.org/produkte/brennpunkte/blut_fuer_oel1.htm

Nimmt man Japan als zwar nicht mehr wachsende, aber stabil mit den USA konkurrierende Großmacht, China als unglaublich schnell wachsende Großmacht mit auch militärischem Potential, und die EU als immer homogener werdenden konkurrierenden Raum, und zählt die Wachstumsregionen Südostasiens hinzu, ist die Bedeutung ihrer Energieversorgung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich umrissen.

Die "New America Foundation" ließ es uns glasklar wissen: in Wirklichkeit ist die Bush-Doktrin eine Wolfowitz-Doktrin.
http://www.newamerica.net/index.cfm?pg=article&pubID=878

"It's no accident that Wolfowitz, as deputy secretary of defense, has been at the center of the new Bush administration's strategic planning." schreibt auch John Lewis Gaddis in "Foreign Policy".
 http://www.foreignpolicy.com/issue_novdec_2002/gaddis.html

Worum ging es Wolfowitz in seinem Aufsatz von 1992?
"1992 verfasste Wolfowitz ein Strategiepapier, in dem er seine Vision von den USA als einziger Supermacht entwarf. Die USA müssten nach dem Ende des Kalten Krieges den Aufstieg von Regionalmächten verhindern, so Wolfowitz. Namentlich nannte er Deutschland und Japan. Amerika sollte seinen militärischen Vorsprung so weit ausbauen, dass kein Rivale es mehr einholen könne. Außerdem müssten die amerikanischen Streitkräfte in der Lage sein, mehrere Kriege gleichzeitig zu führen, um Diktatoren wie Saddam Hussein eigenhändig zu entmachten." 
http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hintergrund/885.html

Bei einer derartigen Strategie, in Syrien das nächste Ziel sein und dann der Iran drankommen wird, und natürlich Nordkorea nichts anderes als das Synonym oder Platzhalter für China darstellt, bleibt es nicht aus, dass weitsichtige Chinesen die Wolfowitz-Doktrin durchschauen, wie es aus einer Randnotiz eines Aufsatzes "US Security Strategy and US–Japan–China Relations: Stabilizer and Engager" von Robert D. Eldridge 1deutlich wird:
 "For a recent critical article on the Bush administration’s China policy, see Lanxin Xiang, “Washington’s Misguided China Policy,” Survival, Vol. 43, No. 3 (Autumn 2001), 7–24. Xiang in particular is critical of the views of Deputy Secretary of Defense Paul D. Wolfowitz, who views China as a threat to the world system, much
like Germany was in the first two decades of the twentieth century. See Paul D. Wolfowitz, “Remembering the Future,” The National Interest, Spring 2000, 42.
http://www.stimson.org/japan/pdf/Eldridge-e.pdf

Elmar Altvater warf im "freitag" folgenden wichtigen Gedanken in die Debatte ein: "Für die USA wäre ein steigender Ölpreis nicht nur nachteilig. Teures Öl würde China und Japan und andere Konkurrenten treffen. Auch das »alte« ebenso wie das »neue« Europa würden Nachteile haben, so lange das Öl in Dollar fakturiert wird." 
Kurzsichtigere Annahmen Chinas gehen übrigens von einem fallenden Ölpreis und somit einem Nutzen für China bei einem kurzen, erfolgreichen Krieg der USA gegen Irak aus. 

Die US-Strategen denken jedoch langfristig. Bushisten ("Neokonservative") stehen für imperiale Ziele der Öl- und Rüstungsindustrie, aber auch für die Marktinteressen anderer Industriezweige, die auf Expansion gerichtet sind. Das Umfeld dafür zu schaffen bedeutet in deren Augen die auch militärische Unterdrückung nationaler Einzelinteressen weltweit. Was seit jeher dem Durchschnittsamerikaner uninteressant erscheint, speziell seit der Erfahrung in Vietnam.
Und so schloss Andrew Krepinevich seinen Vortrag vor dem US Senate Armed Services Subcommittee on Emerging Threats and Capabilities mit den Worten:
"Daraus können wir schließen, dass beim Ausbleiben eines starken externen Schocks für die Vereinigten Staaten - eine Art verspätetem “Pearl-Harbour”-  sich die Überwindung der Begrenzungen  zur Transformation  wahrscheinlich als  langer mühseliger Prozess darstellen wird. 
Unterstützung und  Zuwendung für dieses Vorhaben zu gewährleisten ist eine Herausforderung, die diesem neuen Komitee gerecht wird. Herr Vorsitzender, ich danke für die Gelegenheit, meine Gedanken zu den wachsenden Bedrohungen  unserer Sicherheit darzustellen und dazu, wie wir am besten die Fähigkeiten entwickeln können, die wir benötigen, um ihnen erfolgreich entgegenzutreten.“
http://www.csbaonline.org/4Publications/Archive/T.19990305.
Emerging_Threats,_/T.19990305.Emerging_Threats,_.htm

Man beachte die Parallelität in der Ausdrucksweise, als die Überlegungen zur Strategie reiften:

"So heißt es in dem Strategiepapier zur amerikanischen Verteidigungspolitik, das das Project for the "New American Century" im September 2000 herausgab: 
Dieser Umwandlungsprozess wird wahrscheinlich sehr lange dauern, es sei denn, ein katastrophales Ereignis tritt [ein], das als Katalysator dient – wie ein neues Pearl Harbor. 
Dieses "katastrophale Ereignis" kam allerdings früher als erwartet, wie Bill Kristol vom Weekly Standard mit unterschwelliger Genugtuung feststellt."
http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hintergrund/885.html
http://www.newamericancentury.org/RebuildingAmericasDefenses.pdf

>>>"These were all influential players in Washington even in 1998 when they were trying to pressure the Clinton administration," said Eric Leaver, project coordinator at the Institute for Policy Study, a liberal Washington think tank that opposes the war.
"Sept. 11 allowed the president to go ahead with the plan. They just took it off the shelf and dusted it off and had it all right there. It was an ideologic plan driven by ideologues, and the events of Sept. 11 opened the door," he said. <<< http://www.nj.com/news/ledger/index.
ssf?/base/news-7/1049026973217101.xml

Somit stehen wir derzeit vor der Großwetterlage, dass die USA mit aller Macht die Früchte des 11.September einbringen möchte - in einer Region, in der sich traditionell Briten und Franzosen tummelten. Doch Deutschland ist nie interesselos im Nahen Osten gewesen. Der Begriff "Bagdadbahn" veranschaulicht ein Jahrhundert des Zerrens an der britischen Vorherrschaft. Da sich die Kriegsziel- Definitionen von Bethman-Hollweg (spannende Lektüre!) als heisse Luft entpuppten, begnügte man sich jahrzehnteland mit einem guten Verhältnis zum "kranken Mann am Bosporus". 
vgl.: Franz von Papen und die deutsche Nahostpolitik 1939-1942
Die Zangenbewegung des deutschen Heeres fand dann im zweiten Anlauf in El Alamein kurz vor Kairo und damit dem Suezkanal ihr Ende, und die erste Panzerarmee der Heeresgruppe A rollte nur mal kurz bei ihrem Vorstoß nach Grosny an den brennenden Erdölfeldern von Maikop vorbei und dann auch schnell wieder zurück. (ja- das steht auch in der bundesdeutschen Presse nie zu lesen bei den Krokodilstränen um Tschetschenien, dass es DEUTSCHE Truppen waren, die die tschetschenisch-russische Stadt Grosny erstmals zerstörten.)
Der Pro-Hitler-Putsch 1941 im Irak war schon beendet, und Sowjets wie Briten hatten in Form der Besetzung Persiens einen Riegel geschaffen.
Und wieder war Deutschland jahrzehntelang auf die Türkei und die Stützung nationalistischer Regime und Bewegungen angewiesen, immer in Konkurrenz zu den anderen. Der Schah kam nicht nach Berlin, um die Kopfschusszielgenauigkeit des Herrn Kurras an der Deutschen Oper veranschaulicht zu bekommen.

Nachdem die Deutschen zwei Mal militärisch scheiterten, die Beute den Briten zu entreissen, und (wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte) sich nun mit den Amis plagen müssen, erscheint die deutsche Ausenpolitik in dem Raum als "friedlich". Dabei ist sie nichts anderes als der Ausdruck militärischen Unvermögens bei weiter vorhandenem Heißhunger. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk informierte die Direktorin des Kabuler Goethe-Instituts im April 2003, in den 60er und 70 er Jahren sei zeitweise mehr als die Hälfte des gesamten Entwicklungshilfeetats nach Afghanistan geflossen. Allein in Kabul habe es 4000 deutsche Entwicklungshelfer gegeben.
Wolfgang Ischinger, der uns nun in den USA vertritt, sagte es vor einigen Jahren, am 9.11.1997 in Bonn bei der DGAP ganz unverblümt:

"Why is Central Asia of such interest? Of course, oil is a power factor in international relations. Therefore, there is a strong tendency to view Central Asia mainly as a source, of energy. The common perception is that the USA are challenging the 
traditional Russian domination of the region in order to secure access to Central Asian energy sources. I want to talk a few minutes to explain to you why I feel that that view is too limited, and why Central Asia deserves a more comprehensive political approach. 
... The EuropeasGermany (sic) wants to support the Central Asian countries' independence, democratic development and economic prosperity. Any crisis in the region would necessarily have repercussions in neighboring Russia, the Transcaucasian states and Turkey, which would automatically be felt in Europe, too. Germany wishes to enhance trade, investment opportunities, and economic cooperation and, of course, to have access to the regions' energy resources. A crucial point in this connection is the pipeline question -  of course, we are interestod in multipie supply routes, the quicker the better. ... 
l am afraid that the predominant view in Russia still is that Central Asia is Russia's back yard in which outsiders should not get too involved. There are many instances where Russia uses its neighbours' weaknesses to retain control.  Our interest is to help Russia define its role in the region not in yesterday's terms, but in tomorrows terms  and we firmly believe that our own presence and involvement in the region can make a useful contribution to such a changed approach."

Dass sich dieses Interesse Deutschlands kreuzen könnte mit dem US-Interesse, wurde z.B. bei einer Konferenz in Bratislava Ende April 2000 deutlich:
"Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei." Wimmer - Brief an Schröder

"Die USA haben in diesem Raum gewaltige geostrategische Interessen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion möchten die USA Europa bei den Turkstämmen im Bauchraum des russischen Bären zu einer regionalen Ordnungsmacht entwickeln - natürlich unter seiner Vorherrschaft. Etwas nüchterner formuliert:   Wir sollen künftig dafür sorgen, dass regionale Konflikte in Usbekistan, Georgien und auch Tschetschenien unter Kontrolle bleiben. Das ist nicht unser Interesse." sagte auch 2002 Johannes Voggenhuber, ein österreichischer grüner Europapolitiker http://www.taz.de/pt/2002/10/09/a0212.nf/text

Wie einflussreich die USA in diesen "neuen" europäischen Staaten mittlerweile sind, wurde sinnfällig im Unterstützungsbrief derselben zur US-Irakpolitik vor einigen Tagen.

Zurück zum 11.9. und den US-Interessen:
"CBS 4.Sept. 2002: CBS) CBS News has learned that barely five hours after American Airlines Flight 77 plowed into the Pentagon, Defense Secretary Donald H. Rumsfeld was telling his aides to come up with plans for striking Iraq — even though there was no evidence linking Saddam Hussein to the attacks." (Bei den meisten Kommentatoren findet man höchstens Hinweise darauf, dass in den Tagen nach dem 11.9. fieberhaft versucht wurde, Hussein etwas anzuhängen. Nein - es waren Stunden.)

Es geht um denselben Herrn Rumsfeld und denselben Herrn Hussein, die sich (anlässlich der Versorgung Iraks mit Massenvernichtungswaffen aus den USA) 1988 (evtl. auch 1983/1984, die Quelle des Fotos ist leider unbekannt) so freundlich die Hand schüttelten:  . 

Und für die, die noch immer glauben, 
es gehe irgendwie um Massenvernichtungswaffen, 
die zur Not noch als Erklärung akzeptieren könnten, Bush brauche vaterkomplexmäßig dringend eine Vollendung des Lebenswerks des Papas, 
oder die sich eben noch zur Not in die Denkschiene begeben könnten, es handele sich bei den US-Zielen um eine Frage eines "Regimechange" (die aber auch noch eine "gut/böse" Welt als Basis der Zielvorgaben voraussetzt, 
für alle die, die sich nicht vorstellen können, es handele sich um simple Raubzüge, weil sich das doch schnöde wie "Imperialismustheorie" klingt, und das ist doch alles vorbei, hoho:

Condoleezza Rice lieferte ergänzend einen Einblick in die Denkweise der US-Regierung. "Selbst wenn Saddam Hussein morgen ins Exil gehen sollte, schließen wir eine Invasion nicht aus." 
http://www.taz.de/pt/2003/02/11/a0087.nf/text

Wie gnadenlos und zielgerichtet das große Spiel gespielt wird? : "Regret what? That secret operation was an excellent idea. It had the effect of drawing the Russians into the Afghan trap and you want me to regret it? The day that the Soviets officially crossed the border, I wrote to President Carter: We now have the opportunity of giving to the USSR its Vietnam war." Zbigniew Brzezinski, Präsident Jimmy Carters National Security Adviser in 'Le Nouvel Observateur' (France), Jan 15-21, 1998, p. 76

Und deshalb wird das Thema "11. September und seine Folgen" eine Fortsetzungsgeschichte bleiben.

Weitere Infos in diesem Zusammenhang:
1. Überblick über die Artikel zum 11.9.2001
2. Iraksplitter - Zitaten- und Linksammlung zum Irak
3. Mobile Motive - ein Artikel, der nach einem Jahr noch immer aktuell ist.

 (c) Andreas Hauß, 10.2.2003, http://www.medienanalyse-international.de